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Das Chatkal-Tal – ein „kirgisisches Klondike“: über Bergbau, Isolation und Korruption

Isoliert im Westen Kirgistans erlebte das Chatkal-Tal einen wahren Goldrausch. Und wie im amerikanischen Klondike des 19. Jahrhunderts gilt das Gesetz: der Stärkere gewinnt. Die Armut und Isolation dieses Tals, das teilweise mehrere Wochen im Jahr vom Rest der Welt getrennt ist, verschlimmern die Situation.

Bartholome Dovaud sarahb 

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Das Chatkal-Tal in Kirgistan
Das Chatkal-Tal in Kirgistan

Isoliert im Westen Kirgistans erlebte das Chatkal-Tal einen wahren Goldrausch. Und wie im amerikanischen Klondike des 19. Jahrhunderts gilt das Gesetz: der Stärkere gewinnt. Die Armut und Isolation dieses Tals, das teilweise mehrere Wochen im Jahr vom Rest der Welt getrennt ist, verschlimmern die Situation.

Das Tal erstreckt sich lang, verbreitert sich in der Mitte, um sich an den Enden wieder zu verengen. Hohe Berge umzingeln einige spärlich verteilte Dörfer, die miteinander durch asphaltierte und Schotterstraßen verbunden sind. In der Mitte des Tals liegt eine heilige Quelle aus den Zeiten der Seidenstrasse, zu der selten Pilger ziehen. Die Überreste der Stätte sind verfallen.

Das Tal verbirgt jedoch Reichtümer wie Kupfer, Gold, Eisen und Antimon unter der Erde. Weit entfernt von der Hauptstadt und allen Behörden lassen sich hier chinesische, kasachische, britische und lokale Firmen, einige von ihnen für ein oder zwei Jahre, andere auch für länger Zeiträume mit grossen Investitionen verbunden, nieder.

Das Chatkal-Tal in Kirgistan

In diesem „Kirgisischem Klondike“, wie es die Zeitung Komsomolskaia Pravda nennt, sind illegale Goldwäsche und gefährliche aber profitable Förderung eine Möglichkeit der extremen Armut der umliegenden Dörfer zu entfliehen. Daran erinnerte der Tod dreier Männer am 14. Februar diesen Jahres in einer verlassenen Mine im Dorf Terek-Say. Dies wird auch vom Minister für Ausnahmesituationen des Chatkal-Tals, Altynbek Souleimanov, auf Sputnik.kg verurteilt. Eine Studie der Weltbank auf Landesebene belegt, dass einige tausende Menschen über 5500 illegale Förderungen betreiben, um sich einen Teil kirgisischen Reichtums zu sichern. Das Chatkal-Tal im Westen des Landes ist einer der Hauporte dieser Aktivitäten. Durch den Fall des Rohstoffwechselkurses auf dem Weltmarkt und dem schwierigen Geschäftsklima in Kirgistan scheint dieser Goldrausch nun jedoch zu verebben. Die Investitionen in den Bergbausektor sind zwischen 2013 und 2014 von 26,7 Millionen auf 1,7 Millionen Dollar um über 90% gesunken.

Die enttäuschten Hoffnungen der Bergbauentwicklung in Chatkal

Zu Beginn trug dieser Goldrausch viel Hoffnung in die abgeschiedene und isolierte Region, die sich schon als kirgisisches Eldorado sah. Bei einer Bevölkerung, die hauptsächlich von Landwirtschaft und Viehhaltung lebt, und stark von Arbeitslosigkeit und saisonaler Migration betroffen ist, schien das Gold die Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu sein.

Das Chatkal-Tal in Kirgistan

Mit knappen 25 000 Menschen, fällt es der Chatkal-Region schwer, einen Platz in den öffentlichen Debatten zu diesem Thema zu finden. Hauptsächlich drehen sich diese um die grosse Kumtor-Mine (dessen Erträge in manchen Jahren 15% des BIP Kirgistans darstellen) in der Issyk-Kul Region.

Das Gold ist noch immer da, dennoch ist das Tal von Geisterstädten übersät, nur von Greisen, Kleinkindern und einigen Frauen belebt. Der Hauptgrund für diese spärliche Bevölkerung ist die Abgeschiedenheit des Chatkal-Tals, das von zwei Pässen, dem Tchaptchima (2850m) und dem Kara-Buura Pass (3460m) vom Rest des Landes getrennt ist. Die Frauen und Männer im arbeitsfähigem Alter versuchen in der Hauptstadt Bischkek oder in Russland Arbeit und eine bessere Zukunft zu finden.

