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Monatsrückblick: Der April in Zentralasien

Seit Februar 2020 veröffentlicht Novastan mit freundlicher Genehmigung die Monatsrückblicke von Othmara Glas. Die Zentralasienjournalistin arbeitete zwei Jahre für die Deutsche Allgemeine Zeitung (DAZ) in Kasachstan und ist nun als freie Journalistin tätig.

Eine Ölförderanlage am Kaspischen Meer
Eine Ölförderanlage am Kaspischen Meer

Seit Februar 2020 veröffentlicht Novastan mit freundlicher Genehmigung die Monatsrückblicke von Othmara Glas. Die Zentralasienjournalistin arbeitete zwei Jahre für die Deutsche Allgemeine Zeitung (DAZ) in Kasachstan und ist nun als freie Journalistin tätig.

Der April war kein guter Monat für Bürgerrechte in Zentralasien. In allen Ländern wurden diese aufgrund von Corona eingeschränkt. Besorgniserregend ist vor allem der Umgang mit Regimekritikern und Journalisten in der Krise.

Bedroht, inhaftiert, getötet: Die Arbeit für Journalisten ist in Zentralasien alles andere als ungefährlich. Das bestätigt auch in diesem Jahr die im April veröffentlichte Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen. Im Vergleich zu 2019 hat sich nur wenig verändert. Bis auf Kirgistan (82) landen alle Staaten der Region im hinteren Feld der insgesamt 180 Plätze umfassenden Liste. Schlusslicht ist wie üblich Turkmenistan (179). Tadschikistan, dass im Vorjahr um zwölf Plätze nach unter geklettert war, bleibt auf Rang 161. Überraschend ist, dass Usbekistan (156) nun vor Kasachstan (157) in Sachen Pressefreiheit liegt. Mit dem Machtantritt von Shavkat Mirziyoyev wurde ein Reformprozess in Gang gesetzt, der sich anscheinend auch positiv auf Medienschaffende auswirkt. Seit 2017 hat das Land 13 Plätze gut gemacht. Hier ein Überblick:

Rang Land Rangänderung Vorjahresrang
82 Kirgistan +1 83
156 Usbekistan +4 160
157 Kasachstan +1 158
161 Tadschikistan -0 161
179 Turkmenistan +1 179

Quelle: Reporter ohne Grenzen.

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Am 24. April begann der Fastenmonat Ramadan. Corona wirkt sich auch daraus auf: Viele Traditionen, wie das gemeinsame Fastenbrechen, können nun nur im kleinen Kreis gefeiert werden. Auch das gemeinsame Beten in der Moschee fällt aus. In Tadschikistan hat Präsident Emomali Rahmon Landwirte dazu angehalten, in diesem Jahr nicht zu fasten, damit sie gesund bleiben. Fasten mache die „anfällig für Infektionen“, sagte er.

Kasachstan: Regimekritiker in Gefahr

Kasachstan verbrachte den April in Quarantäne. Ende des Monats waren offiziell mehr als 3200 Menschen an Covid-19 erkrankt und 25 daran gestorben. Aufgrund der vergleichsweise niedrigen Zahlen kam es zu ersten Lockerungen. So durften zum Beispiel bestimmte Geschäfte wieder öffnen. Auch der Ölpreis erholt sich langsam wieder, doch der wirtschaftliche Schaden ist enorm: Die Regierung geht davon aus, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um 0,9 Prozent schrumpfen wird. Vor dem Ausbruch der Coronakrise hatte sie mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um weitere vier Prozent gerechnet. Ähnliche Erwartungen hat auch die Weltbank.

