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Zentralasiens Präsidenten bei Gipfeltreffen in Berlin

Die Präsidenten der zentralasiatischen Länder haben sich in Berlin mit Bundeskanzler Scholz und Bundespräsident Steinmeier getroffen. In einem sich verändernden geopolitischen Kontext nehmen die Herausforderungen dieses Treffens eine große globale Dimension an.

Die fünf zentralasiatischen Präsidenten sind zu einem Gipfeltreffen nach Berlin gereist, Photo: Aq Orda

Die Präsidenten der zentralasiatischen Länder haben sich in Berlin mit Bundeskanzler Scholz und Bundespräsident Steinmeier getroffen. In einem sich verändernden geopolitischen Kontext nehmen die Herausforderungen dieses Treffens eine große globale Dimension an.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat am 29. September die Staatschefs der zentralasiatischen Staaten zu wichtigen Gesprächen über die Stärkung der regionalen Zusammenarbeit eingeladen. Während Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan durch ihre jeweiligen Präsidenten vertreten wurden, nahm für Turkmenistan der Vorsitzende des Volksrats und Vater des amtierenden Präsidenten, Gurbanguly Berdimuhamedow, an dem Gipfeltreffen teil.

Deutschland weite seine wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit mit Zentralasien aus, berichtet Radio Azattyk, der kirgisische Dienst von Radio Free Europe. Im Gegenzug verpflichteten sich die fünf zentralasiatischen Länder, die internationalen Sanktionen gegen Russland zu respektieren und deren Umgehung zu verhindern. Traditionell stehe die Region unter dem Einfluss des Kremls.

Tatsächlich ist es nicht das erste Mal in diesem Jahr, dass die deutsche Spitzenpolitik sich mit zentralasiatischen Präsidenten trifft. So hatte Bundespräsident Steinmeier im Juni Kasachstan und Kirgistan besucht und im Mai war Usbekistans Präsident Shavkat Mirziyoyev auf offiziellem Besuch in Berlin.

Energie im Fokus

Das Streben Deutschlands nach Energieunabhängigkeit von Russland steht seit mehreren Monaten im Mittelpunkt der Diskussionen und Bestrebungen, berichtet Eurasianet. Vor dem historischen Treffen in Berlin habe Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verschiedene Möglichkeiten bereits ausgelotet, insbesondere bei seinem Treffen mit Kasachstans Präsidenten Qasym-Jomart Toqaev im Juni, erklärt die kasachstanische Zeitung The Astana Times.

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Die Präsidenten betonten die Vielfalt und Tiefe ihrer bilateralen Zusammenarbeit sowie das anhaltende Engagement Deutschlands in der Region, sowohl als Teil der Europäischen Union als auch im multilateralen Rahmen. Schwerpunkte sind hierbei Wirtschaft, Energie, Klima, Umwelt und regionale Zusammenarbeit.

Eines der markantesten Beispiele ist die Kooperation Deutschlands mit Usbekistan durch die Gründung einer neuen Wirtschaftskammer in Hamburg. Nach Angaben der Presseagentur Trend bestehen ihre Aufgabe darin, Unternehmen aus beiden Ländern einen reibungslosen Zugang zu Institutionen und Dienstleistungen zu gewährleisten, Hindernisse für eine effektive Kommunikation zu beseitigen und eine Plattform zu schaffen, die den direkten Austausch zwischen Unternehmen fördert.

Kasachstan als Schlüsselstaat der Global Gateway-Strategie

Die Europäische Kommission und der Hohe Vertreter der EU haben Global Gateway definiert. Es handelt sich dabei um eine europäische Strategie, die darauf abzielt, intelligente Verbindungen in den Bereichen Digitales, Energie und Verkehr zu entwickeln sowie Forschung, Gesundheits- und Bildungssysteme auf der ganzen Welt zu stärken. Mit einem Budget von 300 Milliarden Euro für die Jahre 2021 bis 2027 wird diese Strategie von vielen Beobachtenden als Antwort auf Chinas Neue Seidenstraße angesehen.

Es sei daher nicht verwunderlich, dass Deutschland im Handel mit und bei Investitionen in Kasachstan einen wichtigen Platz einnimmt, erklärt The Astana Times. Der Handel zwischen den beiden Ländern ist erheblich gewachsen und erreichte bis Ende 2022 2,8 Milliarden US-Dollar (2,6 Milliarden Euro), was einem Anstieg von 25 Prozent entspricht. Auf Kasachstan entfallen fast 83 Prozent des gesamten deutschen Handels mit Zentralasien.

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„Kasachstan ist auch ein Fokusland für die europäische Global-Gateway-Initiative, die wichtige Infrastrukturprojekte voranbringen will“, erklärte Bundeskanzler Scholz. Dieser Ansatz steht in Zusammenhang mit der Entscheidung der EU, russisches Öl zu boykottieren.

Multilateralismus und antirussische Sanktionen

In Bezug auf die Sanktionen gegen Russland bleiben die zentralasiatischen Regierungen aber aufgrund ihrer geostrategischen Positionierung zurückhaltend. Kasachstans Präsident Toqaev sagte nach dem Gipfel: „Kasachstan unterstützt alle Bemühungen […], verschiedene Optionen zur Lösung des Ukraine-Konflikts vorzuschlagen. Wir für unseren Teil werden alles tun, was wir können. Die Grenze zwischen Kasachstan und Russland wurde weitgehend […] von den Parlamenten beider Länder bestätigt und ratifiziert. Daher haben wir keine Bedenken hinsichtlich Gebietsansprüchen Russlands. Wir pflegen regelmäßige freundschaftliche Kontakte auf bilateraler Basis sowie im Rahmen relevanter Integrationsverbände.“

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Tatsächlich bleibt Russland ein wichtiger Partner für Kasachstan. Diese Partnerschaft ist nicht nur wirtschaftlicher Natur: Kurz vor Russlands Angriffs auf die Ukraine kam Moskau während der Januar-Ereignisse 2022 der kasachstanischen Führung zur Hilfe, indem es Friedenstruppen der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) schickte.

Anstoß für den Mittleren Korridor

Wie The Diplomat berichtet, gab der Gipfel auch Anlass, um das Konzepts des Mittleren Korridors zu verabschieden. Dieser stellt im Wesentlichen ein Handels- und Transportnetzwerk dar, das im Laufe der Jahre unter verschiedenen Namen bekannt war, darunter „Trans-Caspian International Transport Route“ (TITR). Der Krieg in der Ukraine und die Neugestaltung der Beziehungen zwischen Europa und Russland gaben den seit langem benötigten Anstoß für die vollständige Verwirklichung des Projekts.

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Der Mittlere Korridor zielt darauf ab, unter Umgehung Russlands eine direktere und effizientere Verbindung zwischen Asien und Europa zu schaffen, wodurch die Handels- und Transportrouten diversifiziert und Europas Abhängigkeit von Russland verringert werden würde.

Mit der Veränderung der geopolitischen Dynamik in Eurasien gewinnt dieses Projekt zunehmend an Bedeutung und könnte eine wichtige Rolle bei der Förderung des Handels und der Konnektivität zwischen diesen beiden Kontinenten spielen.

Bülent Alhas für Novastan

Aus dem Französischen (mit Ergänzungen) von Robin Roth

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