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Kirgisen mobilisieren gegen chinesische „Erziehungslager“

In Kirgistan wurde ein „Komitee zum Schutz der Kirgisen in China“ gegründet. Das bei der ersten Vereinssitzung definierte Ziel ist, sich für diese Belange die Unterstützung der kirgisischen Regierung zuzusichern. Immerhin befänden sich 22.000 ethnische Kirgisen derzeit  in chinesischen „Erziehungslagern“ in der Provinz Xinjiang.  

abaldauf 

Kashgar an der kirgisch-chinesischen Grenze
Altstadt von Kashgar, Xinjiang

In Kirgistan wurde ein „Komitee zum Schutz der Kirgisen in China“ gegründet. Das bei der ersten Vereinssitzung definierte Ziel ist, sich für diese Belange die Unterstützung der kirgisischen Regierung zuzusichern. Immerhin befänden sich 22.000 ethnische Kirgisen derzeit  in chinesischen „Erziehungslagern“ in der Provinz Xinjiang.  

Sie haben also beschlossen, sich zu vereinigen. Während der ersten öffentlichen Sitzung des „Komitees zum Schutze der Kirgisen in China“ am 30. November des letzten Jahres wurden der kirgisische Präsident Sooronbai Dscheenbekov und dessen Außenminister Erlan Abdyldajew auf das Schicksal der in China lebenden ethnischen Kirgisen und die Dringlichkeit einer Unterstützung von Seiten Kirgistans aufmerksam gemacht.

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Ihr Ansuchen ist eindeutig: Sie erhoffen sich Hilfe bei der Befreiung ihrer Nächsten, die sich in chinesischen „Erziehungslagern“ befinden, berichtet Radio Azzatyk, die kirgische Zweigstelle von Radio Free Europe. Alle haben sie darüber berichtet, seit geraumer Zeit keine Lebenszeichen mehr von ihren Eltern, die in Xinjiang, einer Region im Nordwesten Chinas an der Grenze zu Kirgistan, leben, vernommen zu haben.

Die autonome chinesische Provinz Xinjiang sieht sich seit 2016 zunehmend mit Repressionen von Seiten der chinesischen Machthaber gegenüber der turkophonen und muslimischen Minderheiten konfrontiert. Vor allem sind dabei die Uiguren betroffen. Für so manchen kritischen Beobachter ähneln diese Lager eher Konzentrationslagern als Umerziehungslagern.

Familien im Ungewissen

Auch ethnische Kirgisen und Kasachen sind von den chinesischen Repressionen in Xinjiang betroffen. Aali Souyounali Uulu aus der Region Akqi, erzählt beispielsweise im Interview mit media24.kg, dass er sich nach wie vor auf der Suche nach seinem Vater befinde, den die chinesischen Behörden im März 2017 gefangen nahmen.

Ich kenne die Gründe, die zu seiner Inhaftierung in das Lager führten, nicht„, erklärt der Student, der im Jahre 2014, vor dem Erhalt der kirgisischen Nationalität, nach Kirgistan ausgewandert ist. „Es ist sogar gesetzlich verboten, diesbezüglich Fragen an die chinesische Regierung zu stellen.“ Auf dieses Verbot berufen sich auch die Antworten von offizieller Seite.

Wie Aali sind auch die Mitglieder des neu gegründeten Komitees sogenannte „Kairilmans“ – ein Ausdruck für in der Diaspora lebende Kirgisen -, die wieder in die Heimat ihrer Vorfahren zurückgekehrt sind.

In der Region Xinjiang werden die „Kairilmans“ auf etwa 200 000 geschätzt. Die meisten der „Kairilmans“ sind Nachfahren von Kirgisen, die nach dem Aufstand im Jahre 1916, auf der Flucht vor gewaltsamen Repressionen von Seiten der russischen Truppen, jenseits der chinesischen Grenze Zuflucht suchten.

Flagge der Region Xinjiang
Flagge der autonomen Region Xinjiang in China.

Nahezu 22 000 ethnische Kirgisen „in Haft“

Es ist aufgrund des Mangels an Informationen von offiziellen chinesischen Behörden in Bezug auf diese „Erziehungslager“ schwierig, genaue Angaben über die Anzahl an inhaftierten Kirgisen zu machen. Schätzungen des Komitees zufolge sollen sich allerdings 22 000 ethnische Kirgisen in den Lagern befinden.

