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Projekt CASA-1000: Überleben dank internationaler Hilfe

Das Energieprojekt CASA-1000, das Zentral- und Südasien durch ein ausgedehntes Stromverbundnetz verbinden soll, ist ein seltenes Beispiel regionaler Zusammenarbeit zwischen Kirgistan und Tadschikistan. Seinen Erfolg verdankt es einer strukturierten internationalen Governance.

Das Energieprojekt CASA-1000 verbindet Tadschikistan und Kirgistan mit Südasien, Photo: www.casa-1000.org

Das Energieprojekt CASA-1000, das Zentral- und Südasien durch ein ausgedehntes Stromverbundnetz verbinden soll, ist ein seltenes Beispiel regionaler Zusammenarbeit zwischen Kirgistan und Tadschikistan. Seinen Erfolg verdankt es einer strukturierten internationalen Governance.

Es ist ein Meilenstein, der die Umsetzung des CASA-1000 (Central Asia – South Asia Electricity Transmission and Trade Project) näherbringt: Bei einem Regierungstreffen in Duschanbe haben am 16. Mai Minister der vier am Projekt beteiligten Länder Tadschikistan, Kirgistan, Afghanistan und Pakistan mehrere wichtige Dokumente unterzeichnet, die den für 2027 geplanten kommerziellen Start des Projekts einläuten.

CASA-1000 soll es Tadschikistan und Kirgistan ermöglichen, überschüssigen Strom an die südasiatischen Nachbarn zu exportieren. Das Projekt, dessen bisherigen Kosten auf über eine Milliarde US-Dollar (über 875 Millionen Euro) geschätzt werden, hat über ein Jahrzehnt lang politische und technische Herausforderungen bewältigt. Sein Fortschritt beruht vor allem auf kontinuierlicher internationaler Unterstützung und einer verstärkten Koordination zwischen multilateralen Akteuren. Da Kirgistan und Tadschikistan selten an Initiativen dieser Größenordnung teilnehmen, stellt das Projekt einen wichtigen Schritt für ihre regionale Integration dar.

CASA-1000: Ambitionen und Realitäten

Das Projekt zielt darauf ab, 1.300 Megawatt überschüssigen Wasserstrom aus Kirgistan und Tadschikistan nach Afghanistan und Pakistan zu exportieren. Die Gesamtlänge der Leitungen beträgt 1.387 Kilometer, die Gesamtkosten belaufen sich auf über 1,6 Milliarden US-Dollar (51,4 Milliarden Euro), finanziert von mehreren internationalen Institutionen.

Kirgistan hat 456 Kilometer Stromleitungen gebaut und das Umspannwerk Datka modernisiert, Tadschikistan 170 Kilometer. Die Arbeiten seien in beiden Ländern abgeschlossen, erklärte Tadschikistans Energieminister Daler Dschumha. Der afghanische Teil des Projekts sei zu 70 Prozent fertiggestellt.

Die Diskussionen zu dem Projekt begannen im Jahr 2006. CASA-1000 wurde 2014 von der Weltbank genehmigt und 2016 offiziell gestartet. Es handelt sich um die erste praktische Umsetzung der 2011 gestarteten Initiative „Central Asia South Asia Regional Electricity Market“ (CASAREM).

Interne Spannungen…

Kirgistan und Tadschikistan halten sich traditionell von großen Infrastrukturprojekten fern. Neben CASA-1000 gibt es das Regionale Straßenrekonstruktionsprojekt (CAREC) sowie den Bau der Wasserkraftwerke Kambarata-1 und 2 in Kirgistan und des Rogun-Staudamms in Tadschikistan. Beide geraten immer wieder aufgrund politischer oder ökologischer Streitigkeiten mit dem Nachbarn Usbekistan ins Stocken.

Warum sind solche Projekte in Tadschikistan und Kirgistan selten? Beide Länder stehen vor komplexen institutionellen Herausforderungen: Kirgistan hatte in den letzten zehn Jahren vier aufeinanderfolgende Präsident:innen, was die Stabilität und Kontinuität der öffentlichen Politik untergraben hat. Tadschikistan seinerseits arbeitet daran, die Transparenz und Governance seiner Institutionen zu stärken, doch die Fortschritte bleiben schleppend. Beide Staaten haben zudem mit einem geringen Staatshaushalt zu kämpfen, der ihre Investitionsmöglichkeiten in Infrastrukturprojekte einschränkt und sie stark von internationaler Hilfe abhängig macht.

