Demnächt werden eine Stadt, ein Fernsehsender, eine Zeitung und ein Fußballverein nach „Arkadag“, dem Titel des ehemaligen turkmenischen Präsidenten Gurbanguly Berdimuhamedov benannt. Ein Zeichen für einen weiter gepflegten Personenkult.
Fünf Milliarden US-Dollar (ca. 4,6 Mlrd. Euro) soll in Turkmenistan eine neue Stadt namens Arkadag kosten. Dies berichtete der französische Sender France24 nach den Angaben eines Verantwortlichen des staatlichen Kommitees, das mit dem Bau beauftragt wurde.
Diese Summe entspricht etwa einem Zehntel des Bruttoinlandsprodukts Turkmenistans, dabei sind große Teile der turkmenischen Bevölkerung von extremer Armut betroffen. Auch der Infrastruktur und den öffentlichen Dienstleistungen fehlt es an Finanzmitteln, so eine Reportage des US-Mediums Radio Free Europe.
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Die neu zu gründende Stadt soll 30 Kilometer von der turkmenischen Hauptstadt Aschgabat entfernt entstehen. Arkadag, turkmenisch für „Beschützer“, ist der Ehrentitel, den Gurbanguly Berdimuhamedov, der ehemalige turkmenische Präsident, der nun das Einkammerparlament leitet, beibehalten hat. Eine Stadt ganze Stadt mit dem Namen symbolisiert einen neuen Höhepunkt des Kults um seine Person.
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Während Berdimuhamedows Sohn, der im März 2022 das Amt des Präsidenten übernahm, als „Arkadagli Serdar“ (schützender Serdar) geehrt wird, wird Gurbanguly Berdimuhamedov aufgrund seines neuen Amtes als Gesetzesgeber auch als „Arkadag Held“ bezeichnet, so Radio Azatlyq, der turkmenische Dienst von Radio Free Europe.
Ein Mega-Projekt, das seit 2019 im Bau ist
Die neue Stadt mit dem Namen des „nationalen Führers“ wird in seiner Heimatregion, der Provinz Ahal liegen. Sie wurde bereits zum Verwaltungszentrum der Region und einer Stadt „von nationaler Bedeutung“ ernannt, ein Status, den nicht einmal die Hauptstadt Aschgabat besitzt. Die Stadt wird sich über eine Fläche von 950 Hektar erstrecken, Platz für 73.000 Einwohner bieten und verfügt bereits über „336 Gebäude“, wie die turkmenische Exilzeitung Chronika Turkmenistana berichtete.
Der Bau der Stadt ist seit 2019 im Gange. Im Februar 2020 wurde berichtet, dass 1,5 Milliarden US-Dollar in das Bauprojekt fließen würden, so Radio Azatlyq. Doch das Megaprojekt, das ursprünglich im Dezember 2022 fertiggestellt werden sollte, hat sich verzögert und ist mit mehreren Skandalen behaftet, wie etwa unbezahlten Arbeitern oder einem Todesfall auf der Baustelle, nachdem Sicherheitsstandards nicht eingehalten wurden. Bisher wurde noch kein Datum für die Fertigstellung der Stadt bekannt gegeben.
Eine Stadt aus 100 Prozent Arkadag
„Arkadag“ hält noch mehr Überraschungen zu Ehren des ehemaligen Präsidenten bereit. Mehrere Orte werden nach Gurbanguly Berdimuhamedov benannt werden, wie ein Freizeit- und Rehabilitationszentrum für Kinder oder ein Denkmal im zentralen Park.
Eine der zentralen Straßen in der neuen Stadt wird Ak Khan Allee genannt, nach dem Pferd des ehemaligen Präsidenten, das 2018 ins Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen wurde, weil es auf seinen Hinterhufen 10 Meter in 4,19 Sekunden lief, berichtete TurkmenPortal. Auch ein Denkmal zu Ehren des Pferdes soll errichtet werden.
Die Stadt wird eine eigene Fußballmannschaft mit dem Namen Arkadag haben, so die turkmenische Nachrichtenseite Orient.tm, sowie eine wöchentliche Zeitung in turkmenischer Sprache, die unter demselben Namen veröffentlicht wird.
Ein „neuer Blickwinkel“ auf den Personenkult
Das neue Arkadag ist ein Gegenstück zur Stadt Türkmenbaşy, die zu Ehren des ersten Präsidenten Saparmyrat Nyýazow (1940-2006), dem „Führer der Turkmenen„, umbenannt wurde. Diesmal geht der turkmenische Staat sogar noch einen Schritt weiter und gründet einen landesweit ausgestrahlten Fernsehsender mit dem Namen Arkadag.
Obwohl Arkadag seit über einem Jahr nicht mehr an der Macht ist, „werden die Huldigungen an Arkadag weitergehen. Wenn die Turkmenen zum Beispiel für Serdar Berdimuhamedow singen, singen sie ‚Ruhm für Serdar mit Arkadag‘“, erzählt die amerikanische Turkmenistan-Expertin Victoria Clement gegenüber Novastan.
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So besteht ein langjähriger Personenkults um den Präsidenten fort. Clement erklärt, dass Gurbanguly Berdimuhamedov „seit 2007 einen Personenkult mit Statuen, Büchern, Liedern, Ehrungen usw. geschaffen hat“. Laut der Expertin ist es zwar ungenau, von einer Beschleunigung des Personenkults um den ehemaligen Präsidenten zu sprechen, „man kann jedoch eine neue Herangehensweise bei den ihm verliehenen Auszeichnungen feststellen“.
Eine Vorherrschaft des Vaters über den Sohn
Im Jahr 2022 hatte Gurbanguly Berdimuhamedow nach 16 Jahren als Staatsoberhaupt die Macht an seinen Sohn Serdar Berdimuhamedow übergeben, ein bisher in Zentralasien einmaliger dynastischer Machtwechsel.
Es muss jedoch festgestellt werden, dass der ehemalige Präsident hinter den Kulissen weiterhin die Kontrolle behält. Seit einer von ihm angestoßenen Gesetzesreform im Februar dieses Jahres ist das Parlament ein Einkammerparlament und wird von Gurbanguly Berdimuhamedov geleitet. Auf diese Weise sicherte er sich einen beträchtlichen Machthebel und ließ seinem Sohn einen geringeren Spielraum für die Verwaltung des Landes.
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Serdar Berdimuhamedov scheint die Ehrungen seines Vaters buchstabengetreu auszuführen, stellt das US-amerikanische Medium Eurasianet fest: „Seine Aufgabe ist es, die lästigen Verwaltungsaufgaben zu erledigen. Am 3. April genehmigte er ein Dekret, das einen Chefredakteur für Arkadag (die Zeitung), einen Leiter für Arkadag (den Fernsehsender) und einen Hokim für den Bezirk Gorjav in Arkadag (der Stadt) ernannte„.
Clement stellt fest, dass all diese Entscheidungen eher nach einem „Familienkult“ als nach einem einfachen Personenkult getroffen werden. „Auch wenn Arkadag die Hauptrolle des Anführers innehat, hat Serdar Berdimuhamedov immer noch eine Funktion“. Dieser hat beispielsweise Staatsbesuche in Katar und China absolviert und soll demnächst nach Tadschikistan reisen.
„Der Arkadag trifft zwar die Entscheidungen, aber der Präsident wird weiterhin seine eigenen Aufgaben haben, solange es möglich ist, ein Gleichgewicht zu finden, das seinem Vater entgegenkommt“, so die Expertin abschließend.
Emma Collet
Redakteurin für Novastan
Aus dem Französischen von Florian Coppenrath
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