Am Sonntag wurde der Präsident Kasachstans in vorgezogenen Wahlen wiedergewählt. Eine Wahl ohne Überraschungen, jedoch begleitet von politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten.
Am vergangenen Sonntag wurde laut Angaben der staatlichen Wahlkommission der amtierende Präsident Kasachstans mit knapp 98% der Stimmen wiedergewählt. Die Wahlbeteiligung betrug etwa 95%. Somit wurde Nursultan Nasarbajew, der „Leader der Nation“, erster und bisher einziger Präsident Kasachstans seit 1991, ein weiteres Mal in seinem Amt bestätigt.
Vorgezogene Wahlen – Markenzeichen Nasarbajews
Offiziell war die Präsidentschaftswahl für das Jahr 2016 vorgesehen, im selben Jahr wie die nächsten Parlamentswahlen. Diesen Zeitpunkt hat der Präsident Nasarbajew im Februar jedoch als verfassungswidrig bezeichnet. Es war die Völkerversammlung, eine Beratungskammer, welcher der Präsident selbst vorsitzt, die zuerst zu vorgezogenen Wahlen aufrief. Nach einem vorgetäuschten Zögern sprach Nasarbajew seine Kandidatur aus. Bis auf die erste Präsidentschaftswahl 1991 waren damit bisher alle Präsidentschaftswahlen in Kasachstan vorgezogene Wahlen.
In diesem Jahr sollte Kasachstan, dessen Wirtschaft seit der Unabhängigkeit stark gewachsen ist, ein größeres Bruttoinlandsprodukt pro Kopf als Russland vorzeigen und damit zur erfolgreichsten Wirtschaft der GUS-Staaten werden. In dem Kontext steht auch die Beliebtheit des Präsidenten außer Zweifel. Als einzige Unbekannte dieser Wahl galt so die Wahlbeteiligung. In der Hauptstadt Astana zum Beispiel hingen mehr Plakate, die zur Wahl aufriefen, als Wahlplakate.
Laut einer Umfrage des regierungsnahen Journalismuszentrums mediaNet bewertet der Großteil der Bevölkerung auch die vorgezogene Wahl als positiv. Sie sei „ein Weg, um die wirtschaftliche, politische und soziale Lage Kasachstans zu stabilisieren, da die Konjunktur des Landes unter ungünstigen externen Faktoren leidet.“
Eine heikle wirtschaftliche Lage
Der erste dieser ungünstigen Faktoren ist der niedrige Ölpreis, der zu Lasten der Staatskasse geht. Kasachstan ist stark von seinen Ölexporten abhängig, die bis zu 55% seines BIPs ausmachen. Dazu kommt die mit den schlechten Resultaten der russischen Wirtschaft und dem schwachen Rubel verbundenen Wirtschaftskrise in den GUS-Staaten. Nicht zu vergessen sind auch die Ukraine-Krise und die europäischen Sanktionen gegenüber Russland, die ebenfalls auf die Wirtschaft Kasachstans einwirken.
So wanken die Geschäfte in der größten Wirtschaft Zentralasiens. Die Nationalwährung Tenge hat wieder die Wechselkurse erreicht, die sie vor seiner 19% Abwertung im Februar 2014 anzeigte. Die Abwertung wurde von der Bevölkerung sehr kritisch beäugt, und Gerüchte um einen weiteren Wertverlust der Währung hat in den letzten Monaten schon panische Stürme auf Wechselstuben verursacht. Durch die starke Inflation, folgend auf die des Rubels, und eines auf 1-2% reduzierten Wachstums (im Vergleich zu den 6% des letzten Jahrzehnts), sinkt die Kaufkraft stark, während es schon starke Ungleichheiten gibt.
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Geopolitische Unsicherheiten
Auch die Spannungen mit Russland, dem „strategischen Partner“, haben rund um die Ukraine-Krise und die wirtschaftlichen Probleme einen Höhepunkt erreicht. Die Eurasische Wirtschaftsunion kommt ins Stocken während Russland und Kasachstan laut manchen Beobachtern einen Zollkrieg begonnen haben. Von offizieller Seite werden solche Spannungen stets verneint, aber beide Länder haben vor kurzem den Import von bestimmten Produkten aus dem Nachbarland verboten – offiziell aufgrund gesundheitlicher Risiken. Während durch den Wechselkurs vergünstigte russische Produkte den kasachstanischen Markt überfluten rufen viele Supermärkte in Kasachstan auf: „Sei ein Patriot – kauf Kasachstanisch!“.
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In den diplomatischen Kreisen Astanas heißt es, der Ak-Orda, der Präsidentenpalast, sei in zwei Gruppen geteilt, eine pro- und eine antirussische. Eine bedrohliche Teilung, wenn man in Betracht zieht, dass Kasachstan seine längste Außengrenze mit Russland teilt und der Norden des Landes mehrheitlich von ethnischen Russen bevölkert ist. In manchen Grenzregionen wohnen bis zu 80% ethnische Russen. So erscheint manchen auch ein ukrainisches Szenario für Kasachstan als nicht unwahrscheinlich.
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Daher ist die vorgezogene Wiederwahl für Nasarbajew auch ein Weg, um frische Legitimität zu gewinnen und damit kommende schwierige Entscheidungen zu rechtfertigen: eine weitere Abwertung des Tenge (bis zu 50% laut Analysten), eine wachsende Distanz zu Russland und vor allem die Vorbereitung seiner Nachfolge, einer neuen Partie Reise nach Jerusalem im Ak-Orda.
Die Redaktion von Novastan.org