In Zentralasien bestehen zahlreiche Initiativen zur Errichtung von Straßen oder Gaspipelines, doch viele davon sind in die Jahre gekommen oder gar nicht erst fertiggestellt worden. Dass Gas von Turkmenistan nach Pakistan geliefert werden soll, ist von besonderem Interesse, da die Route durch Afghanistan führt.
Am 28. April dieses Jahres lieferte Turkmenistan Gas nach Pakistan über afghanisches Territorium, wie das afghanische Medium Tolo News berichtet. Das Gas wurde über die Provinz Kandahar geliefert, die an Pakistan grenzt. Die Lieferung erfolgte auf eine Anfrage Pakistans im Dezember 2022, als das Land unter akutem Gasmangel litt. Aufgrund des weltweiten Preisanstiegs hoffte Islamabad darauf, einen Partner mit günstigeren Preisen zu finden, erklärt News Central Asia. Nach den Verzögerungen beim Gaspipelineprojekt Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Indien (kurz TAPI) zeigt die Gaslieferung das weiterhin vorhandene Interesse an der Nutzung der Strecke, markiert jedoch keinen Meilenstein im Bau des TAPI.
Wiedererstarktes Interesse an Turkmenistan
Der Krieg gegen die Ukraine hat bei Turkmenistan wie auch anderen zentralasiatischen Ländern die Überzeugung verstärkt, die eigenen Partner zu diversifizieren und nicht zu sehr von Russland abhängig zu sein, um nicht von westlichen Sanktionen betroffen zu sein. Dies steht in Einklang mit dem russischen Bestreben, möglichst viele Alternativen zu finden, um den Verlust des europäischen Marktes auszugleichen. Aus diesem Grund hofft Moskau, sein Gas über Turkmenistan und Afghanistan bis nach Pakistan zu transportieren. Daher besuchte im Januar ein russischer Sondergesandter Kabul, um das TAPI-Projekt wieder in Gang zu bringen, erklärt das indische Medium Energy World.
Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung! Durch jede noch so kleine Spende helft ihr uns, weiter ein realitätsnahes Bild von Zentralasien zu vermitteln.
Turkmenistan sieht sämtliche Initiativen mit Pakistan in positivem Licht: Das Land ist ein interessanter Partner und könnte Aşgabat dabei behilflich sein, sich vorsichtig aus der Isolation zu begeben. Laut Asia-Plus ist ein großes Projekt geplant, das den Transport von 33 Milliarden Kubikmetern Gas pro Jahr ermöglichen soll.
Trotzdem schaut das turkmenische Regime weiterhin auf den Iran, mit dem seit 2022 vermehrt Gespräche geführt werden – davon berichtet das turkmenische Medium Chronicles of Turkmenistan. Die besorgniserregende Situation in Afghanistan verleiht Teheran mehr Glaubwürdigkeit, da es daran interessiert ist, als Transitland zu fungieren. Doch aufgrund von Komplikationen zwischen dem Iran und Turkmenistan, die mit ausstehenden iranischen Zahlungen zusammenhängen, haben die Gespräche bislang kaum Erfolg.
Ungünstige Bedingungen für Projekte
Für Afghanistan ist TAPI ein Glücksfall im Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen, um die eigene Wirtschaft anzukurbeln. Daher ist die genannte Transit-auf großes Interesse gestoßen. Dennoch wurde das Projekt wegen der Machtergreifung der Taliban auf Eis gelegt. Obwohl Pakistan, Russland und Afghanistan interessiert zu sein scheinen und sich um die Wiederaufnahme des TAPI-Projekts bemühen, ist die Sicherheitslage nicht optimal: Es besteht weiterhin Unsicherheit hinsichtlich der Zuverlässigkeit des Projekts.
Lest auch auf Novastan: Asiatische Entwicklungsbank zieht sich aus der TAPI-Pipeline zurück
Darüber hinaus scheint sich die Initiative nicht für alle Beteiligten zu lohnen. Während die Abwesenheit Indiens bei jüngsten Gesprächen auffällt, erklärt Pakistan, dass man bereit sei, weiterzumachen, berichtet das turkmenische Medium Orient. Neu-Delhis Motivation, an diesem pharaonischen Projekt mitzuwirken, scheint zu sinken, da es für die Ökonomie des Landes keine große Bedeutung hat. Der Krieg in der Ukraine sorgt nämlich für widersprüchliche Tendenzen: Seit den westlichen Sanktionen erhält Indien russisches Gas zu niedrigen Kosten.
Daher ist wahrscheinlich, dass die Gaslieferung Ende April eine Ausnahme bleibt und nicht die Tür für eine Wiederbelebung des TAPI-Projekts öffnet. Im Übrigen stellt Chronicles of Turkmenistan fest, dass die turkmenischen Medien nicht über den Beginn der Gasexporte nach Pakistan berichtet haben. Es scheint, dass die turkmenische Seite selbst am wenigsten interessiert daran ist, das TAPI-Projekt weiterzuführen, was mit der Verpflichtung zusammenhängt, 85% der Kosten für den Bau der Pipeline zu übernehmen.
Lucas Morvan, Redakteur für Novastan
Aus dem Französischen von Michèle Häfliger
Noch mehr Zentralasien findet ihr auf unseren Social Media Kanälen: Schaut mal vorbei bei Twitter, Facebook, Telegram, Linkedin oder Instagram. Für Zentralasien direkt in eurer Mailbox könnt ihr euch auch zu unserem wöchentlichen Newsletter anmelden.