Sara Izzi ist eine Reisebloggerin, die ursprünglich aus der italienischen Stadt Sora, nahe Rom, stammt. Heute lebt sie in Schottland, wo sie seit drei Jahren als Content Managerin arbeitet. Ihr Job ist es, den Inhalt von Webseiten zu optimieren und darin ist sie sehr gut. 2014 startet sie ihren eigenen Reiseblog „The Lost Avocado“, gemeinsam mit dem Reisefilmemacher Timur Tugalev. Der Blog steigt schnell zu einem beliebten Portal auf. Vor allem ihre Videos über Zentralasien sorgen für weltweites Staunen. Dieses Interview wurde uns mit freundlicher Genehmigung der Redaktion der Deutsche Allgemeinen Zeitung (DAZ) , die wöchentlich aus Almaty berichtet, zur Verfügung gestellt.
Was ist die Geschichte hinter „The Lost Avocado“? Warum hast du den Blog gestartet und wie kamst du auf den Namen?
Ich hatte bereits einen persönlichen Blog, als ich noch Studentin war. Ich reiste viel und wollte diese einzigartige Zeit und die vielen Eindrücke mit meinen Freunden teilen. Ich startete den Reiseblog vor zwei Jahren und realisierte mit der Zeit, dass mir nicht nur meine Freunde folgten, sondern auch andere Leute. Es überrascht mich noch heute, wenn mir jemand eine E-Mail schickt, um einfach nur „Hi“ oder „Danke“ zu sagen für meinen Blog. Mit dem Namen „The Lost Avocado“ versuche ich, die Idee von etwas Exotischem zu übermitteln (die Avocado gilt in Italien als exotisch), das ich entdecke und mich darin verliere. Das bedeutet für mich Reisen. Ich denke: verliere dich, um dich selbst wiederzufinden, jederzeit und überall! Wie auch immer, am Ende ist es einfach nur ein verrückter Name, der im Gedächtnis bleibt. Das ist wichtig, wenn ein Blog erfolgreich sein soll.
Für viele ist es ein Traum: Reisen und Schreiben. Kannst du davon leben?
Timur und ich arbeiten beide Vollzeit, aber seit kurzem verdienen wir auch Geld mit dem Blog. Wir erhalten immer mehr Aufmerksamkeit, auch von Tourismusunternehmen, die mit uns arbeiten wollen. In den vergangenen Monaten ist das Interesse an „The Lost Avocado“ so gestiegen, dass wir darüber nachdenken, Leute einzustellen, die uns helfen. Es erscheint für Außenstehende vielleicht nicht als sehr schwierig, aber es ist harte Arbeit, um als Reiseblogger und Filmemacher erfolgreich zu sein. Dazu gehört eine große Portion Leidenschaft – aber auch Opfer, die man geben muss. Zumindest, wenn man so ins Detail besessen ist, wie wir es sind.
Es gibt so viele Reiseziele, warum fiel die Entscheidung auf Kirgisistan und Kasachstan?
Timur wuchs zwischen Argentinien und Großbritannien auf, aber er wurde in Almaty geboren. Wir wollten Kasachstan, seine Geburtsstätte, besuchen als eine Reise durch seine Vergangenheit. Für mich war alles neu, da ich das erste Mal in Zentralasien war. Ich wollte das Beste daraus machen! Daher planten wir auch einen Road Trip durch Kirgisistan. Die Länder sind faszinierend schön und niemand erwägt sie als Reiseziele in Italien – noch nicht!
Was macht Zentralasien in deinen Augen besonders?
Zentralasien ist noch immer ein Mysterium für Menschen aus Europa oder aus den USA. Die Landschaft ist riesengroß und von einer atemberaubenden Natur gekennzeichnet. Die Berge, die Wüsten, Canyons, Seen, Wälder und Steppen und mitten drin kleine Dörfer oder Metropolen wie Almaty. Es ist eine Welt voller Wunder mit einer faszinierenden Kultur, vielen verschiedenen Traditionen und Nationalitäten, die nebeneinander leben. Und das Essen ist ausgezeichnet! Müsste ich Zentralasien in drei Worten beschreiben, würde ich sagen: faszinierend, atemberaubend und unterschätzt.
Wie reagierten deine Eltern und Freunde auf deinen Wunsch, nach Zentralasien zu reisen?
Meine Eltern waren überrascht, aber sie freuen sich, dass ich die Chance erhalte, so schöne Orte zu besuchen. Sie waren neugierig auf meinen Reisebericht und die Fotos. Meiner Erfahrung nach, denken die meisten Europäer, dass Zentralasien ein gefährlicher Ort sei. Viele meiner Freunde kennen Kasachstan nur aus dem Film „Borat“. Ich habe den Film nicht einmal gesehen. Ich mag keine Vorurteile und meiner Meinung nach, gibt es zu viele davon über Zentralasien. Daher bin ich glücklich, all das Bild– und Filmmaterial mit der Welt teilen zu können, um Menschen zu motivieren, Almaty, Kasachstan, Kirgisistan – Zentralasien zu besuchen.
Was waren deine Erwartungen, bevor du nach Kasachstan und Kirgisistan gereist bist, und wie sah die Realität aus, als du dort warst?
