Innerhalb weniger Jahre könnten in Zentralasien kriegerische Handlungen um Wasser ausbrechen. Das sagen zumindest einige unheilverkündende Analysen voraus. An derartigen Konflikten haben weder die Länder Zentralasiens noch andere Staaten, die in der Region aktiv sind, ein Interesse. Zentralasien versucht daher, sich bezüglich des Wassers zu einigen. OpenAsia stellt die wichtigsten Streitpunkte in der Region vor. Den Artikel übersetzen und veröffentlichen wir mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
In Zentralasien gibt es zwei Arten von Ländern: Jene an den Oberläufen der Flüsse und jene an den Unterläufen. Zu den ersten zählen Tadschikistan und Kirgistan, deren Hochgebirgsgletscher die Hauptwasseradern der Region speisen. Diese Staaten sind sehr wasserreich, womit auch ein großes Potential für Energiegewinnung aus Wasserkraft einhergeht.
Zu den Ländern an den Unterläufen gehören Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan. Diese Staaten sind reich an fossilen Brennstoffen, verfügen aber kaum über eigene Wasserressourcen. Das in diesen Ländern verbrauchte Wasser hat seinen Ursprung größtenteils im Ausland – hauptsächlich in Kirgistan und Tadschikistan. Im Falle Kasachstans betrifft dies 42 Prozent des Wassers, in Usbekistan 77 Prozent und in Turkmenistan 94 Prozent. Jedwedes Eingreifen in den Lauf der Flüsse, beispielsweise durch den Bau von Wasserkraftwerken, birgt also Konfliktpotential.
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Strom im Sommer, fossile Brennstoffe im Winter
Zu Sowjetzeiten wurde ein System errichtet, das für alle Seiten vorteilhaft war. Im Sommer wurde an den Oberläufen mittels der Wasserkraftwerke viel Strom produziert, von dem auch Kasachstan und Usbekistan profitierten. In diesem Prozess wurde Wasser aus den Stauseen gelassen, das für die Landwirtschaft aller zentralasiatischen Republiken genügte. Im Winter, wenn die Flüsse wenig Wasser führen, erhielten Tadschikistan und Kirgistan Brennstoffe aus den anderen Republiken, um das eigene Energiedefizit zu decken. So konnten sie Wasser für den Sommer speichern.
Nach dem Ende der Sowjetunion zerfiel dieses System und es entstanden Konflikte, die bis letztes Jahr anhielten. Dann begann Usbekistan, sich für energiepolitische Zusammenarbeit in Zentralasien stark zu machen und es konnten einige Probleme gelöst werden.
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Das Rogun-Wasserkraftwerk (Tadschikistan): Der höchte Staudamm der Welt
Der bedeutendste Streitpunkt in der Region sind die Bauarbeiten am Rogun-Wasserkraftwerk. Tadschikistan braucht das Kraftwerk dringend, da es an Energiemangel leidet und davon träumt, eines Tages Elektrizität zu exportieren. Usbekistan hingegen fürchtet um die Wasserversorgung der eigenen Landwirtschaft. Das Land warnt außerdem vor den Folgen einer Katastrophe, die sich ereignen würde, sollte der riesige Staudamm (er soll mit 335 Meter der höchste der Welt werden, Anm. d. Red.) brechen. Das Rogun-Wasserkraftwerk soll am Fluss Wachsch errichtet werden. Dieser speist den Amudarja, der größte Fluss in Usbekistan. Daher rührt der ganze Konflikt.
Seitdem in Usbekistan 2016 mit Schwakat Mirsojojew ein neuer Präsident an die Macht kam, haben sich die Wogen geglättet. Die Eurasische Entwicklungsbank prognostiziert mittlerweile, dass bis Ende 2018 der erste Bauabschnitt des Damms abgeschlossen werden könnte. Die usbekische Seite kommentierte diese Mitteilung nicht. Sie hatte aber bereits zuvor angekündigt, sich nicht gegen das Kraftwerk einzusetzen, wobei aber „bei seinem Bau die nationalen Interessens Usbekistans miteinbezogen werden müssen.“
Eine kürzlich veröffentliche Studie des Regionalen Ökologiezentrums für Zentralasien (CAREC) besagt, dass das tadschikisch-usbekische Verhältnis aufgrund der Wasserfrage nach wie vor angespannt ist: „Dies wird besonders deutlich an den Positionen der Länder in Bezug auf den geplanten Bau des Rogun-Staudamms.“
Das Daschtidschum-Wasserkraftwerk (Tadschikistan): Wasser für Afghanistan
Dabei ist der Rogun-Staudamm nicht einmal das größte Kraftwerksprojekt in Tadschikistan, sondern das Daschtidschum-Wasserkraftwerk, das am Fluss Pjandsch gebaut werden soll. Das Projekt bedarf aber der Zusammenarbeit mit Afghanistan, da der gigantische Stausee im Pjandsch-Tal beiderseits der Grenze entstehen soll. Dabei ist die Daschtidschum-Talsperre nur das erste von 14 geplanten Projekten, die die Wasserkraft des Pjandsch in Tadschikistan nutzbar machen sollen.
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Das Kraftwerk soll vier Milliarden Dollar kosten und jährlich mehr als 15,6 Milliarden Kilowattstunden günstigen Strom erzeugen. Damit soll es das Rogun-Kraftwerk übertreffen. Die amerikanische AES Corporation war an dem Projekt interessiert, ist aber mittlerweile abgesprungen.
