Die Sowjetunion hat Kirgistan und Kasachstan nicht nur als Länder begründet, sondern in den über 70 Jahren ihres Bestehens auch ihre Spuren auf dem Gebiet und in den Köpfen hinterlassen. Der erste Teil unserer Fotoreportage über das sowjetische Zentralasien ist den Statuen gewidmet, die es aus dem 20. Jahrhundert geerbt hat.
In dieser Zeit wurden ganze Städte in der bis dahin menschenleeren Steppe hochgezogen: die hier verborgenen Rohstoffe wurden zu einem Standbein der sowjetischen Industrie. Das hauptsächlich von Nomaden bevölkerte Zentralasien nahm so innerhalb weniger Jahre ein neues Gesicht an – jenes, welches wir heute kennen.
Das heutige Stadtbild ist noch immer das vergangener Zeiten, mit seinen Grünflächen und der grauen Einförmigkeit der Gebäude.
Nach der Unabhängigkeit im Jahr 1991 hat man die Spuren der Sowjetzeit belassen, statt sie, wie in Osteuropa, zu zerstören. Die Statuen Lenins, welche in der Ukraine umgestürzt wurden, finden sich noch gut erhalten in Kasachstan wie in Kirgistan. Monumente des Großen Vaterländischen Krieges, Hämmer und Sicheln, sowie Mosaike, die den sowjetischen Fortschritt und die Großtaten einzelner Bürger preisen, schmücken noch heute die Städte und sind Teil des Alltags.
Lenin, immer aufrecht
In Osteuropa und zum Teil auch in Russland verschrien, ist Lenin in den zentralasiatischen Städten präsent geblieben. In Bischkek findet man seine Statuen in mehreren Parks, mitunter auch in den Eingangshallen von Universitäten. Während er nach wie vor im Zentrum kirgisischer Städte steht, ist Lenin in Kasachstan, wo er oft von den Behörden umgestellt wurde, weniger sichtbar.
Eine Lenin-Statue am Eingang einer der beliebtesten sowjetischen Ferienanlagen in der Stadt Cholpon-Ata, am Ufer des Issyk-Kul-Sees in Kirgistan.
Einst auf dem zentralen Platz Bischkeks, der kirgisischen Hauptstadt, stehend, wurde die Statue Lenins 2003 hinter den Platz verbannt. Sie thront heute mit dem Gesicht zum Regierungssitz, die offene Hand zeigt nach Norden, nach Russland.
Auf einem Platz in dem Badeort Cholpon-Ata schaut Lenin auf den Issy-Kul-See, die Perle Kirgistans, von den drohend aufziehenden Wolken unbeirrt.
Am Südufer des Issyk-Kul-Sees in der früheren Uranbergbau-Stadt Kaji-Say. Lenin steht vor dem Haus der Kultur, ebenfalls ein sowjetisches Erbe, das große Schriftsteller wie Tschingis Aitmatov hervorgebracht hat.
In Terek-Say, einer kirgisischen Minenstadt, steht ein kleinerer Lenin, verblieben im Herzen eines an Gold und anderen seltenen Erzen reichen Gebirges. Trotz seiner Aufsicht sind die Minen heute verlassen oder werden individuell und ohne Aufsicht ausgebeutet.
In Petropavlovsk, einer Stadt an der russischen Grenze im Norden Kasachstans. Lenin steht nicht mehr im Zentrum. Er ist stattdessen in einem Park platziert worden, ohne Sockel oder Beschriftung. Immerhin legen manche noch immer Blumen zu seinen Füßen ab.
Im Nordosten Kasachstans, in der Stadt Semipalatinsk, dem ehemaligen Zentrum für Nuklearversuche der Sowjetunion. Eine imposante Lenin-Statue wurde in einem kleinen, dezentralen Park abgestellt, neben Marx, Engels und weiteren.
Die sowjetischen Statuen zwischen Krieg, Revolution und Fortschritt
Eine Statue von Anna Prokoficheva in der nunmehr kasachischen Stadt Petropailovsk, deren Einwohner noch immer zu 80% Russen sind. Anna Prokoficheva war eine der weiblichen Figuren in den ersten Stunden des Kommunismus, sie kämpfte gegen die Weiße Armee und wurde 1918 erschossen. Dieses sowjetische Symbol steht jetzt zwischen Rohrleitungen und Wohnblöcken in einem abgelegenen Teil der Stadt.
Im Süden Kasachstans in der ehemaligen Hauptstadt Almaty (früher Alma-Ata), befindet sich ein eindrucksvolles Denkmal des Zweiten Weltkriegs im Panfilov-Park, gleich hinter der orthodoxen Kirche. Es ist eine Attraktion und ein Ort für Gedenkfeiern zu Ehren der für das Vaterland Gestorbenen.
Noch weiter im Süden, in dem Dorf Chelpek nahe der Stadt Karakol in Kirgistan, erinnert dieses Denkmal an die Kriegstoten des kleinen Dorfes während des Großen Vaterländischen Krieges. Heute befindet es sich neben der neuen Moschee des Dorfes.
In Bischkek, vor dem alten Flughafen, empfängt den Besucher die Statue eines namenlosen russischen Fliegers in der Halle, die zu dem stillgelegten Rollfeld führt. Sie wurde umfunktioniert zu einem Büro für Registrierungen und andere amtliche Dokumente (Pässe, Personalausweise, etc.).
Anatole Douaud
Mitgründer von Novastan.org