FLUSSGESCHICHTEN. Drei Millionen Menschen in Kirgistan und Kasachstan sind von einem Fluss abhängig, dessen Wasserstand immer weiter zurückgeht. Die JournalistInnen Wlad Uschakow und Irina Bajramykowa sprechen mit einigen dieser Menschen darüber, was die Wasserknappheit für sie bedeutet. Es sind Geschichten von Dankbarkeit, Liebe, Erinnerungen, Veränderungen und Angst. Die folgende Reportage erschien am 26. Januar 2021 auf Vlast. Wir übersetzen sie mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Der Talas ist ein grenzüberschreitender Fluss. Er fängt in den Bergen Kirgistans an und versiegt in der der kasachischen Wüste. Die drei Millionen Menschen aus den zwei Staaten, die im Einzugsgebiet des Flusses wohnen, sind auf den Fluss angewiesen. Sie betreiben hier nämlich Landwirtschaft. Es ist nicht zu übersehen, wie sich der Fluss in den vergangenen Jahren verändert hat: Der Pegel wird immer niedriger. Wie wird sich das Leben der Menschen verändern, wenn es noch heißer wird, während das Wasser zurückgeht?
Im Rahmen des Projekts „Kleine Menschen – Großer Fluss“ reiste eine Gruppe von Journalisten und Ökologen Hunderte von Kilometern entlang des Talas, um diejenigen zu treffen, die sich als die „Menschen des Flusses“ bezeichnen. Sie sprechen mit ihnen darüber, wie sich ihr Leben verändert.
Ein Mann der Straße
Der 41-jährige Bajysbek Scheraliew stammt aus dem Dorf Konesawod in der Region Talas. Seine Arbeit dreht sich rund um die Instandhaltung von Straßen und vor allem um den Otmok-Pass der Talas-Suusamyr-Autobahn auf 3.330 Metern Höhe. Er räumt den Schnee und streut Enteisungsmittel auf den glatten Asphalt.
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„Nach jedem starken Schneefall kommt es zu Stau auf dem Otmok-Pass. Doch früher, zu Beginn meiner Tätigkeit, waren die Schneedecken viel höher“, sagt Bajysbek. Auch in den Flüssen, entlang derer die Straßen verlaufen, sei jedes Jahr weniger Wasser vorhanden. „Das ist alles der Klimawandel“, glaubt er.
Die durchschnittliche Jahrestemperatur in Kirgistan ist in den letzten 100 Jahren um 1,6 Grad Celsius gestiegen, deutlich mehr als die globale Erderwärmung (um 0,6 Grad Celsius). Laut dem dritten nationalen Klimabericht Kirgistans wird bei einer unveränderten Anstiegsrate die Durchschnittstemperatur im Jahr 2100 im besten Fall um 4,7 Grad Celsius höher sein und im schlechtesten sogar um 6,1 Grad Celsius. Der Temperaturanstieg führt zum Schmelzen der Gletscher und dem Absinken des Pegels in den Flüssen. Doch Kirgistan braucht immer mehr Trink- und Bewässerungswasser. Schließlich wächst die Bevölkerung des Landes.
Ein Mann der Erde
Der Wassermangel trifft die Bauern am härtesten. Samat Osmonow ist ein Dekhan (Bezeichnung für einen zentralasiatischen Bauern, Anm. d. Red.). Der Lebensstandard seiner Familie hängt somit direkt von der Bewässerung ab. Auch er wuchs in der Nähe des Flusses Talas auf.
„Solange ich mich erinnern kann, habe ich immer dieses Wasser getrunken, habe es zuhause zum Kochen verwendet. Mit diesem Wasser wird das Vieh getränkt und der Garten bewässert. Und jetzt helfen mir auch meine Kinder, das Wasser aus dem Fluss in Eimern nach Hause zu tragen oder es auf Eseln zu transportieren. Das Problem ist aber, dass es immer weniger und weniger Wasser im Fluss gibt! Mein Großvater sagte, dass zu seiner Zeit das Wasser so hoch stand, dass die Pferde den Fluss nicht überqueren konnten – und heutzutage können sie das problemlos“, erzählt der 40-jähirge Osmonow, „Und ich erinnere mich auch daran, dass in meiner Kindheit das Eis auf dem Fluss im Winter so dick war, dass Karren mit Lasten leicht darüber fahren konnten. Jetzt friert der Fluss zwar zu, aber das Eis ist so dünn, dass man nicht einmal darauf laufen kann!“
Samat zitiert ein kirgisisches Sprichwort: „Wann leidet der Mensch nicht? Wenn viel Wasser vorhanden ist. Wenn alle genug davon haben!“ Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Niederschlag in den Bergen in den kommenden Jahrzehnten zunehmen werde, doch in der Tiefland-Wüstenzone sei eine vermehrte Trockenheit möglich. Dies führe zu einer Wüstenausbreitung und belaste angeschlossene Ökosysteme.
