Die Population der geschützten Saiga-Antilope nimmt in Kasachstan zu und wird somit zu einem Problem für die Landwirtschaft. Das Ministerium für Ökologie, Geologie und natürliche Ressourcen hat nun beschlossen, 80.000 Saigas zum Abschuss freizugeben.
Die Zahl der bedrohten Saiga-Antilopen ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Wie das russische Auslandsmedium Sputnik berichtet, gibt es heute 1.318.000 Exemplare, während es im Jahr 2016 noch 110.000 waren. Die Art unterliegt in Kasachstan besonderem Schutz und darf bis 2023 nicht bejagt werden.
Wie das kasachstanische Nachrichtenportal Vlast berichtet, hat das Umweltministerium nun aber entschieden, 10 Prozent der Saiga-Population am Ural zur Jagd freizugeben. Dies entspricht 80.000 Exemplaren. Eine Entscheidung, die Umweltverbände verärgert: Laut Radio Azattyq kritisieren sie, dass die Probleme im Bereich der Landwirtschaft, die zur Rechtfertigung der Bejagung angeführt werden, in Wirklichkeit durch Kasachstans ungeeignetes Landwirtschaftssystem verursacht werden.
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Das kasachstanische Nachrichtenportal Kazinform berichtet, dass der Minister für Ökologie, Geologie und natürliche Ressourcen, Serikqali Brekeshev, die Saiga-Population regulieren will. „Sie gelangen auf die Felder der landwirtschaftlichen Erzeuger. Es gibt also ein gewisses Problem. Aber darum geht es gar nicht. Unsere Wissenschaftler meinen, dass eine Regulierung der Saiga-Zahlen notwendig ist, um die Population selbst zu erhalten“, sagte der Minister.
Schon einige Tage zuvor hatte das kasachstanische Onlinemedium Zona über ähnliche Äußerungen Brekeshevs berichtetet: „Heute hat die Population der Saigas 1,3 Millionen Exemplare überschritten. Laut unseren Wissenschaftlern liegt die optimale Zahl zwischen 700 und 800 000. Wenn unsere Wissenschaftler sagen, dass es notwendig ist, die Anzahl der Saiga zu regulieren, werden wir das tun.“
Eine umstrittene Lösung
Während das Ziel klar ist, bleibt der Weg dahin umstritten. Einige Wissenschaftler:innen halten eine Änderung des landwirtschaftlichen Modells für notwendig. Andere erwägen die Möglichkeit, einen speziellen Jagddienst des Umweltministeriums einzurichten. Etwas früher im Juni war laut dem kasachstanischen Onlinemedium Orda eine spezielle Saiga-Jagdgenehmigung ausgearbeitet worden, bevor das Projekt zurückgezogen wurde.
Sputnik fügt hinzu, dass das Ministerium den Verkauf lebender Saiga auf dem internationalen Markt nicht ausschließt. Die Regierung hätte sich schließlich vorgestellt, spezielle Reservate für das Tier einzurichten. Da die Saigas aber wandern, wäre es schwierig, geeignete Reserven zu bestimmen.
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In Kasachstan leben 95 Prozent der weltweiten Saiga-Population. Das Ministerium deutete an, dass Kasachstans Regierung jedoch durchaus bereit sei, „die Tiere zu teilen“, wenn andere Länder auf ihrem Territorium die Art einführen wollen.
Wilderei als Problem
Saiga-Hörner sind insbesondere in China in der traditionellen Medizin sehr beliebt, wo sie für die Herstellung von Arzneimitteln verwendet werden. Aufgrund der sehr hohen Hörnerpreise auf ausländischen Märkten stellt Wilderei ein Problem dar. In den ersten beiden Juniwochen wurden 18.000 Saiga-Hörner von der Polizei beschlagnahmt, berichtet Orda.
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Umweltverbände befürchten daher einen Anstieg der Wilderei. Alena Krivosheyeva erklärte gegenüber Radio Azattyq, dass die legale Jagd während der Sowjetzeit schwerwiegende Folgen hatte. Ihr zufolge gab in den 1970er Jahren neben legalen Quoten viele illegale Jagden, sodass sich die Population innerhalb eines Jahres halbierte. Der Umweltminister Serikqali Brekeshev versucht jedoch zu beruhigen. „Wir tun alles Notwendige, um die Legalisierung der Wilderei zu verhindern“, erklärte er.
Verzweiflung in der Landwirtschaft
Seit Mai beschweren sich Landwirt:innen über Saigas, die den Boden zertrampeln und Ernten zerstören. Einer von ihnen erklärte gegenüber Radio Azattyq: „Eine Saiga wird nicht durch elektrischen Strom gestoppt und eine Herde verschlingt die Ernte im Handumdrehen. Sie haben meine ganze Gerste gefressen, und niemand kann meinen Kredit löschen. Ich werde dieses Jahr wieder säen. Auch wenn ich Tag und Nacht wachen muss, ich muss die Ernte schützen.“
Laut Sputnik stellen einige Landwirt:innen Personal ein, um die Ernte zu bewachen. Dies bedeutet aber zusätzliche Kosten für den Betrieb – ohne Garantie, dass die Ernte nicht dennoch zerstört wird. Das Phänomen ist indes nicht neu. Radio Azattyq sprach bereits 2021 über die Probleme der Landwirtschaft und die Unfähigkeit der Regierung, Lösungen zu finden.
Claire du Verdier, Redakteurin für Novastan
Aus dem Französischen von Robin Roth
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