In Kirgistan ist eine Reihe von Pflanzen-, Pilz- und Tierarten vom Aussterben bedroht, woran vor allem der Mensch Schuld trägt. Einige Arten sind bereits ganz verschwunden.
Südlich der Hauptstadt kämpfen Anwohner seit Jahren gegen eine auf dem Berg Boz-Boltok errichtete Ziegelfabrik. Der tägliche Ausstoß von Staub, Rauch und schädlichen Gasen verschmutzt die Luft und beeinträchtigt die Gesundheit der Bevölkerung.
Umweltschützer schlagen Alarm
Laut Dmitrij Milko, dem leitenden Forscher am Institut für Biologie der Kirgisischen Akademie der Wissenschaften, wurde die Baschkarasuu-Lagerstätte westlich des Boz-Boltok in den 1950er Jahren erkundet. Nachdem die Hauptschichten aus Lehm bereits abgebaut wurden, steht nun das Sand-Kies-Gemisch im Steinbruch am Berg im Zentrum der Aufmerksamkeit.
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„Die Ziegelfabrik teilte seinerzeit mit, dass es in den Abbaugebieten keine Tier- und Pflanzenarten aus dem Roten Buch der Kirgisischen Republik [in dem bedrohte Pflanzen- und Tierarten aufgelistet werden, Anm. d. Red.] vorkommen. Aber wir haben das Gegenteil bewiesen„, so Milko gegenüber CABAR.asia. Im Rahmen einer Sonderkommission reiste er mehrmals mit Kollegen auf den Boz-Boltok, um dort Felderhebungen durchzuführen. Insgesamt fanden die Wissenschaftler fünf Gewächs- und zwei Tierarten, die in Kirgistan als bedroht gelten. Vertreter der Ziegelfabrik wiesen dies vehement zurück.
Unter den bedrohten Pflanzenarten, die die Wissenschaftler auf dem Boz-Boltok ausfindig machten, befanden sich u. a. die Greig-Tulpe, die Zinaida Tulpe, die Ostrowskiana und die Viridiflora-Kolpakowskiana. Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften wiesen auf die unmittelbare Zerstörung einzigartiger Pflanzenlebensräume durch den Abbau von Steinbrüchen hin.




Pfusch am Bau
Das Institut für Biologie der Kirgisischen Akademie der Wissenschaften kommt zu dem Schluss, dass bei der Erteilung der Genehmigungen für das Sand- und Kiesabbauprojekt am Standort Baschkarasuu Süd Verstöße gegen die Umweltvorschriften begangen wurde.
Gemäß Artikel 23 des kirgistanischen Gesetzes „Über den Schutz und die Nutzung der Pflanzenwelt“ unterliegen seltene und gefährdete Pflanzenarten einem besonderen Schutz. Handlungen, die zur Zerstörung, Verminderung der Bestände oder Störung des Lebensraums seltener und gefährdeter Pflanzenarten und ihrer Lebensgemeinschaften führen, werden strengstens geahndet.
Im Dezember 2024 führte das Umweltministerium bei der Ziegelfabrik Inspektionen durch. Es wurden gravierende Verstöße festgestellt und Bußgelder verhängt, zeitweise wurde sogar die Produktion eingestellt. Boz-Boltok ist kein Einzelfall; auch in anderen Regionen der Republik leidet die Flora und Fauna unter ähnlichen Problemen.
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Nach Angaben von Dmitrij Milko sammeln die Menschen im Frühjahr fleißig Büschel von jungen Steppenkerzen oder Eremurus, um sie zu verkaufen, wodurch jene Populationen beständig schrumpfen. Auch in der südwestkirgisischen Oblast Dschalalabad, in der sich mit dem Toktogul-Reservoir der größte Stausee Zentralasiens befindet, sind wilde Zwiebeln und Rhabarber immer seltener zu finden. Die Bestände der verschiedenen Zwiebelpflanzen sind unkontrolliert und übernutzt, da örtliche Verkäufer meistens mehr mitnehmen, als sie tatsächlich verkaufen. Im benachbarten Tadschikistan sind die Vorräte wilder Zwiebeln so stark zurückgegangen, dass viele Tadschiken diese notgedrungen in der kirgistanischen Grenzstadt Batken kaufen müssen. Bei Rhabarber zeichnet sich dasselbe Bild ab: Verkäufer ernten mehr Rhabarber als sie tatsächlich auf den Märkten verkaufen und werfen den Überschuss einfach weg.
