Der Moderator Maxim Poletajew ist durch seine Stimme in Kirgistan sehr bekannt geworden. Seine zahlreichen öffentlichen Auftritte im Fernsehauftritte oder bei Events bescherten ihm eine gewisse Redefreiheit.
Dieses Porträt ist Teil der Reihe „Kinder der Unabhängigkeit“, eine Zusammenarbeit mit der Fotojournalistin Valérie Baeriswyl.
Maxim Poletajew ist eine Persönlichkeit in der kirgisischen Fernsehlandschaft. Der Moderator, der mitunter mehrere Talk-Shows in Kirgistan organisiert hat, könnte stundenlang über Politik reden.
Man könnte ihm dabei auch stundenlang zuhören. Er analysiert mich Leichtigkeit die kirgisische Innen- und Außenpolitik und kann auch historische Parallelen für die aktuelle Lage in seinem Land ziehen: „In unserem Land ist die Lage letztendlich deutlich besser als bei unseren Nachbarn (Kasachstan oder Usbekistan). Es gibt eine richtige Entwicklung und wir haben nicht das Gefühl, dass das Ergebnis, unabhängig von unserer Stimme, schon längst bekannt ist“, beschreibt et.
Obwohl er beim Fernsehen arbeitet, will sich Maxim jedoch nicht als Journalist bezeichnen. „Man kann sagen, dass ich im Bereich der Medien arbeite, auch wenn ich mich nicht einen Journalisten nennen kann. Ich bin es nur zum Teil: Ich lehre an der Amerikanischen Universität Zentralasiens (AUCA) und habe mehrere Nebenprojekte, die mit der Medienindustrie zu tun haben“, erzählt der 28-Jährige, der ursprünglich aus Russland kommt.
„Die Zivilgesellschaft entwickelt sich“
Für ihn ist Aktivismus eine gute Sache. So diskutiert die kirgisische Jugend besonders auf sozialen Medien aktiv über Wahlfälschungen und Stimmenkauf. Auch die Programme der jeweiligen Präsidentschaftskandidaten liefern Gesprächsstoff.
Laut dem Fernsehmoderator, der die Journalismusschule der AUCA absolviert hat, wollen die Leute fühlen, dass sie am Geschehen teilhaben können, dass etwas von ihnen abhängt. Aber Maxim gibt auch an, dass die Diskussionen im Internet zu keinen konkreten Aktionen führen. „Auf Facebook oder auf anderen sozialen Netzwerken ist alles möglich, aber ich habe bisher noch keine jugen Leute gesehen, die ihre Tastatur verlassen hätten, um als Bürger etwas Konkretes zu verlangen. Es sei denn, sie sind bezahlt, wirklich von Herzen motiviert oder durch Not angetrieben“, sagt er.
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Obwohl er eine Medienpersönlichkeit ist, sieht sich Maxim nicht als repräsentativ für die kirgisische Jugend und möchte ihr nicht als Sprachrohr dienen. Der Moderator, der in der Haupstadt Bischkek lebt, ist der Ansicht, die meisten 25- bis 30-Jährigen wollen vor allem „gegen Alle“ wählen (auf den Wahlzetteln besteht diese Möglichkeit für die Wähler, die keinen der Kandidaten unterstützen möchten, Anm. d. Red.).
„Ich selbst wähle nicht, rufe aber alle dazu auf zu wählen“
Maxim gibt an üblicherweise an, nicht zu wählen. Er gibt zu, dass es ein Widerspruch zu seiner Position ist und er vor allem seine bürgerliche Pflicht nicht erfüllt. „Wie schon alle meine Ahnen habe ich, ein Frunser (Frunse ist der alte Name der kirgisischen Hauptstadt Bischkek, Anm. d. Red.), noch keine Veränderungen durch Wahlen beobachtet“, gibt er an.
Auf die Frage, für wen er wählen würde, stünde er doch in der Wahlkabine, gibt er keine Antwort. Er sagt, er habe alle Wahlprogramme und Ankündigungen der Kandidaten gelesen, die zu allen Fragen nur von einem beängstigenden Chauvinismus zeugen. Für ein Land wie Kirgistan mit seiner ethnischen und religiösen Vielfalt sei eine differenziertere Herangehensweise gefragt.
Populistische Kandidaten
Maxim schätzt den politischen Pluralismus, schätzt die Kandidaten aber als viel zu populistisch ein: Sie sagen, was die Leute erwarten. Jeder Kandidat sei für alle guten Sachen und gegen alles Schlechte.
Der Moderator denkt, dass alles sich zwischen den zwei Hauptkandidaten Sooronbai Dscheenbekow und Omurbek Babanow abspielen wird. „Ich sehe keine einzige lahme Ente, die alleine genug Stimmen anziehen könnte, dass wir am 16. Oktober zu einer Überraschung aufwachen“, bedauert er.
Eine Präsidentin ist unwahlrscheinlich
Die Option eines Sieges von Toktayim Umetalijewa, einzige Frau unter den 12 Kandidaten, scheint ihm unwahrscheinlich. Für Maxim ist die kirgisische Gesellschaft zu patriarchal dafür. „Eine Frau als Kandidatin, das ist super, aber inwiefern würde die Gesellschaft das akzeptieren… Je weiter die Machtvertikale dekonstruiert wird, desto mehr Bürger sind bereit, für eine Kandidatin zu stimmen“, schätzt er.
Maxim gehört zu der Jugend, die nach dem Ende der Sowjetunion, in der noch eine klar definierte Ideologie herrschte, aufgewachsen ist. Die 1990er hätten viel Wandel mit sich gebracht, besonders was die Religion angeht, deren Einfluss in Zentralasien immer stärker wird.
Kirgistan ist eine „demokratische Insel in Zentralasien“ geworden
Für Maxim gibt die Religion auf komplizierte Fragen viel zu einfache Antworten. „Eben wegen dieser einfachen Antworten entstehen radikale, fundamentalistische und extremistische Strömungen. Bei uns gibt es leider keine sehr weise Regulierung in dem Bereich. Ich möchte mir nicht ausmalen, wozu das führen kann“, fürchtet er.
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Obwohl bei der Wahl schon viel entschieden zu sein scheint, bemerkt Maxim, dass Kirgistan anders ist als die anderen postsowjetischen Länder. Denn hier wählen Menschen, um zu bestätigen, was sie nicht verstehen. „Auch wenn wir uns mehr oder weniger erfolgreich zu dieser ‚demokratischen Insel Zentralasiens‘ entwickelt haben, haben wir es meiner Meinung dennoch heute geschafft“, beendet der Journalist mit Stolz.
Anastasiia Shevtsova
Aus dem Französischen von Florian Coppenrath
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