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Kirgistan und Tadschikistan verhandeln über die Demarkation der gemeinsamen Grenze

Nach den tödlichen Zusammenstößen, die sich Ende April an der tadschikisch-kirgisischen Grenze ereignet hatten, haben Delegationen der beiden Staaten ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet. Verhandlungen über die Demarkation der gemeinsamen Grenze dauern noch an.

Nach den tödlichen Zusammenstößen, die sich Ende April an der tadschikisch-kirgisischen Grenze ereignet hatten, haben Delegationen der beiden Staaten ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet. Verhandlungen über die Demarkation der gemeinsamen Grenze dauern noch an.

Die Zeichen stehen auf Kompromiss. Am 5. Mai hat Tadschikistans offizielle Presseagentur Khovar den Inhalt des Abkommens veröffentlicht, dass in der Nacht vom 1. auf den 2. Mai zwischen Tadschikistan und Kirgistan geschlossen worden war. Dies veranlasste die kirgisischen Behörden, den Text auch am 6. Mai zu veröffentlichen, berichtet das kirgisische Nachrichtenportal Kloop. Die Vereinbarung war bis zur Veröffentlichung durch Khovar geheim geblieben.

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Die Vereinbarung leitet den Prozess zur Demarkation eines Teils der Grenze zwischen den beiden Nachbarländern ein. Streitigkeiten um den Grenzverlauf sind die Hauptursache für die seit dem Zerfall der UdSSR immer wiederkehrenden Zusammenstöße. Die Vereinbarung geht mit einem Waffenstillstand zwischen den beiden Nachbarstaaten einher, nachdem Ende April bei Zusammenstößen mehr als 50 Menschen getötet worden waren.

Zwischen dem 28. April und dem 3. Mai wurden laut Angaben von Kloop 36 KirgisInnen getötet, 189 verletzt und mehr als 27.300 Menschen evakuiert. Tadschikistan veröffentlichte seine ersten Opferangaben erst am 6. Mai. 19 Tote und 87 Verletzte seien offiziell registriert wurden, berichtet Radio Ozodi, der tadschikische Dienst von Radio Free Europe.

112 Kilometer werden verhandelt

Die in der Nacht zum 2. Mai getroffene Vereinbarung wurde in Batken, einer Stadt im Südwesten Kirgistans, unterzeichnet. Die Delegationen wurden von den jeweiligen Leitern der Nationalen Sicherheitskomitees beider Länder, Saimumin Jatimow und Kamtschybek Taschijew, geleitet.

Um die gemeinsame Grenze festzulegen, haben beide Staaten topografische Gruppen gebildet. Diese verwenden Dokumente, die während der national-territorialen Abgrenzung von 1924-1927 sowie bei der gemeinsamen Kommission von 1989 Verwendung fanden. Von 970 Kilometern Grenze wurden laut Radio Ozodi bisher nur 519 demarkiert.

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Seit der Unterzeichnung der Vereinbarung haben sich die topografischen Gruppen zweimal getroffen – vom 5. bis zum 9. Mai und erneut vom 13. Bis zum 17. Mai. Nach jedem Treffen gaben beide Staaten kurze Pressemitteilungen [TJK / KGZ] heraus, die aber lediglich besagen, dass nach jedem Treffen ein Protokoll unterzeichnet wurde. Treffen finden abwechselnd in jedem der beiden Staaten statt.

Am 3. Mai behauptete Taschijew laut Angaben der kirgisischen Onlinezeitung 24.kg, dass bis zum 9. Mai 112 Kilometer Grenzen festgelegt werden würden. Ein Versprechen, das bisher nicht erfüllt wurde, aber dennoch den Umfang der laufenden Verhandlungen beschreibt.

Eine neue Straße zwischen Woruch und Tadschikistan

Parallel dazu einigten sich die beiden Länder auf den gemeinsamen Bau einer Straße zwischen dem nahe der nordtadschikischen Stadt Isfara gelegenen Dorf Chodschaj Alo und Woruch, einer von Kirgistan umschlossenen tadschikischen Exklave. Diese Straße soll eine Direktverbindung zwischen der Exklave und Tadschikistan ermöglichen.

Konkret soll die neue Straße das kirgisische Dorf Kaptschygaj umgehen, das die EinwohnerInnen von Woruch heute passieren müssen, um Tadschikistan zu erreichen. Bis zum 1. Juni soll laut den kirgisischen Behörden eine Voruntersuchung durchgeführt werden. Die Straße soll gemäß der Vereinbarung gemeinsam gebaut, später aber von Tadschikistan instandgehalten werden.

Taschijew sagte jedoch gegenüber der kirgisischen Presseagentur Sayasat, dass die Verbindung zwischen Woruch und dem tadschikischen Kernland Gegenstand einer gesonderten Vereinbarung sei. Er behauptete auch, dass diese Straße kein tadschikischer Korridor sein werde.

Furcht vor Enteignung

Dieser Punkt führte zuvor zu Missverständnissen und Ängsten seitens der kirgisischen Öffentlichkeit, da vermutet worden war, Tadschikistan werde einen Korridor nach Woruch erhalten. „Es gibt bereits eine Straße zwischen Woruch und Chodschaj Alo, die zu Kirgistan gehört. Es ist nicht nötig, eine neue Straße zu bauen“, sagte Ulukbek Kotschkorow, ehemaliger Arbeitsminister (2018-2020) und unterlegener Kandidat bei den letzten beiden kirgisischen Präsidentschaftswahlen 2017 und 2021, gegenüber Radio Ozodi.

„Wenn die Straße gebaut und Tadschikistan zur Nutzung übergeben wird, wird die Hälfte von [der Provinz, Anm. d. Ü.] Batken mit 140.000 bis 150.000 Einwohnern zu einer Enklave. Die tadschikische Seite spricht dieses Problem seit 30 Jahren an, aber da es für Kirgistan eine dumme und falsche strategische Entscheidung wäre, haben unsere Behörden dem nie zugestimmt. Daher können wir diesem Weg nicht folgen und dieses Protokoll nicht umsetzen“, erklärte Kotschkorow.

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Ein weiterer Punkt möglicher Meinungsverschiedenheiten betrifft die Entscheidung, die Dokumente der nationalen Abgrenzung von 1924-1927 und die der gemeinsamen Kommission von 1989 zu verwenden. ExpertInnen zufolge hat Kirgistan die Karten dieser Zeiträume nicht akzeptiert, berichtet Radio Ozodi.

Dies hinderte die kirgisisch-tadschikischen Verhandlungsgruppen jedoch nicht daran, die Gespräche weiterzuführen. Es bleibt abzuwarten, ob in den kommenden Monaten eine echte Demarkation stattfinden wird oder nicht.

Karina Bodeneyeva, Redakteurin für Novastan

Aus dem Französischen von Robin Roth

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