Die Anziehungskraft des Flusses
Wladimir Maser lebt seit 1965 in der Stadt Talas. Er könne sich ein Leben ohne Natur nicht vorstellen, auch wenn alle seine Verwandten nach Deutschland ausgewandert sind. Maser bezeichnet sich selbst als „quasi den letzten Deutschen“ in der Region Talas.
Früher arbeitete er als Jäger. Heute ist er Vorsitzender der Gesellschaft der Jäger und Fischer von Talas. Maser trifft uns an der Quelle des Kara-Kojun Flusses, ein Zufluss des Urmaral-Flusses, der wiederum in den Talas mündet.
„Das Wasser im Fluss ist knapp geworden: War es früher im Frühling und Frühsommer überhaupt nicht möglich, den Fluss zu überschreiten, so kann man ihn jetzt in manchen Jahren in Galoschen überqueren! Ich erinnere mich noch an den 22. November 2006, als der UAZ (ein russisches Geländefahrzeug, Anm. d. Red.) den Fluss wegen der Schneedecke nicht überqueren konnte. Und heute gibt es fast keinen Schnee, von den Fischen sind nur die kleinen übriggeblieben. Deswegen habe ich seit fast zwei Jahren nicht mehr geangelt: Es macht ja keinen Spaß, die winzigen Fische zu fangen“, erzählt Wladimir.
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Klimawissenschaftler sagen voraus, dass der Klimawandel dazu führen könnte, dass die Flüsse Tschüi und Talas in den kommenden 25 bis 50 Jahren 25 bis 45 Prozent ihrer Wassermenge verlieren.
Ein weiteres Beispiel für den Klimawandel, so Maser, ist der Rückgang der Wildtierpopulation. „In dieser Schlucht begann 1988 mein ´Jägerleben´. Damals liefen Wildschweine über die Hänge, Rehe grasten ungehindert. Man konnte sogar das bedrohte Argali (ein Riesenwildschaf, Anm. d. Red.) überall sehen. Ich habe selbst gesehen, wie sie keine Angst hatten, auf die Straße zu gehen. Heutzutage sind die Argali praktisch verschwunden! Und es gibt jetzt auch viel weniger Schneeleoparden“, berichtet er.
„Früher lagen die Temperaturen im Winter bei durchschnittlich -22 bis -25 Grad Celsius. Und jetzt fällt kaum noch Schnee. Und wenn es keinen Schnee gibt, gibt es auch kein Futter. Ein Tier geht ja dorthin, wo es etwas zu fressen gibt“, erklärt Wladimir, „Und was die Rolle der Menschen angeht: Glaubt mir, die Bewohner der Region Talas würden lieber Schafe zum Essen schlachten, als dass sie Argali schießen würden! Wer das tut, ist ein Wilderer! Trotzdem kommt auch das vor. In diesem Jahr wurden zwei weiße Bären erschossen.“
Maser hält ein vollständiges Jagdverbot für eine Lösung. „Wenn es nach mir ginge, würde ich die Schluchten gut schützen und das Jagen für mindestens 10 bis 15 Jahre komplett verbieten. So könnte sich die Wildtierpopulation erholen. Nur der Steinbock ist bislang noch erhalten. Manchmal kommt ein Bär, insbesondere im Herbst, wenn die Hagebutten reifen. Ist es nicht seltsam, von einem Berufsjäger etwas über ein Jagdverbot zu hören? Aber eigentlich ist es ganz logisch: Wenn wir die Tiere nicht schützen, wird es auch keine zum Jagen geben. Und außerdem jagen Berufsjäger niemals bedrohte Tierarten oder Jungtiere. Ein Mensch erlegt das, was leicht zu fangen ist. Und das sind in erster Linie alte Tiere, die sich nicht mehr fortpflanzen. Ein Jäger jagt nicht, um seinen Kühlschrank zu füllen, sondern aus beruflicher Leidenschaft“, erklärt er.
