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Mangelndes Internet: Kasachstan sagt Umstellung auf Online-Unterricht ab

Die Umstellung auf Online-Unterricht, die aufgrund der Coronavirus-Pandemie angekündigt worden war, wurde aufgrund von mangelnder Internetverbindung im größten Land Zentralasiens offiziell abgesagt.

Die Redaktion 

Übersetzt von: Robin Roth

Der Präsidentenpalast Akorda
Kasachstans Behörden mussten die Einführung des Online-Unterrichts absagen (Illustration)

Die Umstellung auf Online-Unterricht, die aufgrund der Coronavirus-Pandemie angekündigt worden war, wurde aufgrund von mangelnder Internetverbindung im größten Land Zentralasiens offiziell abgesagt.

Kasachstan rudert zurück. Kurz vor der für den 6. April geplanten flächendeckenden Einführung eines Online-Bildungssystems für Schulen war das Land nicht in der Lage, die Kontinuität des Online-Sekundarunterrichts zu gewährleisten. „Das Internet in Kasachstan ist nicht geeignet für die Aufrechterhaltung von Online-Kursen für Schüler“, sagte der Minister für Bildung und Wissenschaft, Ashat Aimaģambetov am 3.April laut einem Bericht des kasachstanischen Nachrichtenportals Tengrinews. Die Behörden wollten Fernunterricht über Streaming-Dienste einführen und so den Unterrichtausfall kompensieren, der sich aufgrund von durch den Coronavirus bedingten Schulschließungen ergibt.

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2,5 Millionen Kinder nahmen an den Testkursen teil, die am 1. April stattfanden. Es wurden verschiedene Systeme eingesetzt, darunter der Telekonferenzdienst Zoom, der während der Quarantäne an Popularität gewann, aber wegen der Online-Offenlegung privater Informationen infrage gestellt wurde.

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Die Erprobungen haben gezeigt, dass es technische Schwierigkeiten gab und dass die Aufrechterhaltung der Kurse durch Streaming landesweit „nicht durchführbar“ war. Um die Qualität und Effizienz des Unterrichts zu erhalten, wurde daher beschlossen, dass man auf andere Mechanismen zurückgreifen werde, wie zum Beispiel das Portal Kundelik, welches keine Internet-Verbindung erfordert. Ebenso werden audiovisuelle Kurse von Fernsehsendern und Radio ausgestrahlt. Auch ein weiterer Mechanismus wurde in Betracht gezogen: die Versendung der Lektionen per Post. Der Minister argumentierte, man solle den SchülerInnen und LehrerInnen vertrauen und Bürokratie vermeiden.

Ein latentes Infrastrukturproblem

Tatsächlich hat die Coronavirus-Pandemie Probleme akut werden lassen, die bereits seit längerem in Kasachstan existierten. Dazu gehören die geringe Netzkapazität und die Überlastung der Infrastruktur und – vor allem außerhalb der großen Städte  – der Mangel an Internetanschlüssen und IT-Kompetenzen seitens der Bevölkerung.

Diese technologische Panne kommt zu einer Zeit, da der kasachstanische Staat kürzlich über die Umsetzung eines großen Digitalisierungsplans berichtet hat. Im Oktober 2018 hatten die Behörden im Rahmen des Forums Digitale Wirtschaft in Astana (heute Nur-Sultan) die Realisierung des Projekts Digital Kazakhstan 2018-2022 beworben, das laut Business France bis 2022 Investitionen von mehr als einer Milliarde Euro umfassen soll.

Technische Probleme in Serie

Darüber hinaus ist diese Panne nicht der erste, seit die Coronavirus-Pandemie am 13.März Kasachstan getroffen hat. Am 31.März teilte Staatspräsident Qasym-Jomart Toqaev in seiner Ansprache an die Nation mit, dass angesichts der Corona-Krise der Kreis der SozialleistungsempfängerInnen erweitert werde. Die Zulage von 42.500 Tenge (88 Euro) pro Person sollte unkompliziert online beantragt werden können. Doch auch diese Maßnahme hat Fehler in Serie verursacht.

Der Zustrom von tausenden KasachstanerInnen auf die Plattformen und Websites ließ diese unter der Last zusammenbrechen. Allein diese Situation hat die offensichtliche Unfähigkeit der Behörden verdeutlicht, leicht zu bedienende öffentliche Dienste einzurichten. Und während dieses Problem immer noch nicht gelöst ist, mussten sich die Behörden nun eingestehen, dass sie auch nicht in der Lage sind, den Online-Unterricht zu gewährleisten.

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Kasachstan hat sich entschieden, die Epidemie energisch zu bekämpfen und vom 16. März bis zum 15. April den Ausnahmezustand im Land erklärt. Der Flugverkehr wurde stark reduziert und die größten Städte des Landes, die Hauptstadt Nur-Sultan und Almaty, sind unter Quarantäne gestellt. Seit den 4. April gilt dies auch für die drittgrößte Stadt des Landes Shymkent.

In seiner Rede vom 31.März sagte Kasachstans Präsident, dass der Coronavirus die Staaten und ihre Anpassungsfähigkeit auf die Probe stelle. Es bleibt festzustellen, dass die Krise, obwohl sie drastisch angegangen wird, einige der latenten Schwächen des reichsten zentralasiatischen Landes entlarvt.

Adel Urikbayeva, Novastan-Korrespondentin in Almaty

Aus dem Französischen von Robin Roth

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