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Hinzu kommen Spannungen um die gemeinsame Grenze, die die Beziehungen lange belastet haben. Erst im März 2025 wurde ein Grenzabkommen zwischen Kirgistan und Tadschikistan unterzeichnet – ein wichtiger Schritt zur Normalisierung der Beziehungen.

Schließlich muss die umfangreiche, aus der Sowjetzeit übernommene Infrastruktur modernisiert und verbessert werden, um den aktuellen technischen und ökologischen Standards zu entsprechen. Trotz des vielversprechenden Wasserkraftpotenzials bestehen weiterhin Herausforderungen bei der Bewirtschaftung der Reservoirs, bei der Logistik und durch saisonale Schwankungen, die die Stabilität der Energieproduktion beeinträchtigen.

… und externe Faktoren

Projekte in Zentralasien werden zunehmend von der regionalen Geopolitik beeinflusst. CASA-1000 erlebte Phasen der Stagnation, nicht nur aufgrund interner Herausforderungen der beteiligten Länder, sondern auch aufgrund der Positionen und Interessen der Nachbarstaaten. Insbesondere Usbekistan stand dem Projekt während der Herrschaft seines isolationistischen Präsidenten Islom Karimov lange Zeit ablehnend gegenüber. Tadschikistan plant den Export erheblicher Strommengen aus dem gigantischen Rogun-Wasserkraftwerk, das sich derzeit im Bau befindet und am Wachsch – einem Quellfluss des Amudarja – liegt. Taschkent befürchtet jedoch, dass der Staudamm nach seiner Inbetriebnahme den Wasserstand des größten Flusses Zentralasiens drastisch senken wird, was für die Landwirtschaft von entscheidender Bedeutung wäre.

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Turkmenistan hingegen zeigte kein Interesse an regionalen Projekten und konzentrierte sich auf die Entwicklung seines Gassektors, während es politisch neutral blieb. Die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im Jahr 2021 führte zu zusätzlichen Unsicherheiten, insbesondere im Hinblick auf CASA-1000, und in der Folge zu einer vorübergehenden Aussetzung der Finanzierung durch die Weltbank. Dank eines konstruktiven Dialogs zwischen den Beteiligten und der Einrichtung geeigneter Überwachungsmechanismen konnte die Finanzierung 2024 wieder aufgenommen und das Projekt fortgesetzt werden.

Internationale Institutionen und Programme mit Fokus auf nachhaltiger Entwicklung haben maßgeblich zur Weiterentwicklung von CASA-1000 beigetragen. Internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank, die Islamische Entwicklungsbank und die EBWE stellen die Finanzierung und überwachen die Umsetzung des Projekts. Somit stellen sie sicher, dass diese internationalen Standards entspricht.

Lokale Strukturen stärken

Auf lokaler Ebene wurden Unterstützungsprogramme für die örtlichen Gemeinden entwickelt, um die positive Wirkung des Projekts zu maximieren. In Kirgistan spielte die Agentur für Gemeindeentwicklung und -investitionen (ARIS) eine zentrale Rolle bei der Umsetzung des Community Support Project (CSP) im Rahmen von CASA-1000. CSP stellt ein ergänzendes Programm zum Aufbau lokaler Kapazitäten und zur Verbesserung der sozialen Infrastruktur dar. Das Programm umfasste 77 Orte im Süden des Landes.

Tadschikistan wiederum verfolgt einen ähnlichen Ansatz: Ein vom nationalen Energieunternehmen Barqi Tojik koordiniertes und mit Unterstützung des Nationalen Sozialinvestitionsfonds umgesetztes Projekt zielt auf rund 60 Dörfer entlang der Route ab.

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Diese Beispiele zeigen, dass der Erfolg großer Infrastrukturprojekte nicht nur von der internationalen Zusammenarbeit abhängt, sondern auch von der Fähigkeit nationaler Institutionen, ein inklusives, dezentrales und sozial verantwortliches Management sicherzustellen.

CASA-1000 ist mehr als nur ein Energieprojekt. Es zeigt auch, wie Kirgistan und Tadschikistan Instabilität bewältigen und sich aktiv für eine nachhaltige regionale Zusammenarbeit engagieren können. Dank der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und gezielter institutioneller Hilfe setzt dieses Projekt neue Maßstäbe für die Beteiligung kleiner zentralasiatischer Staaten an groß angelegten grenzüberschreitenden Initiativen. Nun gilt es, Lehren zu ziehen und Chancen zu nutzen.

Olga Vishnevskaia für Novastan

Aus dem Französischen von Robin Roth

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