Ich hatte keine wirklichen Erwartungen. Mir war bereits bewusst, dass Almaty eine moderne Stadt ist und ich hatte mich sehr darauf gefreut. Ich war auch sicher, dass die Menschen in Zentralasien sehr gastfreundlich sind, daher war ich überzeugt, dass alles problemlos verlaufen würde. Und so war es auch. Ich war erstaunt von der Gastfreundschaft der Menschen, wie freundlich die Einwohner uns auf unserem Weg begegneten. Wir erhielten Einladungen von vielen Familien, bei ihnen zu essen. Ich fühlte mich wie zu Hause! Ich möchte eines Tages zurückkommen und all diese wunderbaren Menschen wieder in die Arme schließen.
Kannst du den Reiseverlauf in wenigen Worten Revue passieren lassen?
Ich besuchte Kasachstan zusammen mit Timur. In Kirgisistan begleiteten uns ein einheimischer Fahrer und Timurs Vater, der ein leidenschaftlicher Bergsteiger und Fotograf ist. Wir verbrachten zwei Wochen in Almaty, wo wir auch Medeo, Shymbulak, Talgar Peak, Großen Almaty See und die Charyn Canyon besuchten. Wir hatten das Vergnügen, Gäste im Ritz Carlton Hotel in Almaty zu sein, auf dessen Dach man einen bemerkenswerten Blick über die Stadt hat. Anschließend fuhren wir mit dem Auto nach Bischkek, wo wir den Burana Tower, den Issyk Kul und den Song Kol See besuchten. Dort schliefen für eine Nacht in einer Jurte. Außerdem verbrachten wir zwei Nächte in Karakol.
Ihr habt die Reise in zwei Videos festgehalten, die auch die Aufmerksamkeit von renommierten Zeitungen und Magazinen auf sich zogen, wie die National Geographic, El Pais, The Huffington Post, The Traveller und viele mehr. Kam dieser Erfolg überraschend?
Viele unserer Videos wurden bereits in internationalen Magazinen veröffentlicht, aber „Lost in Kazhakstan“ und „Lost in Kyrgyzstan“ verbreiteten sich unglaublich schnell. Wir hatten mit einem guten Feedback gerechnet, vor allem seitens der Menschen aus Zentralasien, die unsere Videos gern mit ihren Freunden teilen. Sie sind stolz auf ihr Land und das zu Recht! Wir haben einen verborgenen Edelstein aufgedeckt und dessen Schönheit den Europäern gezeigt, für die Zentralasien weitgehend unbekannt ist.
Wie hast du dich mit den Menschen in fernab liegenden Regionen in Kasachstan und Kirgisistan verständigt, wo niemand Englisch oder Italienisch spricht? Sprichst du Russisch?
Ich spreche nicht fließend Russisch, nur einige Worte und Sätze, meist haben die mit Essen zu tun. Timur spricht perfekt Russisch und hat mir beim Übersetzen geholfen. Aber ich hätte wohl auch so keine Kommunikationsprobleme gehabt. Wir Italiener können mit unseren Händen sprechen. Bisher hat mich immer jeder verstanden, auch wenn ich nicht seine Sprache spreche. Es ist ein Teil des Spiels, das ich so mag: Neue Wege finden, sich mit anderen Menschen zu verbinden allein über ein Augenzwinkern oder über eine Handbewegung, die im Restaurant signalisiert „Nein, Danke“ oder „Noch ein wenig mehr davon, bitte“. Auf dieser Weise sammle ich die lustigsten Anekdoten, die man nie vergisst.
Welche Momente aus Zentralasien sind dir besonders in Erinnerung geblieben?
Ich werde niemals die sternenklare Nacht am Song Kol See in Kirgisistan vergessen. Ich schlief in einer traditionellen Jurte das erste Mal in meinem Leben, mitten im Nirgendwo, weit weg von Italien und allem, das mit vertraut ist. Fallende Sterne glitten am Himmel entlang und hinterließen leuchtende Narben über unseren Köpfen. Das ist ein magischer Moment, den jeder einmal erleben sollte. Ich vergesse auch niemals, wie sich das Licht in den goldenen Kuppeln der Senkow-Kathedrale spiegelte, während die Glocken läuteten. Plötzlich schien das alltägliche Leben unbedeutend in Anbetracht des wundersamen Lichtspiels und des endlosen Lernens, wie schön die Welt ist.
Was kommt als Nächstes? Gibt es Pläne, Zentralasien erneut zu besuchen?
Anfang 2017 werden Timur und ich einen Monat in Asien verbringen. Wir wollen auf alle Fälle Singapur besuchen, die anderen Reiseziele sind noch in der Planung. Ich weiß, dass nächstes Jahr die EXPO in Astana stattfindet, was ein guter Anreiz wäre, nach Kasachstan zu fliegen, wo wir anschießend den Norden des Landes erkunden können. Ich möchte auch nach Usbekistan und Tadschikistan reisen.
Das Interview führte Anne Grundig (übersetzt aus dem Englischen).
Mehr schöne Fotos aus Zentralasien gibt es hier: thelostavocado.com.