Ein Laden, in dem Bedürftige sich frei bedienen können, eine kostenlose Busfahrt oder die tägliche Reinigung des zentralen Busbahnhofs – all das sind Ergebnisse der Arbeit fürsorglicher Menschen in Städten Zentralasiens und leider noch Einzelfälle. Jeder von ihnen tut das, was ihm möglich ist, und gemeinsam machen sie ohne großes Aufsehen die Welt um sich herum ein bisschen besser, freundlicher und sauberer.
Die Zeitung „Otrkytaja Asija onlajn“ („Offenes Asien online“, Anm. d. Red.) traf sich mit Engagierten aus dieser Region und informierte sich über ihre uneigennützige Arbeit für die Allgemeinheit.
Kasachstan
In der „südlichen Hauptstadt Kasachstans“ Almaty kümmert sich eine Organisation ehrenamtlich um herrenlose Tiere. Julija Eskowa-Krasutzkaja, eine der Mitarbeiterinnen, erklärt uns im Interview die Arbeit des Vereins: Wenn auf der Straße ein kranker herrenloser Hund gefunden wird oder ein Hund, der sich verirrt hat, wird dieser aufgenommen, und die Mitarbeiter suchen für ihn einen neuen Halter. Bis sie diesen finden, wird das Tier bei ihnen gepflegt.
In Karaganda bilden derweil andere engagierte Menschen Hunde zu Helfern aus. Der Fond „Lapa Pomoschtschi“ („Helfende Pfote“, Anm. d. Red.) kümmert sich auf gesellschaftlicher Grundlage um die Rehabilitation von Kindern mithilfe der Canis-Therapie. Die Finanzierung des Vereins gelingt nur mit Mühe, oft reicht das Geld nicht einmal für die Miete. Zur Unterstützung richten die Mitglieder Flohmärkte aus, auf denen sie Seife aus eigener Herstellung und Spielzeug verkaufen – das gesammelte Geld wird zur Unterstützung des Projektes verwendet.
Erst vor drei Wochen wurde in Almaty ein Geschäft eröffnet, in dem Kleidung und Schuhe kostenlos „verkauft“ werden. Iwan Trojan, der Initiator diese ungewöhnliche Boutique, hatte erfolgreiche Geschäfte gemacht und dann beschlossen, dass es Zeit wäre, Menschen zu helfen – einfach so, für ein „Dankeschön“. Seine Idee: Die einen Mitbürger geben Kleidung im Laden ab, ohne dafür eine Entschädigung zu erhalten, und die anderen, die Kleidung benötigen, kommen einfach und nehmen sich etwas mit.
„Jeder kann unsere Boutique nutzen, absolut jeder Bewohner der Erde. Für uns gibt es weder Nation, noch staatliche Zugehörigkeit“, erzählt Trojan in der Videopräsentation seiner guten Sache.
https://www.youtube.com/watch?time_continue=2&v=b73kq8dgsf4
Ein größeres Projekt
Ein weiteres sich entwickelndes kasachisches Projekt läuft über Facebook und nennt sich „Wosduch Almaty“ („Luft Almatys“, Anm. d. Red.). Der interessierte Laie Pawel Aleksandrow – kein Ökologe oder Geograph – misst die „Atmosphäre“ der südlichen Hauptstadt und teilt seine Ergebnisse öffentlich mit.
„Im Prinzip fing das nicht als öffentliches Projekt an. Es war mein persönliches Interesse, welche Qualität die Luft in unserer Stadt hat, die wir täglich einatmen, und ob sie in irgendeiner Form gesundheitsschädlich ist oder nicht. Denn während wir beim Wasser und beim Essen wählen können, was wir aufnehmen, ist das bei der Luft nicht möglich. Und um selbst reine Luft zu atmen, muss man sich darum kümmern, dass die Luft der ganzen Stadt rein ist. Das technische Wissen habe ich mir über das Internet angeeignet, dort findet man alle Informationen, die man braucht. Ich habe mich einfach fertiger Lösungen bedient, sie meinen Bedürfnissen angepasst und geeignete Messinstrumente entwickelt“, erklärt Aleksandrow.
Unabhängigkeit schlägt Bürokratie
Die schlechte Luft von Almaty ist allen dort Lebenden bekannt, sie könnte genauso gut ein Symbol der Stadt sein. Deshalb gab es auch vorher schon ähnliche Initiativen. Asja Tulesowa, ebenfalls eine Bürgerin Almatys, veröffentlichte 2015 in Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten die App „Almaty Urban Air“. Auch hier konnte man sich über die Stufe der Luftverschmutzung informieren. Die App erlangte eine solche Popularität, dass Tulesowa sogar für einen Posten als Abgeordnete im Maslichat (regionaler Verwaltungsrat in Kasachstan, Anm. d. Red.) kandidierte. Aber dann kam es zu bürokratischen Problemen und die App musste fast ein Jahr lang deaktiviert werden.
