Am 31. August feierte die Kirgisische Republik, wie jedes Jahr seit 1991 ihre Unabhängigkeit. Doch dieses Jahr waren die üblichen Feierlichkeiten von der bereits lang erwarteten Premiere des historischen Films „Kurmanjan Datka“ begleitet. Während der international gezeigte Film auf der einen Seite die Gelegenheit bietet, die reiche Geschichte des Landes und einer seiner Heldinnen weiter zu verbreiten und dem Land zu neuer Bekanntheit zu verhelfen, so ist er auf der anderen Seite auch ein Zeichen für das eher kontemporäre neue Gesicht des Kirgisischen Patriotismus
Der Film erzählt als erster großer kirgisischer Blockbuster die Geschichte der Königin von Alaj, in dem heutigen Gebiet um Osch, die zweitgrößte Stadt Kirgistans im Süden des Landes. Die Dreharbeiten für den Film haben bereits 2012 begonnen, und in den Regionen Osch, Talas und Issykköl, wie auch in der Hauptstadt Bischkek stattgefunden. Mit einem Budget von rund 1,3 Millionen US-Dollar ist Kurmanjan Datka der teuerste Film der kirgisichen Filmgeschichte, für den ein weitreichendes Echo und finanzielle Gewinne erwartet werden.
Der Beginn des Filmes zeigt die zukünftige Königin als kleines Kind in einer Höhle, in der ein Aksakal, ein alter Weiser ihren enttäuschten Eltern versichert, sie sei „zehn Männer“ wert und dazu bestimmt eine weise Anführerin zu werden, die ihr Volk schützt wie eine Mutter ihr Kind.
Die erste Generalin
Und tatsächlich: in der nächsten Szene entflieht sie als junges hartnäckiges Mädchen mutig einer seit ihrer Geburt von den Eltern festgelegten Zwangsehe und widersetzt sich damit den Traditionen und Bräuchen ihrer Zeit. Mitten in der Hochzeitsnacht flieht sie zu ihrer Familie, und riskiert damit, Schande über sich und ihre Familie zu bringen.
Kurz entschlossen schickt Kurmanjan einen Brief an Alimbek Datka (einer der politischen Anführer von Alaj), den sie als Kind auf einem seiner Ritte durch das Land kennengelernt hat. Der Datka nimmt sie und ihren kleinen Bruder mit zu sich und macht das widerspenstige Mädchen Kurmanjan zu seiner Frau. Ihr gemeinsames Leben ist von gegenseitigem Respekt geprägt, und Kurmanjan nimmt auch an der Regierungsarbeit ihres Mannes teil. Dieser ruhige Teil der kirgisischen Geschichte wird neunundzwanzig Jahre später mit der Ermordung Alimbek Datkas (im Jahre 1862) gestört. Ab dem Zeitpunkt übernimmt Kurmanjan die Verantwortung für das Schicksal ihres Volkes.
Und dieser Aufgabe ist sie auch gewachsen. Sie ist eine heldenhafte Herrscherin, und ihre Armeen sind stets siegreich gegen Feinde, die dem kleinen Gebiet von verschiedenen Seiten gefährlich werden. Sie wird zur ersten Frau in der Geschichte Zentralasiens, der für die Verhinderung einer Intrige zwischen dem Khanat von Kokand und dem Emirat Buchara der Titel einer „Datka“ (General) verliehen wird.
Eine Projektion des Kirgisischen Patriotismus?
Aber das späte 19te Jahrhundert ist auch die Zeit der russischen Expansion in Zentralasien. Kurmanjan Datka vermeidet den Krieg gegen die mächtige Armee des Zaren und erreicht einen Friedensvertrag. Doch Michail Skobeljew, der neue russische Militärgouverneur in der Region ist der Königin von Alaj feindlich gesinnt, und ordnet die Verhaftung einer ihrer Söhne an. Er wird beschuldigt, russische Soldaten ermordet zu haben, und zum Tod durch den Strang verurteilt. Kurmanjan steht vor einer Wahl: wiegt das Leben ihres Kindes so viel wie das ihres gesamten Volkes?
Die Beteiligung der kirgisischen Regierung an der Finanzierung dieses Filmes hat in den Medien viele Diskussionen verursacht. Wie der Guardian mit einem Artikel von Transition online berichtet, gab es angesichts der weit verbreiteten Armut im Land viel Kritik an dieser hohen öffentlichen Investition. Der Film wird daher als einer der „letzten Versuche des Staates, den Patriotismus zu schüren“ bezeichnet. Auch eine der Produzentinnen gibt im Guardian offen zu, dass der Film sich an junge Kirgisinnen und Kirgisen richtet, mit der Hoffnung, dass das Erbe der kirgisischen Geschichte nicht verloren gehe und „den Geist des Patriotismus“ weiterzuverbreiten. Diese Sichtweise ist natürlich relativ umstritten, zumal der Regisseur Sadyk Sher-Niyaz vor seiner Filmkarriere als Anwalt für die nationalistischen Ata-Zhurt Partei tätig war.
Neben der nationalen Ziele des Filmes soll der Film nach dem Wunsch der Produzenten aber auch eine gewisse internationale Präsenz erreichen. Er wurde Ende August bei dem 3. internationalen Filmfest in Jakutsk (Russland) und dem Festival der Filme der Welt in Montreal (Kanada) gezeigt. Der Wunsch nach der Ausstrahlung des Filmes in Westlichen Kinos hat viele kirgisische Internetnutzer dazu verleitet, dem Film eine 10/10 bei der internet movie Database (IMDb) zu geben, so dass er zum Zeitpunkt dieses Artikels eine ausgezeichnete Bewertung von 9,9 verzeichnen kann. Ob diese Bewertung jedoch die internationale Filmindustrie überzeugen wird, bleibt fraglich. Auch der Regisseur Sadyk Scher-Nijaz gibt zu, dass die internationale Verbreitung eines solchen eher lokal-historischen Filmes über eine vielfach unbekannte Region ein kompliziertes Vorhaben ist, das sehr viel Arbeit und die Präsenz auf weiteren Kinofestivals voraussetzt. Schon allein die Teilnahme an dem Fest in Montreal mit vier Vertretern hat zwanzig Tausend US Dollar gekostet.
Bermet Turman
Autorin für Novastan.org
Aus dem Französischen überstetzt von
Florian Coppenrath
Redaktion: Ann-Kathrin Rothermel