Eine Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen hat die Verhaftung von Gulnora Karimova, Tochter des ehemaligen Präsidenten, als illegal und willkürlich bezeichnet. Als Reaktion darauf hat Usbekistan ein offizielles Statement abgegeben, in dem die positiven Auswirkungen der Rückgabe der von Karimova gestohlenen Gelder an den Staat hervorgehoben werden.
Am 8. Juli 2025 hat eine Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen einen Bericht über die Inhaftierung Gulnora Karimovas veröffentlicht, in dem ihre Festnahme und Inhaftierung als illegal und willkürlich bezeichnet wurden.
Gulnora Karimova ist die älteste Tochter des ehemaligen usbekischen Präsidenten Islom Karimov. Sie galt lange Zeit als einflussreiche Frau in Usbekistan und war Diplomatin, Geschäftsfrau, Modedesignerin und Sängerin. Zudem war sie in mehrere internationale Korruptionsskandale verwickelt, insbesondere in Bestechungsfälle im Zusammenhang mit Telekommunikationsunternehmen.
Der Fall Karimova, eine juristische Seifenoper
Die Verhaftung Karimovas am 14. Februar 2014 erfolgte ohne Haftbefehl und ohne vorherige gerichtliche Zustimmung. Nach dieser Verhaftung wurde die Tochter des damaligen Präsidenten gezwungen, 18 Monate lang in ihrem Haus eingesperrt zu bleiben, obwohl ihre noch minderjährige Tochter während dieser Zeit keinen Zugang zur Schule hatte.
Im August 2015 fand in den usbekischen Medien der sogenannte „Küchenprozess” statt: Karimova wurde in ihrer Küche verurteilt, ohne sich verteidigen zu können oder von einem Anwalt vertreten zu werden. Sie wurde zu fünf Jahren Hausarrest verurteilt.
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Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung!Im Jahr 2017 fand ein zweiter Prozess gegen die Tochter des inzwischen verstorbenen, ehemaligen Präsidenten statt. Sie soll ein umfangreiches kriminelles Netzwerk geleitet haben, das mehr als eine Milliarde US-Dollar veruntreut hatte. Indem sie ihre Position als Tochter des Präsidenten ausgenutzt haben soll, soll sie insbesondere von großen ausländischen Unternehmen Bestechungsgelder erhalten haben, die Zugang zum usbekischen Markt (etwa im Telekommunikationssektor) erhalten wollten. Der Prozess fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor dem Regionalgericht in Taschkent statt, wo Karimova zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde.
Im September 2019 wurde sie schließlich in einem dritten Strafverfahren wegen krimineller Machenschaften, Betrug und Geldwäsche zu dreizehn Jahren und vier Monaten Haft verurteilt.
Bericht der UN-Arbeitsgruppe
Der Bericht der UN-Arbeitsgruppe vom 8. Juli alarmiert über die Bedingungen der Prozesse und verschiedenen Verurteilungen gegen Gulnora Karimova, die aus Sicht des internationalen Menschenrechts, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte erhebliche Rechtsverstöße darstellen.
Infolgedessen forderte die UN-Arbeitsgruppe die Regierung Usbekistans auf, Karimova eine Entschädigung zu zahlen, eine völlig unparteiische Untersuchung ihres Falles einzuleiten und die für ihre Verhaftung Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.
Die UN-Arbeitsgruppe verfügt jedoch trotz ihrer Medienpräsenz über keine verbindliche Rechtskompetenz und hat lediglich beratende Funktion.
Offizielle Antwort der Regierung
Nach der Veröffentlichung dieses Berichts veröffentlichte die Regierung eine offizielle Antwort zum Fall Gulnora Karimova, in der sie dessen Schlussfolgerungen vehement bestritt.
Nach Ansicht der Regierung sind zahlreiche Elemente dieses Berichts fragwürdig, allen voran die Befangenheit der Arbeitsgruppe. Taschkent erklärte, die Gruppe habe ausschließlich auf der Grundlage der Darstellung der Tochter des ehemaligen Präsidenten gearbeitet und ihre Argumentation darauf gestützt, wobei sie die offizielle Version Usbekistans aufgrund von Verfahrensfristen bewusst außer Acht gelassen habe.
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Taschkent bekräftigt außerdem, dass alle Strafverfahren unter Einhaltung des usbekistanischen Rechts und im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen des Landes zur Achtung der Menschenrechte durchgeführt wurden, und versichert, dass Karimova Zugang zu Anwälten ihrer Wahl hatte. Sie habe auch die Möglichkeit gehabt, gegen die Urteile Berufung einzulegen.
Schließlich gab es laut der offiziellen Erklärung keine politischen Motive und die einzige Absicht der Regierung war es, Gerechtigkeit für die zahlreichen Verbrechen zu üben, die Gulnora Karimova vorgeworfen wurden – darunter Steuerhinterziehung, Korruption, Geldwäsche und massive Veruntreuung öffentlicher Gelder.
Usbekistan verhandelt mit europäischen Staaten über Rückgabe eingefrorener Vermögenswerte
Wie Radio Ozodlik berichtet, wird Karimova verdächtigt, mehrere hundert Millionen Dollar veruntreut und in ausländische Banken investiert zu haben. Diese befänden sich insbesondere in Europa, wie beispielsweise in der Schweiz oder in Belgien.
Schätzungen zufolge wurden in der Schweiz rund 840 Millionen US-Dollar (720 Millionen Euro) eingefroren. In Belgien belaufen sich die Zahlen auf schätzungsweise 216 Millionen US-Dollar (185 Millionen Euro). Die genauen Summen, die Karimova veruntreut haben soll, bleiben jedoch unklar und sind schwer zu ermitteln.
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Darüber hinaus schätzt die Generalstaatsanwaltschaft Usbekistans, dass sich der Gesamtbetrag des Schadens, den Karimova den „Interessen des Staates und der Bürger” zugefügt hat, auf über 1.2 Milliarden Usbekische Sum, über 1.6 Milliarden US-Dollar und über 26,1 Millionen Euro beläuft.
Karimova, Symbol der Unterdrückung oder des Kampfes gegen Korruption
Diese Summen stellen für die Wirtschaft Usbekistans kolossale Beträge dar. Das Land hat bereits begonnen, Gelder aus den beschlagnahmten Vermögenswerten einzuziehen. Laut Radio Ozodlik legte Karimova kürzlich Rechenschaft über die Verwendung dieser Gelder ab, indem sie bedeutende Investitionen im Medizin- und Bildungssektor tätigte.
Die Regierung gab bekannt, dass mehrere Tausend medizinische Geräte gekauft, mehr als 11.000 Gesundheitsfachkräfte ausgebildet, über 230 Entbindungsstationen modernisiert, medizinische Protokolle aktualisiert und rund 40 Millionen Euro in verschiedene Bildungs- und Sanierungsprojekte für Schulen investiert worden waren.
Taschkent bemüht sich um eine gewisse Transparenz bei der Rückgabe der veruntreuten Gelder an den Staat. Dadurch soll der Bruch mit dem alten Regime von Islom Karimov bekräftigt und gleichzeitig die innere und äußere Legitimität der aktuellen Regierung gefestigt werden.
Vladimir Przybylinski für Novastan
Aus dem Französischen von Michèle Häfliger
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Usbekistan weist Kritik der UN an Verhaftung von Gulnora Karimova zurück