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Maser findet auch, dass es unabdingbar sei, die Anzahl der Weidetiere zu regulieren. „Die Hirten werden das Vieh grasen lassen, weil es eine lebenswichtige Notwendigkeit ist. In den 1990er Jahren hat hier jedoch fast kein Vieh geweidet und jetzt leben die Menschen von Subsistenzwirtschaft. Mit jedem Jahr gibt es mehr und mehr Herden von kleinen und großen Rindern und Pferden in ein und derselben Schlucht! Hinzu kommt, dass jeder Hirte noch fünf bis sechs Hunde hat. Eine so große Anzahl von Tieren auf einer Fläche führt zu Überweidung und letztlich zu Bodendegradierung und dem Verlust der Artenvielfalt“, stellt er fest.
Der Jäger erzählt von einem kürzlichen Fall, als er vier Fischer im Urmaral aufgehalten hat. Sie haben 103 Forellen gefangen. „Die essen die Forellen ja nicht auf! Ganz offensichtlich sind das keine Fischer, sondern Händler. Die menschliche Gier stört die Natur“, ist sich Maser sicher.
Der Fischunternehmer
Mysa Dschantschikulow ist 54 Jahre alt, die meiste Zeit davon hat er in der Stadt Talas gelebt. Seit seiner Kindheit fischt er am Fluss Urmaral, dem größten Zufluss des Talas. Jetzt ist Dschantschikulow seinem langjährigen Traum ein Stück nähergekommen: Er hat leere, seit 1974 verlassene Teiche für 10 Jahre gemietet, sie gereinigt und sie mit Fischen bestückt. Er träumt davon, die Wilderei einzudämmen, den Leuten Arbeit zu geben und ein Gebiet der Erholung, unter anderen für Hobbyangler, zu schaffen.
„Dies wird dazu beitragen, die Artenvielfalt in diesem Gebiet zu erhalten und die Umwelt zu schützen. Ich möchte, dass wir lernen, die Erde zu ehren, auf der wir geboren und aufgewachsen“, sagt Mysa.
Gemeinsam mit einem Unternehmen aus dem Nachbardorf hat Mysa die Trinkwasserversorgung hier sichergestellt. Das Abwasser wird zudem aufbereitet und zur Bewässerung genutzt. Momentan ist der Unternehmer damit beschäftigt, das Gelände zu bereinigen. Dazu hat er Enten gekauft, die er in das Schilf gesetzt hat, welches rund um die Teiche wächst. Er baut Mais an, damit er seine Enten füttern kann.
Mysa wünscht sich, dass mehr Kirgisen Fisch essen. Es müssten weniger Nutztiere zur Schlachtung gezüchtet werden, wodurch es eine größere Ernährungssicherheit gäbe.
Die Fischer
Dass das Wasser im Talas zurückgeht, bemerken nicht nur die Älteren, sondern auch die Jüngeren. Marat uulu Bajrak ging von klein auf mit seinem Vater, einem begeisterten Fischer, zum Fischen an den Talas.
„Es gab sehr viele Fische, auch sehr große. Es war nicht ungewöhnlich, dass mein Vater Fische mit einem Gewicht von 40 Kilogramm fing. Und nun sitze ich sehr lange am Ufer. Es gibt zwar Fische, aber nur wenige. Die paar, die es gibt, sind klein. Die Wilderer fischen mit Netzen alles Mögliche und geben den Fischen keine Chance, nachzuwachsen“, erzählt Marat.
Heute geht Marat zum Fischen zur Kirow-Talsperre. Sie befindet sich an der Grenze zu Kasachstan in der Tschon-Kapka-Schlucht. Sie dient hauptsächlich als Wasserspeicher für die Bewässerung von Äckern im Talas-Tal und in Kasachstan. Viele Menschen kommen jedoch zur Erholung oder zum Angeln her.
„Unsere Nachbarn nutzen auch dieses Wasser“, er zeigt auf die nahegelegenen Hänge, „Schaut, man kann mit bloßen Augen sehen, wie der Wasserstand gesunken ist! Irgendwann war er nicht niedriger als diese Bäume, die auf den Hängen gewachsen sind. Es gibt einfach nicht genug Wasser und bald bekommen wird das zu spüren.“
Der heilende Fluss
Saken Dschumakeewoj aus dem Dorf Boo-Terek ist 86 Jahre alt. Der Fluss habe ihr und ihrem Mann ein langes Leben und Gesundheit geschenkt. Sie beten regelmäßig zu Allah und danken ihm für die Vielzahl der natürlichen Quellen in ihrer Heimat Kirgistan. „Wenn der Ursprung einer Quelle rein ist, ist auch ihre Mündung rein. Wenn unsere Gedanken rein sind, sind auch unsere Taten ehrenhaft.“ In Kirgistan gibt es Hunderte von Quellen, aus denen man trinken, Wasser schöpfen und es nach Hause bringen kann.