Von den Machthabern aus Peking wird oft der „Kampf gegen den Terrorismus“ und den „religiösen Extremismus“ als Alibi verwendet, um die Repressionen gegenüber den Uiguren in Xinjiang zu rechtfertigen. Die Repräsentanten des Komitees lehnen diese Argumentationsweise ab. Einem Mitglied des Komitees zufolge sind auch Personen inhaftiert, die sich nicht als religiös identifizieren, udn für die dieses Argument demnach nicht zutreffend sei. Des Weiteren fügt er hinzu, dass es sich bei „den Kirgisen in China niemals um fanatische Moslems“ handele.

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Viele der Betroffenen betrachten die repressiven Maßnahmen allerdings als einen „kulturellen Genozid“ gegenüber der „kirgisischen Intelligenz“. „Mein Bruder, der Journalist und Dichter Nourmanbet Osmon Uulu, wurde 2016 festgenommen. Danach erfuhren wir, dass er wegen terroristischer Aktivitäten zu 13 Jahren Haft verurteilt wurde. Doch können Sie mir bitte erklären inwiefern er ein Terrorist sein soll?“, fragt sich einer der Zeugen.

Aus Mangel an Beweisen

Auch der Ombudsmann für Menschenrechte in Kirgistan, Tokon Mamytow, nahm die Mitglieder des Komitees in Empfang. Der seit letztem September mit dieser Aufgabe betraute Mamytow versprach in Anwesenheit der Komitee-Mitglieder „alles mögliche“ in Bewegung zu setzen. Dennoch hat er die Anwesenden dazu aufgerufen, mit Vorsicht vorzugehen, da noch keine ausreichenden Beweise vorlägen.

Tatsächlich ist er, als Ombudsmann für Menschenrechte in Kirgistan, nicht dazu befugt, etwas an der Lage der ethnischen Krigisen in China zu verändern, handelt es sich doch bei den mutmaßlichen Opfern dieser Lager um chinesische Staatsbürger. Dennoch hat er bekräftigt, dass im Falle einer Bestätigung der Vermutungen „Maßnahmen, die dem internationalen Rahmen entsprechen“ in Betracht gezogen werden. Allerdings hat der kirgisische Außenminister noch nicht auf die Forderungen des Komitees reagiert.

Die Untätigkeit von Seiten der offiziellen Behörden des Landes nahmen die Mitglieder des Komitees zum Anlass, am 5. Dezember unweit des Büros der Vereinten Nationen, eine Demonstration zu veranstalten, berichtet KNews. Die Demonstranten riefen den Generalsekretär der Vereinten Nationen Antonio Guterres dazu auf, etwas gegen die Repressionen gegenüber den muslimischen Minderheiten in der Provinz Xinjiang zu unternehmen. Um die Gemüter zu besänftigen hatte die kirgisische Vertretung der Vereinten Nationen fünf der Demonstrierenden dazu eingeladen, ihnen ihre Forderungen mitzuteilen.

Aus dem Französischen von Andrea Baldauf

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Kommentare (3)

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Johannes Reinders, 2019-05-9

Warum schiebt China diese Kirgisen nicht nach Kirgistan ab anstatt sie einzusperren ? Oder anders gefragt, warum verlangt Kirgistan nicht die
geordnete Rückführung der in China gefangenen Kirgisen ? Freilich müsste sich die Weltgemeinschaft durch ein Entwicklungshilfeprogramm
an der Wiederansiedlung in Kirgistan beteiligen. Kann mir das jemand beantworten ?

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Florian Coppenrath, 2019-05-13

Es handelt sich um chinesische Staatsbürger, die der kirgisischen Minderheit angehören. Aus dem Grund ist auch die Handlungsmarge der kirgisischen Regierung sehr begrenzt.

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KUBILAY, 2020-12-4

in Osttürkistan lebende ethnische Kasachen flohen wegen der chinesische Verfolgung über die Grenze nach Kasachstan aber Kasachstan schob sie wieder zurück und diese landeten dann in den Erziehungslagern…

Sowas muss man erst mal verdauen. Kasachen schieben ihre eigene Leute ab…

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