Chaarat Gold, eine am London Stock Exchange aufgeführte und von gestandenen internationalen Unternehmern geleitete Firma, hat ebenso Schwierigkeiten, ihr Bergwerk zu erreichen. Ein Hubschrauber, eine brandneue Strasse und ein Hochspannungsleitung, die eigens dem Zugang des Bergwerks dienen, reichen nicht aus, um dem Schnee des Tien Shan zu trotzen. Die ertragreichste Firma der Region ist gezwungen ihre Aktivität im Winter einzustellen.

Bei starkem Schneefall ist das ganze Tal mit seinen 25 000 Einwohnern isoliert. Chaarat Gold ist im Übrigen nicht die einzige Bergbaufirma die ihren Betrieb Ende Dezember 2014 wegen Schneefall und Kälte einstellen musste. Schuld daran ist eine unzureichende und nicht instand gehaltene Infrastruktur.

Erhebliche Umweltprobleme

Neben den zerbrochenen Träumen wird der Bergbau oft im Unwissen der lokalen Bevölkerung betrieben und führt zu schwerwiegenden Umweltproblemen, ohne dass die Einwohner auch nur einen Blick auf das Gold werfen konnten. Eine chinesische Firma hat zum Beispiel das ganze Flussbett des Kasan-Sai umgegraben, um Gold zu befördern und dabei Zyanid verschüttet. Dieses Gift hat verheerende Auswirkungen auf die Bäume am Flussufer. Die gleiche Firma hat es anscheinend auch versäumt, 600kg Gold zu deklarieren, die daraufhin in den chinesischen Schwarzmarkt flossen.

Die zahlreichen Gegenaktionen in Form von Beschwerden und Demonstrationen der Bewohner oder die Mahnungen der kirgisischen Regierung bleiben unwirksam. Der Abbau im Flussbett des Kasan-Sai wird weiterhin betrieben. Die versprochenen Wohltaten der Bergbauindustrie scheinen nur ein Traum mit teilweise schwerwiegenden Folgen gewesen zu sein.

Das Chatkal-Tal in Kirgistan

Wie es der Bericht „Mining in the Chatkal valley“ der University of Eastern Finland bezeugt, ist die Realität weit davon entfernt, rosig zu sein. Die Demonstrationen gegen die Bergwerke haben sich seit 2011 mehr und mehr radikalisiert. Die Dorfbewohner beschuldigen die Bergbauarbeiter zu Recht oder Unrecht das Wasser zu verschmutzen und die Erträge nicht zu verteilen. Um dieser Unzufriedenheit entgegenzuwirken haben die Bergbaufirmen eine Reihe sozialer Projekte begonnen und, zum Beispiel, neue Strassen, Schulen und Administrationsgebäude gebaut. Es wurde sogar ein Entwicklungsfond in Chatkal angelegt.

Aber diese Ansätze der chinesischen und britischen Firmen werden schnell von der Korruption der kirgisischen Administration getrübt. Die kirgisische Tageszeitung Vechernii Bichkek hat im Januar den Raub von 8 Millionen Som (115.000 Euro) aus dem Haushalt von Kanych-Kya, dem administrativem Zentrum des Tals bestätigt. Im Oktober 2014, hat der Verwalter des Entwicklungsfond von Chatkal (dessen früherer Verwalter 2013 festgenommen wurde) 2 Millionen Som (30.000 Euro) abgezweigt.

Isolation – nichts Neues

Die Bewohner von Chatkal befinden sich weit entfernt von den Sorgen in der Hauptstadt, bestätigt Azat, der in Kanych-Kya lebt. Während der Revolution im April 2010 hat die Nachricht des Falls von Präsident Bakiev eine Woche gebraucht, um die Bewohner zu erreichen. Der Bürgermeister von Ak-Tach hat Vechernii Bichkek erklärt, dass sie mehrmals 10 bis 15 Tage am Stück im Winter vollkommen von der Zivilisation abgeschnitten sind. Kranke im Dorf befinden sich zu dieser Zeit in Lebensgefahr, mangels eines Krankenhauses im Tal.

Das Chatkal-Tal in Kirgistan

Dennoch gibt es noch Hoffnung. Eine chinesische Firma, die das Kuru-Tegerek Bergwerk im Norden des Tals betreibt, hat eine Strasse im Zentrum von Kanych-Kya wiederhergestellt und beschäftigt Menschen aus dem Dorf. Azat, ein Hirte, freut sich über die Entwicklung der Bergbauindustrie. Trotz der früheren Fehler verbessert sich die Lage. Dennoch ist man noch weit von einem angemessenem Zustand entfernt. Vielleicht wird Azat diesen Frühling ein weiteres mal nach Russland gehen, um dort Geld zu verdienen, obwohl dies mit dem sinkenden Rubelwert weniger interessant geworden ist. Denn wie für viele andere Bewohner des kirgisischen Südens, gibt es für ihn neben dem Goldgraben und dem Aufbruch nach Russland nicht viele Möglichkeiten.

Anatole Douaud

Aus dem Französischen übersetzt von Sarah Buss

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