Der Tod mehrerer chinesischer Staatsbürger in Tadschikistan verdeutlicht sowohl das Ausmaß der chinesischen Präsenz in der Region als auch die anhaltenden Spannungen, die dort seit der Rückkehr der Taliban im August 2021 herrschen.
Innerhalb von vier Tagen wurden bei zwei Angriffen an der tadschikisch-afghanischen Grenze fünf chinesische Staatsbürger getötet und weitere verletzt. Der erste Angriff am 26. November, der sich gegen Mitarbeiter des Goldminenunternehmens Shohin SM richtete, forderte drei Todesopfer und einen Verletzten. Beim zweiten Angriff am 30. November gegen die China Road and Bridge Corporation (CRBC) wurden laut der tadschikischen staatlichen Nachrichtenagentur Khovar zwei Mitarbeiter getötet und zwei weitere verletzt.
Laut Sicherheitsbehörden wurden die Angriffe aus Afghanistan mit Granaten bestückten Drohnen verübt. Die noch nicht identifizierten Täter hätten von der afghanischen Provinz Badachschan aus agiert. China forderte eine zügige Untersuchung und rief seine Bürger auf, das Grenzgebiet umgehend zu verlassen.
Die chinesische Präsenz in Tadschikistan
Die Angriffe verdeutlichen das Ausmaß der chinesischen Präsenz in der Region und die anhaltenden Spannungen seit der Rückkehr der Taliban im August 2021. In Tadschikistan sind derzeit über 300 chinesische Unternehmen tätig, insbesondere im Bergbau. So auch Shohin SM, ein Unternehmen, das hauptsächlich Gold im Süden Tadschikistans abbaut und dessen drei Mitarbeiter bei dem ersten Angriff getötet wurden.
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Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung!Im Rahmen der Initiative Neue Seidenstraße hat China seine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Duschanbe deutlich intensiviert. 2017 entfielen 4,9 Prozent der tadschikischen Exporte auf China; bis 2023 stieg dieser Anteil auf 24 Prozent. Die beiden Länder scheinen ihre Kooperation nicht nur im wirtschaftlichen sondern auch im militärischen Bereich zu verstärken.
Diese enge Zusammenarbeit begann jedoch bereits vor dem Start der Seidenstraßen-Initiative. Peking finanzierte beispielsweise das gigantische Projekt einer Schnellstraße von Duschanbe nach Chudschand. Diese wurde zwischen 2006 und 2012 von CRBC gebaut – jenem Unternehmen, dessen zwei Mitarbeiter vor wenigen Tagen getötet wurden.
Instabilität an der Grenze zu Afghanistan
Die Sicherheitsrisiken an der Grenze zwischen Tadschikistan und Afghanistan gefährden zunehmend auch chinesische Staatsbürger, die hauptsächlich in Mega-Infrastrukturprojekten tätig sind.
Tadschikistan war das einzige Land in Zentralasien, das seine Missbilligung der Rückkehr der Taliban öffentlich zum Ausdruck brachte. Präsident Emomali Rahmon präsentiert sich als Verteidiger der tadschikischen Minderheit Afghanistans, die mehr als ein Drittel der Bevölkerung des Landes ausmacht. Er äußert regelmäßig seine Besorgnis um deren Sicherheit angesichts der paschtunischen Mehrheit, aus der die Taliban-Bewegung hervorgegangen ist.
Darüber hinaus ist Duschanbe aufgrund der 1.357 Kilometer langen Grenze zu Afghanistan besorgt über die Präsenz zahlreicher dschihadistischer Gruppen auf afghanischem Gebiet, wie beispielsweise des Islamischen Staates in Khorasan (IS-K), einer der aktivsten Fraktionen des IS und in Opposition zur Taliban, die teilweise in Afghanistan Fuß gefasst hat.
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Einem Bericht von Reuters zufolge, der sich auf Quellen innerhalb der tadschikischen Sicherheitskräfte beruft, führt Tadschikistan Gespräche mit Russland und einer von Moskau geführten Regionalstreitmacht über die Möglichkeit, Truppen zur gemeinsamen Sicherung der unruhigen Grenze zu Afghanistan zu entsenden. Das tadschikische Außenministerium dementierte den Bericht jedoch umgehend, und Reuters entfernte die Meldung am 3. Dezember.
Fest steht, dass es inzwischen Annäherungen zwischen Tadschikistan und der Taliban-Führung gibt. Wenige Tage vor dem Anschlag auf chinesische Staatsbürger hatte beispielsweise ein diplomatisches Treffen zwischen Vertretern beider Länder stattgefunden. Laut dem tadschikischen Nachrichtenportal Asia-Plus traf am 15. November eine Delegation aus dem Außenministerium, den Sicherheitskräften und anderen tadschikischen Behörden in Kabul ein, um mit der Taliban Sicherheitsfragen zu erörtern.
Nathan Bataille für Novastan
Aus dem Französischen von Robin Roth
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Tödliche Angriffe auf chinesische Arbeiter an Tadschikistans südlicher Grenze