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Angriff auf die Pressefreiheit: Kirgisische Medienportale als extremistisch eingestuft

Erstmals werden in Kirgistan Medienportale als extremistisch eingestuft. Neben dem Onlineportal “Kloop” und dessen Mitgründer Rinat Tuchwatschin sind auch die YouTube-Kanäle “Temirow Live” und “Ait Ait Dese” betroffen, die vom kirgisischen Oppositionellen Bolot Temirow geführt werden. Über das Gerichtsverfahren erfuhren sie erst aus der Medienberichterstattung.

Logo des Investigativmediums "Kloop", das in Kirgistan für seine Recherchen zu Korruption in den höchsten Kreisen des Staates bekannt ist

Erstmals werden in Kirgistan Medienportale als extremistisch eingestuft. Neben dem Onlineportal “Kloop” und dessen Mitgründer Rinat Tuchwatschin sind auch die YouTube-Kanäle “Temirow Live” und “Ait Ait Dese” betroffen, die vom kirgisischen Oppositionellen Bolot Temirow geführt werden. Über das Gerichtsverfahren erfuhren sie erst aus der Medienberichterstattung.

Am 27. Oktober hat das Gericht des Bischkeker Stadtbezirks Oktjabr entschieden, dass die Inhalte des Onlineportals “Kloop” und der YouTube-Kanäle “Temirow Live” und “Ait Ait Dese” als extremistisch einzustufen seien. Welche Inhalte genau für die Einstufung des Gerichts verantwortlich sind, ist bisher nicht bekannt. Neben den jeweiligen Gründern der Nachrichtenplattformen sind auch Kloops Chefredakteurin Anna Kapuschenko und Direktorin Galina Gaparowa vom Urteil betroffen.

In einem Facebook-Post des kirgisischen Journalisten Otkurbek Rachmanow, der Kloop zufolge dem Staatlichen Komitee für Nationale Sicherheit (GKNB) nahesteht, heißt es, das Gericht habe ein Verbot der betroffenen Seiten angeordnet. Zudem unterliege „die Verbreitung oder Wiederveröffentlichung der Materialien der genannten Medienprojekte […] gemäß dem Strafgesetzbuch der Kirgisischen Republik strafrechtlicher Haftung.”

Das Kuriose: Zum Zeitpunkt, an dem das Gerichtsurteil noch vor der offiziellen Bekanntmachung in den sozialen Medien geleakt wurde, wussten die Angeklagten noch gar nicht, dass überhaupt ein Gerichtsverfahren gegen sie läuft.

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„Dies ist eine weitere Runde von Repressionen, die leider nicht nur uns, sondern ganz Kirgistan treffen wird, sowohl in Bezug auf den Ruf als auch in Bezug auf die Kriminalisierung einer großen Anzahl unschuldiger Menschen. Wir setzen unsere Arbeit fort, denn solche Maßnahmen der Behörden beweisen, wie wichtig es ist, was wir tun”, erklärte Tuchwatschin in einer Pressemitteilung.

“Ich möchte betonen, dass dieses Verfahren faktisch in Abwesenheit stattfand und wir heute [am 28. Oktober, Anm. d. Red.] die ersten Informationen vom Gericht erhalten haben“, fügte er hinzu. Die Verantwortlichen der Kanäle kündigten an, gegen das Urteil in Berufung gehen zu wollen.

Eine lange Vorgeschichte

Das Gerichtsurteil ist das jüngste Kapitel einer langanhaltenden Fehde zwischen den betroffenen Medien und der kirgisischen Regierung unter Präsident Sadyr Dschaparow, die immer härter gegen oppositionelle Medien durchgreift.

Vor nicht einmal einem Monat wurden zwei ehemalige Kloop-Kameramänner, Dschoomart Duulatow und Aleksander Aleksandrow, wegen angeblicher Anstiftung zur öffentlichen Unruhe zu mehreren Jahren Haft verurteilt, während zwei Buchhalter jeweils drei Jahre auf Bewährung bekamen. Auch Temirows Mitarbeiter ereilte dasselbe Schicksal: Anfang letzten Jahres wurden elf Journalisten von “Temirow Live” unter demselben Anklagepunkt verhaftet, vier von ihnen wurden letztendlich verurteilt.

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Kloop-Mitbegründer Tuchwatschin, der sich derzeit im Exil befindet, wurde aufgrund seiner kritischen Berichterstattung zuletzt auch persönlich zum Ziel staatlicher Repressionen. Für den ausgebildeten Arzt forderten die kirgisischen Behörden bei Interpol eine sogenannte “Red Notice” an, die die Feststellung des Wohnortes einer Person sowie deren vorläufige Festnahme nach sich zieht. Dies wurde allerdings von Interpol mit der Begründung abgelehnt, sie sei “politisch motiviert.”

„Die Satzung von Interpol enthält strenge Vorschriften, die verhindern, dass unser System für politische Zwecke genutzt wird, und daher haben wir den Antrag auf eine “Red Notice” abgelehnt“, erklärte Samuel Heath, Kommunikationsdirektor von Interpol.

Im August verabschiedete das kirgisische Parlament ein neues Mediengesetz, das eine Registrierungspflicht für alle Medien, eine Beschränkung ausländischen Eigentums und höhere Geldstrafen für die Verbreitung von als falsch angesehenen Informationen vorsieht. Mit dem jetzigen Gerichtsurteil gegen Kloop und die Medienunternehmen Temirows ist es noch wahrscheinlicher, dass unabhängigen Nachrichtenportalen in Kirgistan keine rosige Zukunft blüht.

Benedikt Stöckl für Novastan

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