Im Nationalfonds, der aus den Öleinnahmen gespeist wird und aus dem u.a. Wirtschaftshilfen finanziert werden, befinden sich umgerechnet derzeit etwa 55 Milliarden Euro. Die Ökonomin Meruert Mahmutova schrieb auf Facebook, dass wiederkehrende Krisen die Regierung zu einem Umdenken in der Wirtschaftspolitik zwingen müsse. „In den Jahren 2015-2016 [zur Ölpreiskrise] gab Kasachstan doppelt so viel aus, wie es am Öl verdiente. In diesem Jahr wird diese Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben [aus den Fondsreserven] augenscheinlich das Dreifache betragen. Wir werden lernen müssen, ohne Öl zu leben.“

Eine Ölförderanlage am Kaspischen Meer
Eine Ölförderanlage am Kaspischen Meer

Zur Bekämpfung von Corona wurde derweil das Militär aufgestockt. Am 2. April unterzeichnete Präsident Qasym-Jomart Toqaev ein Dekret, das den lokalen Behörden erlaubt, Männer im wehrfähigen Alter einzuziehen. Diese sollen an Kontrollpunkten arbeiten, auf den Straßen patrouillieren, Desinfektionsmaßnahmen durchführen, Regierungsgebäude bewachen und in anderen Notsituationen, wie zum Beispiel Überschwemmungen, zum Einsatz kommen.

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Anlass zur Sorge sind in diesem Zusammenhang die Berichte über die Festnahmen von Aktivisten. Einer der prominentesten Fälle ist der von Alnur Ilıashev, einem bekannten Blogger und Regimekritiker. Er sitzt für zwei Monate in Untersuchungshaft, weil er während des Ausnahmezustands Falschinformationen verbreitet und damit die gesellschaftliche Ordnung bedroht haben soll. Ilıashev hatte sich auf Facebook ironisch über die Regierungspartei Nur Otan geäußert.

Im April geriet erneut die Familie von Ex-Präsident Nursultan Nazarbaev in die Schlagzeilen. In London erreichten seine Tochter Dariģa Nazarbaeva und ihr Sohn Nurali Aliev vor Gericht, dass ihre millionenschweren Vermögenswerte wieder freigegeben werden. Im März hatten britische Behörden drei Luxusimmobilien im geschätzten Wert von 80 Millionen Pfund beschlagnahmt. Die britische National Crime Agency (NCA) war davon ausgegangen, dass die Immobilien mit den angeblich illegalen Einkünften von Nazarbaevas verstorbenem Ex-Mann Rahat Aliev bezahlt worden seien. Sie und ihr Sohn fanden vor Gericht anscheinend jedoch eine bessere Erklärung, woher ihr Reichtum stamme. Antikorruptionsaktivisten zeigten sich von der Entscheidung des Gerichts enttäuscht.

Kirgistan: Fälle von Polizeiwillkür häufen sich

Kirgistan meldete Anfang April sein erstes Coronaopfer: ein 61-jähriger Mann aus dem Bezirk Osch. Bis Ende des Monats waren die Zahl der Infizierten auf über 750 gestiegen und acht Menschen gestorben. Auch wenn die Testkapazitäten gering sind und die Dunkelziffer um einiges höher liegen dürfte, scheint das Land die Krise doch gut im Griff zu haben. Zumindest gibt es bisher keine Berichte, dass das schlecht ausgestattete Gesundheitssystem überlastet sei. Besorgniserregend ist hingegen der hohe Anteil von medizinischem Personal an den Infizierten, der fast ein Drittel beträgt.

China lieferte mehrere Tausend Corona-Expresstest, die Antikörper im Blut bereits nach 20 Minuten nachweisen sollen. Nähereien und Textilfabriken haben auf die Produktion von Schutzmasken und Schutzkleidung umgestellt.

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Derweil mehren sich jedoch die Berichte über Polizeiwillkür im Land, insbesondere in der Hauptstadt Bischkek. An Kontrollpunkten wurden Papiere für die Durchfahrt verlangt, die die sowieso schon verbreitete Korruption weiter befeuerten. Die Quarantänemaßnahmen in Bischkek schließen eine nächtliche Ausgangssperre ein, doch auch tagsüber soll sich nur jemand auf der Straße aufhalten, wenn es unbedingt notwendig ist. Wer den Polizisten keine sinnvolle Erklärung geben kann, warum er unterwegs ist, muss mit einer Festnahme rechnen. Bis Mitte April waren bereits mehr als 3000 Menschen verhaftet worden, berichten Bürgerrechtler. Und auch Journalisten hatten keine leichte Zeit. Mit Verhängung des Ausnahmezustands erhielten zunächst nur Reporter staatlicher Medien eine Akkreditierung und konnten sich frei bewegen. Erst nach zahlreichen Beschwerden änderte sich das System.