Illegaler Pflanzenschmuggel
Im Herbst 2023 meldete die staatliche Steuerbehörde die Beschlagnahme einer geschmuggelten Ladung Arnebia-Wurzeln, die in die Kategorie der vom Aussterben bedrohten Pflanzen fallen. Nach Angaben des Ministeriums für natürliche Ressourcen, Ökologie und technische Überwachung wurden im Jahr 2024 mehr als 20 Fälle der Ausfuhr geschützter Pflanzenarten aus dem Land verzeichnet.
Im Dezember 2024 legte die Behörde einen Entwurf eines Erlasses des Ministerkabinetts zur öffentlichen Diskussion vor, der ein vorübergehendes Verbot (Moratorium) bis 2027 für den Transport, den Kauf und den Verkauf sowie die Ernte und die Verwendung der folgenden Pflanzenarten vorsieht: Macrotomia (Macrotomia), Arnebia – Prophetenblume (Arnebia), Diptam (Dictamnus), Blauer Eisenhut (Aconitum), Holland-Lauch (Allium aflatunense), Rhodiola (Rhodiola) und Strohblume (Helichrysum maracandicum). Doch trotz dieses Verbots besteht das Problem der Ausfuhr seltener und gefährdeter Pflanzenarten weiterhin. Dadurch steigt das Risiko, dass diese Pflanzenarten gänzlich verloren gehen.
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Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung!Das Ministerium für Naturressourcen ist der Ansicht, dass die Verabschiedung des Dokuments einen wirksameren und umfassenderen Schutz seltener und gefährdeter Pflanzenarten gewährleisten und die Gefahr ihrer unkontrollierten Nutzung, ihres Handels und ihrer Ausfuhr verringern wird. Dies würde zur Erhaltung der natürlichen Ressourcen und zur nachhaltigen ökologischen Entwicklung der Region erheblich beitragen.
Mit den Änderungen des Erlasses wird das Verbot nicht nur auf die Ernte, sondern auch auf andere Tätigkeiten – Transport, Kauf, Handel und Ausfuhr – ausgedehnt. Das Dokument sieht die Beschlagnahme von Gegenständen vor, die für illegale Aktivitäten bei der Verarbeitung und Herstellung von Produkten und Rohstoffen verwendet werden (z. B. Werkstätten, Fässer, Trockner, Transportmittel und andere Ausrüstung).
Wilderei und illegaler Fischfang
Neben der Zerstörung von Pflanzen sind auch die Wilderei sowie der illegale Fischfang ein akutes Problem. Das Ministerium für Naturressourcen berichtet regelmäßig über die Festnahme von Personen, die gegen die Umweltgesetzgebung verstoßen.


Nach Angaben der Behörde werden die Ausfuhr, der Transport, die Lagerung und der Verkauf von illegal gefangenen Wildtieren, die durch internationale Verträge geschützt und im Roten Buch der Kirgisischen Republik aufgeführt sind, mit einer Geldstrafe in Höhe von 20.000 Som (229 US-Dollar) für Privatpersonen und 65.000 Som (743 US-Dollar) für Rechtsträger belegt.
Neue Vorschriften
Kirgisistan verfügt über umfangreiche Vorschriften zum Schutz der Natur und Umwelt. Dazu gehören das Straf-, das Wasser-, das Boden- und das Waldgesetzbuch der Kirgisischen Republik, die Gesetze „Über den Umweltschutz“, „Über den Schutz und die Nutzung der Pflanzenwelt“, „Über Wildtiere“, „Über besonders geschützte Naturgebiete“ und eine Reihe von Regierungsbeschlüssen.
In den „Vorschriften für die Erhaltung der biologischen Vielfalt der Kirgisischen Republik für den Zeitraum bis 2024“, die 2014 per Regierungsbeschluss verabschiedet wurden, wurde festgestellt, dass infolge menschlicher Aktivitäten einige Arten vollständig verschwunden sind, während andere vom Aussterben bedroht sind.
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Von den großen und mittelgroßen Säugetieren sind 3 Arten ausgestorben, 15 Arten sind bedroht; in der Fauna der Vögel sind 4 Arten ausgestorben, 26 Arten sind bedroht; bei den Pflanzen sind die Verluste geringer – nur eine Art ist verschwunden, aber 56 Arten sind bedroht.
Zerstörung aus wirtschaftlichen Motiven
Der Hauptgrund für den Rückgang der Artenvielfalt in Kirgistan ist die Störung des Lebensraums durch wirtschaftliche Aktivitäten, die Verringerung der Gesamtfläche des Lebensraums der Arten und die direkte Ausrottung durch den Menschen. Dem Dokument zufolge werden die Inventarisierung und Überwachung der Artenvielfalt nicht systematisch durchgeführt, sondern lediglich für einzelne Gruppen vorbehalten.
