Streunende Hunde werden in Kirgistan oft mishandelt und regelmäßig aus Gründen der Populationskontrolle erschossen. Wenige Aktivisten setzen sich für einen besseren Tierschutz im Land ein. Folgender Artikel entstand im Rahmen der Partnerschaft von Novastan mit dem Goethe Gymnasium (Schule N°23) in Bischkek.
Herrenlose Tiere sind auf kirgisischen Straßen keine Seltenheit. Man füttert sie, schießt sie ab, misshandelt sie und viele werden von Autos angefahren.
Die Stadtverwaltung kennt meist nur einen Weg, die Anzahl der streunenden Tiere zu regulieren – sie zu erschießen. In Kirgistan gibt es keine Tierheime, um herrenlose Tiere zu pflegen. Aber es gibt Menschen, die sich für sie einsetzen und versuchen über die Medien neue Familien für die Tiere zu finden.
Streunende Tiere als Geschäft
Viele demonstrieren auch gegen diejenigen, die versuchen, ein Geschäft aus den herrenlosen Tieren zu machen. Am Geflügelmarkt des Basars stehen vermeintlich „hilfsbereite Frauen“. Sie nehmen überforderten Tierbesitzern die ungeliebten Haustiere für 100 Som (ca. 1,30 Euro) ab und behaupten, sie würden sie an liebevolle Familien weiterverkaufen. Wenn ein Tier beim ersten Mal nicht verkauft wird, töten sie es und die Kadaver werden in den nahen Fluss geworfen.
Auch das Erlegen von wilden Hunden wird entlohnt. Die Stadtverwaltung zahlt dafür ungefähr 300 Som (ca. 2,60 Euro). Im Jahr 2014 hat die städtische Säuberungsgesellschaft „Tazalyk“ circa 12 000 Hunde in Bischkek erschossen, 2016 knapp 13 000.
Warum werden die herrenlosen Tiere erschossen? Viele betrachten sie als eine Gefahr. Dabei stammten von den 2381 registrierten Hundebissen 2014 nur 506 von herrenlosen Hunden.
Jeden Morgen fahren die Mitarbeiter von „Tazalyk“ auf die Straßen und töten die Tieren, die kein Halsband haben. Oft gilt das aber auch für Haustiere. Insgesamt arbeiten nur acht Menschen in diesem Dienst, die pro Tag vier Hunde erschießen. Danach fotografieren sie die Kadaver und werfen sie weg, manchmal vor den Augen der Passanten.
Skandal in Bischkek
Ein solcher Fall ereignete sich am 23. Januar in einem Vorort von Bischkek. Wie das Onlinemagazine sputnik.kg wiedergibt, musste ein junges Mädchen dabei zusehen, wie ihr Hund erschossen wurde.
„Am Samstagnachmittag kamen zwei Männer mit Flinten ins Dorf. Meine Nichte war allein zuhause. Sie näherten sich dem Hauseingang, wo der Hund lag. Das Mädchen wollte herausrennen, aber die Männer stellten sich gegen die Tür und erschossen den Hund. Als sie gingen ließen sie ihn einfach dort liegen“, erzählte Samat Abdylbekow.
Mehrere Gründe erklären zudem die starke Verbreitung von herrenlosen Tieren im Straßenbild. Neben fehlenden Budgetmitteln für Tierheime, spielt auch die seltene Anwendung der Sterilisierung eine Rolle. Um das Problem in den Griff zu bekommen, müsste die Bevölkerung außerdem für Tierrechte sensibilisiert werden.
Jenseits von Aushängeprojekten wie dem Schneeleoparden ist der Tierschutz auf alltäglicher Ebene kaum angekommen und nur wenige setzen sich auch für den Schutz von Haustieren ein. Olga Witalijewna ist eine davon. Sie leitet die Stiftung „Ein Recht auf Leben“ , die sich für streunenede Tiere einsetzt.
Novastan.org: Welche Probleme sind Ihnen bei der Arbeit begegnet?
Olga Vitalijewna: Das erste Problem ist die Finanzierung. Wir haben keine Sponsoren und finanzieren alles aus eigener Tasche. In einem Monat betragen unsere Ausgaben etwa 1500 US-Dollar. Das zweite Problem ist der Mangel an freiwilligen Helfern. Hunde müssen mit Menschen kommunizieren. Wir haben sogar ein Projekt zur „sonntäglichen Väterchen/Mütterchenbetreuung“ gestartet. Die Leute kommen, gehen mit dem Hund Gassi und kümmern sich um sie.
Was sind die wichtigsten Ziele der Stiftung?
Das Hauptziel ist die Sterilisierung von streunenden Hunden. Bei uns werden die Welpen von Haustieren oft einfach auf der Straße ausgesetzt.
Wir fangen auch große Hunde in der Stadt. Natürlich sind solche Tiere sehr gefährlich. Man kann sie nur mit der Schlinge einfangen, weil manche Hunde beißen.
Bei der Stiftung werden alle Tiere unbedingt geimpft und einer angemessenen Behandlung unterzogen. Die Freiwilligen haben ganz verschiedene Berufe: Psychologen, Ökonomen, Lehrer, Ärzte, aber jeder kann mindestens Injektionen und Tropfdüsen setzen.
Wie suchen Sie neue Familien?
Wir haben strenge Anforderungen. Wir möchten nicht, dass ein Hund, der sehr viel Zeit, Geld und Zuneigung erhalten hat, in schlechte Hände kommt und eine Woche später wieder auf der Straße landet.
Was denken Sie darüber, dass streunende Hunde erschossen werden?
Es löst einige Probleme, aber nicht alle. Ich wäre dafür, wenn es danach keine herrenlosen Hunden mehr gäbe. Aber so funktioniert es nicht. Nur die sozialisierten Tiere werden von der Stadtverwaltung getroffen. Aber die, die Angst vor den Menschen haben, sind vorsichtiger und werden nicht erfasst.
In Europa wurde das Problema durch Tierheime gelöst. Warum ist das bei uns noch nicht möglich?
Einen solchen Standard wie in Europa haben wir noch nicht erreicht.
Es gibt keinen Grund ein städtisches Tierheim zu eröffnen, weil es an Geldern fehlt. Nimmt die Stadt an einem solchen Projekt teil, werden gleich Millionen veruntreut und millionen Leben von Tieren nicht gerettet. Unsere Bürger begreifen noch nicht, wie das realisiert werden kann.
Jana Taschtanalijewa, Darja Kolesnik und Altynai Sydygaliewa
Schülerinnen der Schule 23 in Bischkek
Redaktion: Corinna Vetter
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