Probleme bekommen Journalisten auch von anderer Seite. Im vergangenen Herbst war ein Korruptionsskandal aufgedeckt worden, an deren Spitze der ehemalige stellvertretende Leiter des Zollamtes, Rayimbek Matraimow, steht. Dieser soll nun ein Kopfgeld auf Journalisten, die in dem Fall recherchierten, ausgesetzt haben. Das zumindest legt ein Videogeständnis eines früheren Matraimow-Protegés. Ihm soll aufgetragen worden sein, den RFE/RL-Journalisten Ali Toktakunow, der nun in Prag lebt, zurück nach Kirgistan zu bringen – „tot oder lebendig“.

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Die Coronakrise trifft derweil die Bevölkerung hart. Aufgrund der Ausgangssperren kommen Erntehelfer nicht mehr zu ihrer Arbeit. „Wir brauchen Leute auf den Melonenfeldern, aber sie [die Polizisten] bestrafen jeden, der Arbeiter auf die Felder bringt. Die Hoffnung ist, dass es nur bis zum 15. April dauert. Aber wenn es noch länger geht, wissen wir nicht, was passieren wird“, zitiert Eurasianet eine Frau.

Die Nachrichtenseite Kaktus.media veröffentlichte Zuschriften von Menschen, die ihre Jobs verloren haben, und nun nicht wissen, wie sie ihre Miete oder Nahrungsmittel bezahlen sollen. Bürger haben sich bereits zusammengeschlossen, um die Ärmsten zu versorgen. Einige Politiker zeigten sich bereits besorgt, dass bei einer länger andauernden Quarantäne der Staat kaum Möglichkeiten habe, Unternehmen und Bürgern unter die Arme zu greifen – auch deshalb ist Kirgistan von internationaler Hilfe abhängig.

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Die für April geplanten Lokalwahlen wurden übrigens auf den Herbst verschoben, wenn auch Parlamentswahlen stattfinden sollen. Der Abgeordnete Kurmankul Zuluschew schlug vor am 4. Oktober bei den Wahlen auch ein Referendum abzuhalten, wo die Bürger entscheiden sollen, ob sie lieber in einem präsidialen oder parlamentarischen System leben wollen. Dafür wurde er heftig kritisiert. Kirgistan hat nach einem Regierungsumsturz 2010 ebenfalls per Referendum den Parlamentarismus in der Verfassung festgeschrieben – als einziges Land in Zentralasien.

Tadschikistan: Es ist doch Corona!

Am letzten Tag des Monats erfolgte der Paukenschlag: Die Regierung verkündete nach Wochen des Dementierens die ersten 15 Coronafälle im Land. Die Bestätigung erfolgte kurz vor der Ankunft einer Expertenmission der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die die Regierung beim Kampf gegen COVID-19 unterstützen möchte.

Die WHO spielte bisher eine eher unrühmliche Rolle in Tadschikistan. Mehrfach bestätigte die WHO-Repräsentantin in Duschanbe, Galina Perfilijewa, das offizielle Narrativ, dass es kein Corona im Land gebe. Dabei mehrten sich die Berichte über Todesfälle, die von offizieller Seite jedoch auf Pneumonien und Herzversagen zurückgeführt wurden. Auch Tuberkulose, die Schweinegrippe und Mandelentzündungen wurden vereinzelt als Todesursache angeführt.  Wie die staatliche Nachrichtenagentur Khovar berichtete, wurden zwischen dem 1. Februar und dem 30. April fast 11.000 Menschen unter präventive Quarantäne gestellt. Davon wurden 8.438 ohne Anzeichen von Gesundheitsproblemen entlassen.

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Nahmen nach dem Ende der Frühlingsferien Schulen und Universitäten wieder normal ihren Betrieb auf, wurde er schließlich doch eingestellt. Premierminister Kohir Rasulsoda kündigte am 25. April an, dass Schulen mindestens bis zum 10. Mai geschlossen bleiben würden. Auch Theater und Kinos mussten ihre Türen vorerst schließen, Fußballspiele wurden ausgesetzt. Bis auf weiteres soll es keine Massenveranstaltungen geben. Zudem ordnete Rasulsoda ein Exportverbot für Grundnahrungsmittel wie Weizen, Reis, Eier, Kartoffeln oder Fleisch an, um die Ernährungssicherheit sicherzustellen. Außerdem sollen Regierungsgebäude, Straßen und Parks regelmäßig desinfiziert werden.