Menschen wie Flüsse
Die Kirgisen verehren schon immer den Fluss Talas und seine zahlreichen heiligen Quellen. In der Nähe des Ufers bauten Menschen Masare (heilige Stätten, Anm. d. Redaktion). Die traditionelle Heilerin Erkinbubu Tschomoewa erzählt vom Masar Kanykej-Bulak, der sich in der Nähe des Kenkol-Flusses befindet, ein Nebenfluss des Talas.
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„An einer Quelle sitzen und das Wasser nicht trinken – das geht nicht“, sagt Tschomoewa und zählt eine lange Liste von Krankheiten auf, die das Wasser aus verschiedenen Quellen angeblich heilt. „Früher war das Gebiet hier verlassen, aber dann kamen Aktivisten, die das Gelände verschönert haben. Die Natur und die Quellen muss man mit Freundlichkeit und Liebe behandeln. Man muss achtsam damit umgehen und sie schützen. Indem wir die Quellen retten, retten wir unser Land. Es lehrt uns, freundlich und entgegenkommend zu sein. Die Welt um sich herum zu lieben und für sie zu sorgen“, sagt Erkinbubu.
Die Eltern und Kinder des Flusses
Elnur Kajnasarowa stammt aus dem Dorf Kopuro-Basar. Die gelernte Ingenieurin ist heute Mutter von mehreren Kindern und Hausfrau. Man müsse seinen Kindern von klein auf beibringen, das Wasser zu schätzen, es nicht zu verschmutzen und sparsam zu verwenden. Genau das haben ihr ihre Eltern und Großeltern beigebracht.
„Die Liebe zum Wasser und der achtsame Umgang damit wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Ein mangelnder Respekt gegenüber dem Wasser birgt ein großes Potenzial für soziale Konflikte“, stellt Elnur fest. Sie ist der Meinung, dass die Bergbauindustrie nur mit fortschrittlichen, umweltschonenden Technologien betrieben werden sollte.
Kopura-Basar gilt als ein wohlhabendes Dorf. Viele betreiben hier Viehzucht oder sind in der Landwirtschaft für den Export nach Kasachstan tätig. Wie viele andere ist dieses Dorf an Flüssen gelegen, die in den Talas münden, in dessen Nähe Gold abgebaut wird.
„Der goldene Fluss“
Der Ökologe Gamal Soronkulow nennt den Talas einen „goldenen Fluss“. Direkt an den Quellen des Flusses befinden sich primäre Goldlagerstätten: Dtscheruj am Tschu-Koschoj-Fluss, Andasch und Aktasch am rechten Ufer des Karakol-Flusses. Flussabwärts, quasi an den Mündungen jedes Nebenflusses des Talas, befinden sich noch mehr Erz- und Goldvorkommen.
Gamal, der aus der Region Talas stammt, kann viele interessante Dinge über den Fluss erzählen, an dem er aufgewachsen ist. „In der Flussaue befindet sich ein wunderschöner Wald. Wie reich Kirgistan ist! Als wäre es erst gestern, kann ich mich daran erinnern, wie Schwärme von Möwen, Kormoranen und Reihern in der Nähe des Kirow-Sakasnik (sowjetisches Naturschutzgebiet, Anm. d. Red.) überwinterten“, erzählt Soronkulow.
Gespeist vom geschmolzenen Schnee der Gletscher fließt der Talas 661 Kilometer bis in die Moıynkum -Wüste, wo er schließlich versiegt. Im Flachland wird das Flusswasser zur Bewässerung genutzt und ist daher seit vielen Jahren für die benachbarten Staaten – Kirgistan und Kasachstan – von großem Interesse.