Präsident Rahmon verspricht Millionen Arbeitsplätze
Der tadschikische Präsident Emomalii Rahmon bringt dieses Projekt immer wieder ins Gespräch und erinnert daran, dass das Daschtidschum-Wasserkraftwerk nicht nur die Energieversorgung Afghanistans sicherstellen würde. Außerdem würden anderthalb Millionen Hektar afghanisches Land mit Wasser versorgt werden, was drei Millionen Arbeitsplätze schaffen würde.
Kritik kommt auch bei diesem Projekt von usbekischer Spezialisten, die betonen, dass Wasserkraftwerke mittlerer Größe die Energieprobleme Tadschikistans schneller und günstiger lösen würden. Des Weiteren betonen sie, dass die Kontrolle des Staudamms sowohl bei Tadschikistan als auch bei Afghanistan liegen würde, was angesichts der instabilen Lage dort keine beruhigende Perspektive sei.
Der Orto-Tokoi-Stausee (Kirgistan): Eigentumsfrage endlich geklärt
Der Orto-Tokoi-Stausee liegt auf kirgisischem Territorium, aber bis Oktober 2017 sorgte Usbekistan für seinen Erhalt. Das Kraftwerk wurde zu Sowjetzeiten gebaut. Damals stellte Kirgistan zwar das Territorium zur Verfügung, erbaut wurde der Staudamm aber auf Kosten der Usbekischen SSR (es wird auch gesagt, dass der Bau aus Mitteln der UdSSR finanziert wurde).
Gemäß einem Vertrag zwischen Kirgistan und Usbekistan aus dem Jahr 1991 sollte der Stausee komplett an Kirgistan übergehen, was aber nicht umgesetzt wurde. Usbekistan nutzte ihn für seine Landwirtschaft und begründete sein Recht darauf damit, dass der Damm aus usbekischen Mitteln gebaut wurde.
Am 6. Oktober diesen Jahres wurde im Rahmen eines Staatsbesuchs des damaligen kirgisischen Präsidenten Almasbek Atambajew in Usbekistan eine Vereinbarung zwischen den beiden Staaten unterschrieben, die eine beidseitige Nutzung des Orto-Tokoi-Stausees vorsieht und ihn der Kontrolle Kirgistans unterstellt.
Das Wasserkraftwerk Kambar-Ata-1 (Kirgistan): Ambitionen am Naryn
Was für Tadschikistan Rogun ist, ist für Kirgistan Kambar-Ata-1. Mit dieser Talsperre soll der Fluss Naryn gestaut werden. Es ist ebenfalls ein äußerst ambitioniertes Projekt und ebenfalls nicht im Sinne Usbekistans. Viele Jahre trat Taschkent offen gegen den Bau dieses Kraftwerks ein. Wie im Fall des Rogun-Staudamms betonte Usbekistan, dass Kirgistan nicht alleine über die Wasserressourcen Zentralasiens verfügen könne und sich bei der Entscheidung solcher Fragen mit den Nachbarn abstimmen müsse. Außerdem erinnerte der ehemalige Präsident Usbekistans Islam Karimow mehrmals daran, dass sowohl Kirgistan als auch Tadschikistan hohe Staudämme in Erdbebengebiet bauen.
Doch im Oktober 2017 einigten sich die Präsidenten von Kirgistan und Usbekistan über eine Kooperation beim Bau des Wasserkraftwerks Kambar-Ata-1. Anschließend unterschrieben das usbekische Unternehmen „Uzbekgidroenergo“ und die nationale Energie-Holding Kirgistans ein Memorandum über die Zusammenarbeit bei diesem Projekt. Außerdem schlossen sie einen Vertrag über Stromlieferungen aus Kirgistan nach Usbekistan in den Jahren 2017-2018 ab.
Der Toktogul-Stausee (Kirgistan): Kopfschmerzen für Kasachstan
Der Toktogul-Stausee in Kirgistan bereitet hingegen Kasachstan Kopfschmerzen. Zu Sowjetzeiten diente er in erster Linie der Bewässerung, heute verwendet Kirgistan ihn vor allem für Stromgewinnung. Im Winter wird deshalb besonders viel Wasser abgelassen, im Sommer wird es dagegen gestaut. Kasachstan benötigt jedoch gerade im Sommer Wasser für die Landwirtschaft.
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Damit Kirgistan das benötigte Wasser ablässt, musste Kasachstan in den letzten Jahren Strom beim Nachbarn kaufen. Dieses Jahr weigerte sich Kasachstan erstmals. Der ehemalige Leiter des Toktugul-Wasserkraftwerks Bolot Imanalijew sagte im Interview mit der Nachrichtenseite Sputnik Kirgistan: „Dieses Jahr ist der Zufluss hoch und für die Nachbarn bestand keine Notwendigkeit, kirgisischen Strom zu kaufen, weswegen sie sich geweigert haben. Im Übrigen kann Kirgistan seine Elektroenergie auch so verkaufen. Mit Usbekistan wurde ein Vertrag über den Export von 1,25 Kilowattstunden geschlossen.“
Wie Kasachstan seine Wasserprobleme lösen wird, wenn der Zufluss in den Toktogul-Stausee nicht so hoch ist, wie in diesem Jahr, wird sich zeigen.
Aus dem Russischen von Robin Roth
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