Startseite      Zwischen den Golfstaaten und Zentralasien bildet sich eine institutionalisierte Kooperation heraus

Zwischen den Golfstaaten und Zentralasien bildet sich eine institutionalisierte Kooperation heraus

ENTSCHLÜSSELUNG. Im Juli dieses Jahres fand in Saudi-Arabien das erste Gipfeltreffen zwischen den Ländern des Persischen Golfs und Zentralasiens statt. Ziel war es, die Aktivitäten der Golfstaaten und der zentralasiatischen Republiken zu bündeln. Diese Partnerschaft gewinnt aufgrund ihres wirtschaftlichen und handelspolitischen Austauschs und der damit einhergehenden Investitionen zunehmend an Wichtigkeit. Dieser Artikel versucht, eine sich ausweitende zentralasiatische Diplomatie zu entschlüsseln.

In Jeddah, Saudi-Arabien, markiert das Gipfeltreffen zwischen Zentralasien und den Golfstaaten einen wichtigen Schritt zur Förderung der interregionalen Zusammenarbeit (Illustration). Foto: Gregor Rom / Wikicommons.
In Jeddah, Saudi-Arabien, markiert das Gipfeltreffen zwischen Zentralasien und den Golfstaaten einen wichtigen Schritt zur Förderung der interregionalen Zusammenarbeit (Illustration). Foto: Gregor Rom / Wikicommons.

ENTSCHLÜSSELUNG. Im Juli dieses Jahres fand in Saudi-Arabien das erste Gipfeltreffen zwischen den Ländern des Persischen Golfs und Zentralasiens statt. Ziel war es, die Aktivitäten der Golfstaaten und der zentralasiatischen Republiken zu bündeln. Diese Partnerschaft gewinnt aufgrund ihres wirtschaftlichen und handelspolitischen Austauschs und der damit einhergehenden Investitionen zunehmend an Wichtigkeit. Dieser Artikel versucht, eine sich ausweitende zentralasiatische Diplomatie zu entschlüsseln.

Der Gipfel, der das Interesse der Großmächte China, Russland, der Türkei und der EU weckte, markiert eine Intensivierung der Beziehungen zwischen den zentralasiatischen Republiken und ihren islamischen Partnern. Das erste Gipfeltreffen zwischen Zentralasien und den Ländern des Persischen Golfs fand am 19. Juli in Saudi-Arabien statt, berichtet das saudische Medium Saudi Gazette. Das diplomatische Zusammentreffen markiert einen wichtigen Schritt zur Förderung der interregionalen Zusammenarbeit zwischen den arabischen Monarchien und Zentralasien. Den Vorsitz führte Premierminister Mohammed bin Salman.

Neben Vertretern der fünf zentralasiatischen Republiken waren auch Vertreter aus Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuwait, Oman und Bahrain anwesend. Die Initiative zur Veranstaltung des Gipfels ging von Saudi-Arabien aus, genauer gesagt vom Golf-Kooperationsrat (GCC). Laut Radio Azattyk, dem kirgisischen Ableger des US-amerikanischen Medienunternehmens Radio Free Europe, hat sich dieser Block in den letzten zehn Jahren wirtschaftlich stark entwickelt und strebt danach, das Finanz- und Technologiezentrum der gesamten muslimischen Welt zu werden.

„Die Teilnehmer des hochrangigen Ministertreffens betonten die Bedeutung der Beziehungen zwischen den Golfstaaten und Zentralasien und ihr Bestreben, die Zusammenarbeit und Koordination in Bereichen von gemeinsamem Interesse zu verstärken […]“, fasst eine gemeinsame Stellungnahme zusammen. Die elf Staaten einigten sich auf einen Kooperationsplan 2023-2027, der den politischen und sicherheitspolitischen Dialog sowie die Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft und Investitionen umfasst.

Ein erstes Treffen dieser Art hatte im September 2022 in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad stattgefunden. Die verschiedenen Minister hatten vereinbart, die Zusammenarbeit zu verstärken, um die durch die Pandemie gestörten Versorgungsketten wiederherzustellen, die Ernährungs-, Energie- und Wassersicherheit zu stärken, grüne Energie zu entwickeln und Umweltfragen zu behandeln. Der jüngste, stärker institutionalisierte Gipfel markiert jedoch eine Beschleunigung des Austauschs zwischen den beiden Regionen.

Religion, Tourismus und kultureller Einfluss

Zentralasien und der Persische Golf sind in erster Linie in religiöser Hinsicht vereint, da sie sich beide zur islamischen Welt bekennen. Der saudische Investitionsminister Khaled Al-Faleh wies in einem Interview darauf hin, dass dieser kulturelle Aspekt ein wichtiger Faktor für die Annäherung sei. „Die religiösen Gemeinsamkeiten aus dem 14. Jahrhundert stärken die Bindungen“, wurde er von Radio Azattyk zitiert.

