In den letzten Jahren sind in Afghanistan Waren aus den Ländern Zentralasiens beliebt geworden. Dabei handelt es sich nicht nur um Lebensmittel, sondern auch zum Beispiel um Baumaterialien. Folgender Artikel erschien am 22. März 2021 bei Radio Azatlyk, dem turkmenischen Dienst von Radio Free Europe. Wir übersetzen ihn mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Viele Afghanen sagen, dass sie Waren aus zentralasiatischen Ländern bevorzugen, weil sie in Sachen Qualität die iranischen und pakistanischen Äquivalente übertreffen. Aber es gibt in diesem Exportgeschäft auch einen politischen Faktor: Die Regierung von Aschraf Ghani betrachtet die Stärkung der Handelsbeziehungen mit den nördlichen Nachbarn als eine ihrer grundlegenden Prioritäten.
Hochgeschätzte Qualität
Akbar ist Besitzer eines Supermarktes in Kabul. Er sagt, dass die Popularität von Waren aus den Ländern Zentralasiens in den letzten fünf Jahren schlagartig gestiegen sei. Zunächst lieferten die Händler Lebensmittel aus diesen Ländern mit Vorsicht und in kleinen Mengen. Aber die einheimischen Käufer schätzen die Qualität und das Importvolumen wuchs schlagartig. In den letzten Jahren waren sogar ganze Produktsegmente in Afghanistan ausschließlich von Herstellern aus zentralasiatischen Ländern eingenommen.
„Die Nachfrage steigt mit jedem Tag. Mehl, Öl und verschiedene Sorten Schokolade kommen bei uns mittlerweile ausschließlich aus Zentralasien“, sagt Akbar. „Die Käufer sind sehr zufrieden mit der Qualität der Lebensmittel.“
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Die Firma von Baschir Navid fing als eine der ersten an, Waren aus den zentralasiatischen Ländern zu importieren. Der Geschäftsmann erzählt, dass er sich bis heute erinnert, wie er die erste Lieferung Sonnenblumenöl aus Kasachstan in die Heimat brachte. Nach seinen Worten waren die Käufer von der Qualität des Öls sehr überrascht – die Ware war buchstäblich nach einigen Tagen ausverkauft.
„Früher brachte man Fett aus Pakistan hierher. Es war fest. Daher wunderten sich die Leute zunächst, als wir das flüssige Sonnenblumenöl aus Kasachstan einführten, aber dann schätzten sie seinen Geschmack und seine Qualität“, erzählt Muhammad Jakub, Direktor einer Firma, die sich mit Lebensmittellieferungen nach Afghanistan beschäftigt. „Jetzt steigt die Nachfrage. Wir wollen auch andere Arten von Waren aus den nördlichen Ländern importieren.“
Eine Brücke nach Südasien
Die Unternehmer sagen, dass sich das Importvolumen zentralasiatischer Erzeugnisse auch deshalb vergrößert, weil sich nach und nach auch die Transitmöglichkeiten Afghanistans erweitern – das Land wird jetzt schrittweise zu einer einzigartigen „Handelsbrücke“ zwischen den Ländern Zentral- und Südasien. Abgesehen davon, knüpfen nach Meinung des Geschäftsmanns Khan Dschan Akosai die zentralasiatischen Länder ihren Handel weniger an politische Bedingungen und sind bereit ihre Erzeugnisse an jedes beliebige Regime zu verkaufen.
„Mit Herstellern aus Zentralasien zusammenzuarbeiten ist sehr angenehm, deshalb bevorzugen viele Firmen immer mehr den Handel mit den Ländern dieser Region“, merkt Khan Dschan Akosai an. „Schließlich ist doch für jeden Geschäftsmann beim Führen seines Geschäfts ein angenehmes Klima extrem wichtig. Und ein übermäßiger Einfluss der politischen Atmosphäre wirkt sich verderblich auf den Handel aus.“
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Allerdings wächst der Export aus Afghanistan nach Zentralasien noch nicht so stark, wie das lokale Unternehmertum das gerne hätte. Und dafür gibt es Gründe. „Wir wollen natürlich unseren Export in die Länder Zentralasiens ausbauen. Aber die Eigenart unserer Erzeugnisse und ihre niedrige Qualität erlauben uns leider nicht das zu tun. Wir sind noch nicht konkurrenzfähig“, gibt Khan Dschan Akosai ehrlich zu.
Mehr Diversifizierung
Im Handels- und Industrieministerium Afghanistans heißt es, dass die Priorität der Regierung im Moment die Diversifizierung des Handels und die Umorientierung von Teilen des Imports aus den Ländern Zentralasiens und Europas auf andere Regionen sei. Die Behörden prüfen auch die Frage des Marktzugangs für afghanische Hersteller in diesen Regionen.
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„Im Jahr 2020 haben wir eine Ausweitung der Handelsbeziehungen mit den Ländern Zentralasiens beobachtet. Jetzt gehört es zu den wichtigsten Aufgaben der Wirtschaftspläne der Regierung“, betont Fawad Ahmadi, der Sprecher des Handels- und Industrieministeriums.
Aber die Realisierung dieser weitgehenden Handels- und Wirtschaftspläne der Regierung hängt noch von der Frage der politischen Stabilität und Sicherheit Afghanistans ab. Experten verweisen extra darauf, dass von diesen Faktoren auch direkt der Zufluss von Investitionen aus den Ländern Zentralasiens in die afghanische Wirtschaft abhängt.
Aus dem Russischen von Josua Möhring
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