„Er ist ein Fluss der guten Nachbarschaft und es ist sehr wichtig, dass er nicht zum Fluss der Zwietracht um Wasser wird!“, betont der Ökologe, „Seit Jahrtausenden gibt der Talas den Menschen Wasser, das sie nährt und tränkt. Wir müssen das Wasser sauber halten und einen Wasserkonflikt mit dem brüderlichen Kasachstan verhindern.“
Gamal Soronkulow betrachtete es als Ehrensache und als seine persönliche Aufgabe, zu verhindern, dass die Seifenlagerstätten am Fluss erschlossen werden. „Das würde zu einer Zerstörung des gesamten Ökosystems des Flusses und des Talas-Tals führen. Sie würden das Flussbett verändern, die Weiden degradieren, die Flora und Fauna der Region ausrotten“, sagt er, „Und für welchen Zweck? Um eine geringe Menge an Gold abzubauen. Das ist inakzeptabel!“
Der Experte erklärt es folgendermaßen: „Schätzungen zufolge birgt die Uramal-Lagerstätte 11 Kilogramm Gold. Doch die Lagerstätte befindet sich auf einer 600 Hektar großen Fläche eines wunderschönen Auwaldes! Das bedeutet, dass ein Hektar sauberes Flussbett, Wälder und Weide mit einem Wert von 7.000 US-Dollar für weniger als 10 Dollar ´verkauft´ wird.“
Der Ökologe ist nicht prinzipiell gegen den Bergbau, aber Umwelt- und Gesundheitsauflagen müssten eingehalten werden. Zudem müssten die Gewinne gerecht verteilt werden. Niemand bestreite, dass die gottgegebene Natur ein großes Naturkapital ist. Doch nur unter einer Bedingung: Wenn es vernünftig genutzt und nicht barbarisch zerstört werde.
Das Talas-Flussgebiet ist die Heimat von etwa drei Millionen Menschen in Kirgistan und Kasachstan. Im Jahr 2000 unterzeichneten die Länder ein bilaterales Abkommen über die Nutzung der Wasserversorgungswerke am Fluss Talas. Das Dokument verpflichtet Kasachstan, Kirgistan einen Teil der Kosten für die Instandhaltung und die Reparatur von Kanälen, Dämmen und Stauseen zu erstatten, die Eigentum der Kirgisischen Republik sind, aber beide Länder mit Wasser versorgen. Das Abkommen legt nicht fest, welcher Teil des Flusses welchem Staat angehört. Somit bleibt das Prinzip der gleichmäßigen Aufteilung von Ressourcen erhalten, das bereits zur Zeit der Sowjetunion galt. Kasachstan beschwert sich jedoch regelmäßig darüber, dass es nicht die vereinbarte Menge an Wasser erhält. Allerdings leidet Kirgistan selbst unter einer Wasserknappheit.
Die Tschu-Talas-Wasserkommission ist dabei ein einzigartiges Beispiel für die Zusammenarbeit im Bereich der Wassernutzung: Es werden gemeinsam Wasserbauwerke betrieben, gemeinsame Lösungen für Probleme in der Wasseraufteilung gesucht und auch die Finanzierung erfolgt auf kooperativem Wege. Dabei richtet sich die Kostenbeteiligung proportional nach der Wassermenge, die das jeweilige Land erhält. Gleichzeitig ist es ein außergewöhnliches Beispiel für die internationale Zusammenarbeit in der Anpassung an den Klimawandel in grenzüberschreitenden Flusseinzugsgebieten.
Nichtdestotrotz ist die Wasserknappheit in Angesicht des sich beschleunigenden Klimawandels und des Einflusses des Menschen ein ernstzunehmendes Problem für die Beziehung der Nachbarstaaten. Die Spannungen könnten proportional zu einem sinkenden Flusspegel steigen. Werden die Länder rechtzeitig etwas verändern können?
Weitere Fotos im Originalartikel auf Vlast
Wlad Uschakow und Irina Bajramykowa
Aus dem Russischen von Jana Rapp
Das Projekt „“Developing Journalism – Exposing Climate Change”“ zielt auf die Identifizierung und Lösung von Problemen des fortschreitenden Klimawandel durch die Entwicklung und Stärkung unabhängiger Medien in Zentralasien. ExpertInnen des Zentrums für Medien-Entwicklung (Kirgistan) sowie der Redaktionen von Anhor.uz (Usbekistan), Asia-Plus (Tadschikistan) und Vlast (Kasachstan) leisten Unterstützung als MentorInnen. Das Projekt wurde von n-ost (Deutschland) und dem Internationalen Zentrum für Journalismus MediaNet (Kasachstan) mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) umgesetzt.
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Stephan, 2021-04-29
Schön, dass ihr diesen Beitrag von „Vlast“ nun auch übersetzt habt. Ich hatte ihn zwar schon im Original dort gelesen und war begeistert. So kann ich aber die deutsche Version mit Freunden teilen. Vieles ruft Erinnerungen hervor: der schneebedeckte Ötmök-Pass, den ich viele Male noch vor der Asphaltierung überquert habe, Herr Maser und die Seitentäler des Talas, die wir durchwandert haben, sowie die vielen einfachen, herzlichen Menschen im Talas-Tal und ihre Verbindungen zur Geschichte der Deutschen in Kirgistan, die dort Ende des 19. Jahrhunderts die ersten deutschen Dörfer in Zentralasien gründeten.
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