Damals, so erzählt Alexandrow, wurde ihm klar, dass es eine Alternativquelle für solche Informationen geben sollte. Als das Messinstrument entwickelt und seine Effektivität erwiesen war, entschied sich der Aktivist, die erhaltenen Daten mit der Öffentlichkeit zu teilen. Wie bereits die Begründer von „Almaty Urban Air“ erhielt auch er breite positive Resonanz aus der Bevölkerung. Infolgedessen installierte er noch mehr Messstationen in der ganzen Stadt – aus der Initiative wurde ein Projekt.
Nachweislich dicke Luft
«Die Bauteile für die Sensoren kaufe ich aus eigenen Mitteln. Von anderen Personen oder Organisationen nehme ich kein Geld, obwohl regelmäßig Vorschläge eingehen. Ich habe das Ziel, mein Projekt vollkommen ehrenamtlich durchzuführen. Jede Hilfe abseits von Geldspenden ist natürlich willkommen. Jetzt haben zum Beispiel ein paar engagierte Leute angefangen eine Website zu erstellen. Andere beteiligen sich, indem sie Verkleidungen für die Instrumente mit einem 3D-Drucker drucken. Das Tolle daran ist, dass ich von niemandem abhängig bin und niemandem etwas schulde. Das bedeutet volle Unabhängigkeit und Handlungsfreiheit. Und es kostet mich nicht viel Geld. Das größte, was ich der Familie nehmen muss, ist die Zeit“, antwortet Pawel Aleksandrow auf die Frage, was ihn seine Prinzipientreue koste.
Das Archiv wird seit dem 11. Januar 2017 geführt, deshalb ist es noch zu früh, um langfristige Tendenzen festzustellen. Aus den bisher gewonnenen Daten lässt sich allerdings bereits deutlich erkennen, dass die Luftsituation in Almaty katastrophal ist.
Natürlich wird ein einzelner Aktivist das Problem der Luftverschmutzung in Almaty nicht lösen, dafür bedarf es öffentlichen Interesses und der Mithilfe von Beamten. Aber Aleksandrow ist sich sicher, dass die Bürger die Macht haben, die Stadtverwaltung zur Lösung des Problems zu zwingen, und dafür muss die Information über den Ernst der Lage breitflächig kommuniziert werden. Das Problem darf nicht länger totgeschwiegen werden.
„Meiner Ansicht nach ist die Regierung nicht bereit zum Dialog. Viele Jahre gab es zentral gesteuerte Bemühungen, bürgerliche Initiativen im Keim zu ersticken. Die Leute haben Angst bekommen, und ein Dialog mit den Beamten ist nicht in Sicht. Die fortschreitende Korruption verschlimmert die Situation. Durch die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage machen sich die Leute jetzt eher Sorgen, was sie morgen essen werden, und nicht darüber, dass die Regierungsbeamten eigentlich der Bevölkerung dienen sollen und deren Wohl verpflichtet sind. Aber das ist ein anderes trauriges und kompliziertes Thema. Ich bin auf jeden Fall überzeugt, dass steter Tropfen den Stein höhlt, und so setze ich mein Projekt fort.“
Kirgistan
Auch in Kirgistan gibt es Menschen, die die Situation in ihrem Land nachhaltig verbessern. Wir haben mit einigen von ihnen gesprochen, die weder besondere Städtefreaks noch Architekten sind, aber dennoch ihre Stadt angenehmer gestalten wollen.
Der 70-jährige Asylbek Anarabaew, von Beruf Chirurg, reinigt jeden Tag freiwillig die zentrale Bushaltestelle in Bischkek. Jeden Abend kommt er hier hin, beseitigt den Dreck, der sich über den Tag angesammelt hat, sammelt den Müll auf und entfernt Werbung.
„Mir gefällt einfach nicht, dass hier so eine Unordnung herrscht, und es keine Reinigungskraft gibt, die sich um die Haltestelle kümmert. Wenn ich die Bänke hier nicht sauber mache, wer kann sich dann noch auf sie setzen?“
Mit seinen 70 Jahren unterrichtet Asylbek Anarbaew in der städtischen Akademie der Medizin. Operationen führt er seit kurzem nicht mehr selbst durch. Deshalb steckt er nun alle seine Energie in die selbstlose gemeinnützige Arbeit.
Ein weiterer engagierter Kirgise ist Musa Schusaew aus der Stadt Naryn.
Musa beweist schon seit ein paar Jahren tatkräftig, dass er in der Lage ist, seine Stadt zu verändern und neu zu gestalten. Alles fing mit der Umgestaltung der Schukeew-Pudowkin-Allee an: Er stellte Bänke auf und machte aus diesem Teil der Stadt einen Ort der Erholung. Danach baute er einen Spielplatz auf eine seit langem brachliegende Fläche. Dieser ist nun der neue Lieblingsort der in der Nähe wohnenden Kinder.
«Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Als ich das alles hier anfing, hatte ich nur zwei Gedanken im Kopf: Was hast du für deine Stadt getan, und welchen Anteil hast du an ihrer Verbesserung? Ich will mit meinen Aktionen vor allem der heranwachsenden Generation zeigen, wie man selbstständig, ohne auch nur das geringste Geld aus dem städtischen Budget, Naryn besser machen kann“, sagt Schusaew.
Tadschikistan
Chodschimurod Gulmurodow aus Tadschikistan ist Busfahrer der Stadtlinie 8 in Duschanbe. Auch er hat einen Weg gefunden, den Menschen seiner Stadt zu helfen: Jeden Freitag fährt er seine Passagiere komplett kostenlos.
„Ich habe lange Zeit in Russland gearbeitet und dort häufig gesehen, wie Menschen vollkommen selbstlos einander helfen. Da habe ich entschieden, dass ich in meine Heimat zurückkehre und mich dort genau so verhalten werde. Meine Passagiere sind keine reichen Leute, sie zählen jede Kopeke, und so helfe ich ihnen eben, zu sparen: Wer für die Fahrt nicht zahlen muss, kann sich danach ein Brot mehr auf dem Nachhauseweg leisten“, erzählt Gulmurodow.
Manche können es gar nicht glauben
Anfangs bot er kostenlose Fahrten nur an Feiertagen an, danach erweiterte er seine Wohltätigkeitsaktion auf jede Woche – immer am Freitag – diesem für Muslime besonderen Tag. Früh morgens geht er auf die Arbeit, befestigt an der Frontscheibe des Busses das Schild „Kostenfreie Fahrt“ und macht sich auf den Weg.
«Die Passagiere reagieren unterschiedlich, manche können es gar nicht glauben. Es kam sogar vor, dass jemand sich beleidigt fühlte, und meinte: „Ich hab doch genug Geld, um mir eine Busfahrt zu leisten!“, aber die Mehrheit ist natürlich dankbar“, sagt Gulmurodow.
Inschallah – so Gott will
An einem Freitag befördert der selbstlose Busfahrer um die 300-400 Passagiere, das bedeutet einen möglichen Umsatz von 35-60$. Diese Summe ist für ihn keine geringe, wenn man in Betracht zieht, dass er seinen Kleinbus auf Kredit gekauft und ihn bis jetzt noch nicht komplett abbezahlt hat. Mit den Einnahmen eines Freitags könnte er seine Schulden bedeutend schneller begleichen.
„Aber das macht nichts. Den Kredit werde ich schon, wenn Gott es will, abbezahlen, aber gute Taten muss man sofort tun. Das Leben ist doch so kurz“, argumentiert Gulmurodow.
Hegt die Konkurrenz eine Groll?
Tatsächlich ist er momentan schwer erkrankt, kam gerade erst aus dem Krankenhaus und kann das Bett noch nicht verlassen. Er erzählt, dass das Personal im Krankenhaus ihn erkannt hätte, in der Stadt spricht man über sein Wohltätigkeitsprojekt. Ein bisschen gekränkt ist er von der Tatsache, dass Besuch nur von Seiten der Verwandten kam.
«Naja, zu den anderen, die in meinem Zimmer im Krankenhaus lagen, kamen Arbeitskollegen, zu mir nicht. Das war schon ein bisschen enttäuschend“, sagt der Busfahrer.
– Und wenn sie wieder arbeiten gehen – machen sie dann weiter mit ihrer Aktion?
„Natürlich, das steht gar nicht zur Debatte, auch wenn meine Verwandten manchmal mit mir schimpfen – jetzt ist ja auch für die Behandlung wieder viel Geld weggegangen – aber ich habe gleich gesagt, dass der Freitag für mich ein heiliger Tag ist, und wie ich die Leute bisher kostenlos gefahren habe, werde ich sie auch weiterhin kostenlos fahren. Ich kann schon gar nicht mehr anders.“
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Seine kostenlose Tour fährt Gulmurodow schon seit letztem Sommer, in diesem Frühjahr hat nun auch die Verwaltung von Duschanbe eine ähnliche Aktion gestartet. Aus Anlass des Nouruz (mehrtägiges iranisches Frühlingsfest, Anm. d. Red.) wurde auf Vorschlag mehrerer beteiligter Vereine und Unternehmen beschlossen, Fahrgäste auf einigen Strecken während der Feiertage kostenlos zu befördern. Auch an anderen Feiertagen sollen ähnliche Aktionen nun durchgeführt werden.
Aus dem Russischen von Katharina Kluge
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