Präsident Emomali Rahmon glänzte in der Krise bisher mit Abwesenheit. Außer vereinzelte Fernsehansprachen gab es kaum öffentliche Auftritte von ihm. Gleichzeitig hat sein Sohn Rustam Emomali eine größere Rolle in der Landespolitik übernommen. Am 17. April wurde er zum Senatssprecher gewählt – eine Position, die ihn laut Verfassung zum Präsidenten macht, sollte seinem Vater etwas passieren. Der 32-Jährige könnte aber auch im November ganz offiziell bei den geplanten Präsidentschaftswahlen antreten: 2016 wurde per Referendum das Mindestalter für den Posten des Präsidenten von 35 auf 30 Jahre herabgesetzt.

Daler Scharipow hinter Gintern
Daler Scharipow hinter Gintern

Wie oben bereits erwähnt, steht es mit der Pressefreiheit in Tadschikistan nicht zum Besten. Im April gaben glich zwei Meldungen Grund zur Sorge: Am 16. April wurde der Journalist Daler Scharipow unter dem Vorwurf, zu religiösem Hass aufgerufen zu haben, zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Er hatte eine Studie verfasst, in der er argumentierte, dass der Islam keine Terrorakte rechtfertige. Nur eine Woche zuvor war bekannt geworden, dass ein Gericht in Duschanbe beschlossen hatte, die Nachrichtenwebsite „Akhbor“ zu verbieten. Das in Prag ansässige Medium berichtet auf Russisch und Tadschikisch. Laut Gericht bietet es „Terroristen und Extremisten“ eine Plattform, da es auch immer wieder ins Ausland geflüchtete Oppositionspolitiker zitiert. Die Seite von „Akhbor“ ist bereits seit mehr als zwei Jahren in Tadschikistan gesperrt.

Turkmenistan: Eine humanitäre Katastrophe bahnt sich an

Ein Orkantief zog Ende April über den Nordosten Turkmenistans und forderte dutzende Opfer. Viele Häuser wurden zerstört, die Gas- und Stromversorgung unterbrochen. Die staatlichen Medien schweigen bisher zu der Katastrophe. Menschenrechtsorganisationen berichten, dass Bürger von der Polizei festgenommen und schikaniert werden, wenn sie mit Kameras erwischt werden.

Ansonsten ist in Turkmenistan alles wie gehabt. Offiziell wird nicht bestätigt, dass es Corona gibt. Auf Auf Hilfsangebote, wie eines der USA wird sogar beleidigt reagiert. Am 6. April gab USAID bekannt, dass es Turkmenistan mehr als $920.000 zur Verfügung stelle, um das Gesundheitssystem auf einen Ausbruch des Coronvirus vorzubereiten. Einen Tag später erklärte das turkmenische Außenministerium, dass die Behauptungen von USAID unwahr seien und erklärte, dass die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern „auf der Grundlage des gegenseitigen Nutzens und einer gleichberechtigten Partnerschaft“ erfolge.

Am 26. April wurde der „Tag des Pferdes“ begangen. Präsident Gurbanguly Berdimuhamedow ist für seine Liebe zu den Tieren, und insbesondere zu der hiesigen Rasse Achal-Teke, bekannt. Also saßen auch in diesem Jahr wieder hunderte Menschen im Hippodrom von Aschgabat gebracht, um sich Pferderennen und den Schönheitswettbewerb anzuschauen. Die Gewinner stammten allesamt aus dem präsidenteneigenen Stalle. Social Distancing? Fehlanzeige. Das erlebten auch die Teilnehmer am alljährlichen Massenradrennen zum „Tag der Gesundheit“ Anfang April.