Investitionen im Zusammenhang mit der religiösen Zusammenarbeit haben in den letzten Jahren zugenommen. So beteiligte sich Katar am Bau der größten Moschee in Tadschikistan. Sie wurde am 8. Juni dieses Jahres eingeweiht und bedurfte einer Gesamtinvestition von 100 Millionen US-Dollar (90,6 Millionen Euro), berichtet das tadschikische Medium Asia-Plus.

Lest auch auf Novastan: Welche Risiken birgt das Südkorridorprojekt für Kasachstan?

Trotz der geografischen Entfernung zwischen den beiden Regionen haben sich die Staatschefs für eine visafreie Regelung ausgesprochen, um den Tourismus und den Handel zwischen den beiden Regionen zu fördern. Der kasachstanische Präsident Qasym-Jomart Toqaev hat bereits angekündigt, dass die Bürger:innen der Golfstaaten ohne Visum nach Kasachstan einreisen können und dass direkte Flugverbindungen zu ihren Hauptstädten eingerichtet werden, wie das kasachstanische Medium Astana Times berichtet.

Saudi-Arabien und die Emirate als Schlüsselpartner

Von den auf dem Gipfeltreffen vertretenen Golfstaaten ist Saudi-Arabien der Staat, mit dem die bilaterale Zusammenarbeit in den zentralasiatischen Ländern am weitesten entwickelt ist. Laut dem russischen Medium Vestnik Kavkaza beliefen sich die finanziellen Zuschüsse der Vereinigten Arabischen Emirate für kasachstanische Projekte im Jahr 2021 auf insgesamt 3,5 Milliarden US-Dollar (3,2 Milliarden Euro). Auf der anderen Seite wurden in Kasachstan mit Hilfe von Riad Projekte im Wert von 120 Millionen US-Dollar (109 Millionen Euro) umgesetzt, wie die kasachstanische Nachrichtenagentur InformBuro berichtete. Im August 2022 besuchte der usbekische Präsident Shavkat Mirziyoyev Saudi-Arabien, wobei Projekte im Wert von 14 Milliarden US-Dollar (12,7 Milliarden Euro) vereinbart wurden.

Lest auch auf Novastan: Irans Initiativen in Usbekistan: ein Spiegel seiner Beziehungen zu Zentralasien

Das saudi-arabische Unternehmen ACWA Power investiert auch in Solarenergieprojekte in Usbekistan und Kasachstan, berichtet Radio Azattyk. Saudi-Arabien hat sich gegenüber Kirgistan bereit erklärt, einen Kredit in Höhe von 100 Millionen US-Dollar (90,6 Millionen Euro) zur Finanzierung eines Wohnungsbauprojekts zu vergeben, wie der kirgisische Dienst des russischen Mediums Sputnik berichtet.

C5+ oder die geopolitische Herausforderung, Schachfiguren in Zentralasien zu platzieren

Der GCC, der als externer Akteur agiert, versucht derzeit, einen einheitlichen Ansatz gegenüber den zentralasiatischen Ländern zu verfolgen. Bisher haben die Golfstaaten erhebliche Mittel in die Region investiert. Dennoch liegen sie weit hinter den Hauptinvestoren China, Russland und den Ländern der Europäischen Union zurück.

Allein die Verschärfung des Konflikts zwischen Russland und dem Westen seit dem Ukraine-Krieg und das Erstarken der Taliban in Afghanistan hat viele wichtige Akteure dazu veranlasst, sich stärker nach Zentralasien zu orientieren. Daher die Beliebtheit von Treffen in der Form C5 +, beispielsweise mit dem C5 + USA, dem C5 + China in Xi’an im Mai oder dem C5 + Europa in Tscholponata im Juni dieses Jahres.

Schließlich hat Saudi-Arabien, der für Zentralasien wichtigste Akteur unter den Golfstaaten, ein Interesse daran, seinen Einfluss im Verhältnis gegenüber jenem des Iran zu wahren. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit hat sich in den letzten Jahren zwar entwickelt, aber erst, seit Muhammad bin Salman nach seinem Amtsantritt 2017 rasch Maßnahmen zur Ausweitung des Einflusses seines Landes ergriffen hat, um dem Rivalen Iran entgegenzuwirken.

Das Interesse an Zentralasien wird nicht nachlassen: Das nächste Treffen des Zentralasien-Golfstaaten-Gipfels soll, um den Austausch fortzusetzen, bereits nächstes Jahr in Usbekistan, in Samarkand, stattfinden, wie das saudische Medium Arab News berichtet.

Emma Collet, Redakteurin für Novastan

Aus dem Französischen von Berenika Zeller

Noch mehr Zentralasien findet ihr auf unseren Social Media Kanälen: Schaut mal vorbei bei Twitter, Facebook, Telegram, Linkedin oder Instagram. Für Zentralasien direkt in eurer Mailbox könnt ihr euch auch zu unserem wöchentlichen Newsletter anmelden.

Kommentare

Your comment will be revised by the site if needed.