Gleichzeitig dient die biologische Vielfalt als Grundlage für das Funktionieren der Ökosysteme und die Bereitstellung ökologischer Dienstleistungen, die für das Überleben der Bevölkerung und die nachhaltige Entwicklung der Zivilisation notwendig sind. Sie trägt zur sozioökonomischen Entwicklung und zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele, einschließlich der Armutsbekämpfung, bei.
In den neuen Vorschriften wurden die Strategie, das Programm, die Grundsätze und die Hauptrichtungen der Kirgisischen Republik auf dem Gebiet der Erhaltung der biologischen Vielfalt festgelegt.
„Der Weltgemeinschaft gegenüber verpflichtet“
Kumar Mambetalijew, Leiter der Abteilung für Bioressourcen im Ministerium für natürliche Ressourcen, Umwelt und technische Überwachung, erklärte gegenüber CABAR.asia, dass derzeit eine nationale Strategie und Pläne für die Erhaltung der biologischen Vielfalt bis 2030 entwickelt werden.
„Kirgistan ist Vertragspartei einer Reihe von internationalen Umweltkonventionen, darunter das von Kirgistan ratifizierte Übereinkommen über die biologische Vielfalt. Wir fühlen uns der Weltgemeinschaft gegenüber verpflichtet, die biologische Vielfalt und insbesondere die Bergökosysteme zu erhalten, die verschiedenen negativen Einflüssen ausgesetzt sind“, berichtet er.
Speziell geschützte Naturgebiete (SPNAs) seien der Maßstab für die Erhaltung der biologischen Vielfalt, so Mambetalijew. Das Schutzgebietsnetz des Landes umfasst 7,38 Prozent der Gesamtfläche des Landes und beinhaltet 10 staatliche Naturreservate, 13 staatliche Naturparks, 64 Wildtierschutzgebiete sowie den Botanischen Garten Enver Garejew in Bischkek und einen zoologischen Park in Karakol.
Erweiterung der Naturgebiete
Das Ministerium für Naturressourcen arbeitet daran, das Netz der besonders geschützten Naturgebiete auf 10 Prozent der Gesamtfläche zu erweitern. So wurde beispielsweise mit der Einrichtung des staatlichen Naturparks „Tschong-Alaj“ in der Oblast Osch begonnen, dessen Fläche etwa 67.000 Hektar betragen wird.
Kumar Mambetalijew merkte an, dass man sich um die Erhaltung der biologischen Vielfalt bemühe, räumte aber ein, dass die Ressourcen nicht ausreichten. „Selbst bei der Personalausstattung haben wir an einigen Stellen Schwierigkeiten. Es gibt nicht genügend Inspektoren und Wildhüter“, sagte er.
Experten betonen, dass ein Rückgang der biologischen Vielfalt zur Destabilisierung der Biota, zum Verlust der Integrität der Biosphäre und ihrer Fähigkeit, die für das Leben auf der Erde notwendigen Umweltqualitäten zu erhalten, führen kann.
„Die natürlichen Ressourcen müssen mit Sorgfalt behandelt werden und sich selbst erneuern können“, erklärt Dmitrij Milko. „Man sollte nicht denken, dass dieses Tier gut ist und jenes nicht, dass dieses Gras nützlich ist und jenes nicht. Alle biologischen Arten sind auf die eine oder andere Weise nützlich, sie sind Produkte der Natur, Millionen von Jahren der Evolution, und je mehr Komponenten ein System hat, desto stabiler ist es.“
Neue Kultur entwickeln
Milko hält es für wichtig, an der Kultur der Bevölkerung zu arbeiten, angefangen bei der Erziehung der jüngeren Generation, die Beschäftigten im Tourismus über die Bedeutung der Erhaltung der biologischen Vielfalt und des Respekts für die Natur zu informieren und die Strafen für eine Reihe von Umweltvergehen zu verschärfen.
Nach Angaben von Mambetalijew wurden die Strafen für Schäden an wild lebenden Tieren letztes Jahr erhöht. So wird beispielsweise der illegale Abschuss von Schneeleoparden mit einer Geldstrafe von 2 Millionen Kirgisischen Som (22.500 US-Dollar) geahndet, während Braunbär und Maral von der Gattung Edelhirsche mit jeweils 1,5 Millionen Kirgisischen Som (16.000 US-Dollar) bestraft werden.
In Zukunft wird aufmerksamen Bürgern, die Verstöße gegen die Umweltgesetzgebung der Kirgisischen Republik und Wilderei aufgedeckt haben, eine Belohnung in Höhe von 50 Prozent der eingegangenen Bußgelder für Schäden an wild lebenden Tieren ausgezahlt.
Cabar Asia
Aus dem Russischen von Sara Derbishova