Doch während für den „Tag des Pferdes“ hunderttausende Euro ausgegeben werden, mangelt es außerhalb der Hauptstadt an Grundnahrungsmitteln. Der turkmenische Dienst von RFE/RL, Radio Azatlyk, meldete zum Beispiel, dass in der Provinz Lebap Mehl und Brot kaum noch erhältlich seien. Auch aus anderen Provinzen gibt es Berichte über einen Mangel an Lebensmitteln und Öl. In der Region Mary blockierten etwa 30 Frauen die Straße nach Aschgabat und forderten die Einführung von Quoten bei der Lebensmittelabgabe in den staatlichen Läden – sie wüssten nicht mehr, wie sie sonst ihre Kinder ernähren sollten.

Usbekistan: Die Wirtschaft leidet

In Usbekistan gelten immer mehr Menschen als geheilt – fast feierlich werden Patienten, die eine Corona-Infektion überstanden haben, aus dem Krankenhaus entlassen. Staatliche Medien scheinen über fast nichts anderes mehr zu berichten. Am 30. April waren offiziell 2017 Personen am Virus erkrankt, neun Menschen daran gestorben und mehr als 1000 galten als geheilt. Die Zahlen werden von vielen angezweifelt, wäre doch die Todesrate weit unter dem Durchschnitt.

Wie es aber tatsächlich in den Krankenhäusern aussieht, ist schwer zu sagen. Unabhängige Journalisten haben keinen Zugang zu Krankenhäusern und Quarantäneeinrichtungen. Ärzten ist es verboten, ohne vorherige Genehmigung mit Reportern zu sprechen. Doch ähnlich wie in den anderen zentralasiatischen Staaten gehört ein großer Teil der Infizierten zum medizinischen Personal.

Ökonomisch leidet Usbekistan ebenfalls unter der Coronakrise. Die Weltbank hat ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum in Usbekistan für dieses Jahr stark revidiert: auf 1,6 Prozent. Zuvor waren es noch 5,7 Prozent. Präsident Shakat Mirziyoyev sieht vor alle eine Gefahr für die Lebensmittelsicherheit im Land. Der Import von Mehl und Getreide um die Hälfte bzw. ein Drittel gesunken, da ein Großteil aus Kasachstan kam, das Exportbeschränkungen eingeführt hat.

Mirziyoyev wies Unternehmer und Kommunalpolitiker an, die landwirtschaftliche Produktion zu steigern die Nahrungsmittelreserven im Land aufzustocken. In einer Fernsehansprache sagte er, dass er sich einen zehnprozentigen Anstieg beim Baumwollanbau und 20 Prozent bei Getreide wünsche. Der gelernte Agronom forderte die Bürger mit Gärten und Grundstücken dazu auf, mehr Gemüse anzubauen, Geflügel und Vieh zu züchten.

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In der Regierung ist man sich derweil unklar, wie Wirtschafs- und Sozialhilfen am besten aussehen könnten. Statt direkt Geld an Bürger und Unternehmen zu verteilen, verkündete Mirziyoyev am 20. April die Idee der Initiative „Freundlichkeit und Solidarität“, bei der Unternehmen bedürftige Familien mit Jobs oder Geld unterstützen sollen. Im Gegenzug würden die Firmen Steuererleichterungen und einen vereinfachten Zugang zu Krediten erhalten. Die Idee traf bei den Betroffenen auf wenig Zustimmung.

Mit Blick auf die wirtschaftlichen Folgen hat Usbekistan Lockerungen für Mai angekündigt. Transporte zwischen den Regionen müssen wieder stattfinden und Firmen ihre Arbeit aufnehmen, sagte Mirziyoyev Ende April. Usbekistans Chefepidemiologe Nurmat Otabekov mahnte jedoch zur Vorsicht. „Erst wenn der letzte Patient das Krankenhaus verlässt und 14 Tage lang keine neuen Patienten aufgenommen werden, können wir uns ausruhen“, sagte er.

Anfang April veröffentlichte der UN-Menschenrechtsausschuss seinen Bericht zur Lage in Usbekistan. Der Ausschuss stellte Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung, der Prävention von Gewalt gegen Frauen, der Justizreform und der Abschaffung von Kinder- und Zwangsarbeit im Baumwollsektor fest. Sorgen bereiten jedoch die Folter und Misshandlung von Menschen in Haft sowie die Einschränkungen der Gewissens- und Religionsfreiheit, der Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Othmara Glas

freie Journalistin in Kasachstan

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