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Coronavirus: Kasachstan setzt den Handel mit bestimmten Lebensmitteln aus

Seit dem 22. März hat die kasachstanische Regierung eine Reihe von protektionistischen Maßnahmen ergriffen, um den Handel mit bestimmten Lebensmitteln zwischen Kasachstan und dem Rest der Welt auszusetzen. Diese Übergangsmaßnahmen wirken sich auf den Weltweizenmarkt aus, da Kasachstan ein wichtiger Exporteur ist, aber auch auf das regionale Verständnis, da seine wichtigsten Kunden Nachbarländer sind.

Kasachstan hat den Handel mit einer Reih von Lebensmitteln wie Weizen und Mehl vorübergehend eingestellt.

Seit dem 22. März hat die kasachstanische Regierung eine Reihe von protektionistischen Maßnahmen ergriffen, um den Handel mit bestimmten Lebensmitteln zwischen Kasachstan und dem Rest der Welt auszusetzen. Diese Übergangsmaßnahmen wirken sich auf den Weltweizenmarkt aus, da Kasachstan ein wichtiger Exporteur ist, aber auch auf das regionale Verständnis, da seine wichtigsten Kunden Nachbarländer sind.

Seit dem 16. März gilt der Ausnahmezustand, nun verfolgt Kasachstan eine aktive Politik zur Linderung der durch die Coronavirus-Pandemie verursachten Schäden. Um eine durchgehende Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln zu gewährleisten, hat Nur-Sultan beschlossen, den Export bestimmter Lebensmittel, insbesondere von Weizen, auszusetzen, wie die Agentur Reuters berichtet. Diese am 22. März getroffene Entscheidung wurde am 24. März vom kasachstanischen Handelsminister Baqyt Sultanov bekannt gegeben. Auf seiner Facebook-Seite sagte der Minister, die Entscheidung gehe mit der Aussetzung bestimmter Importe einher.

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Während die betroffenen Nahrungsmittel zunächst nur wenige waren (Zucker, Zwiebeln, Karotten und Buchweizen), wurden der Handelstopp nach und nach auf Kartoffeln, Sonnenblumenöl, Weißkohl, Weizen und Weizenmehl ausgedehnt. Die beiden letzteren sind am beutendsten, da sie die wichtigsten Exportartikel aus Kasachstan sind. Vorläufig werden diese Maßnahmen voraussichtlich mindestens bis zum 15. April andauern, wenn die Behörden mit einem Höhepunkt der Covid-19-Fälle im Land rechnen.

Ziel dieser Maßnahme ist es zunächst einmal, den Grundbedarf im Land abzusichern. Am 18. März hatte Premierminister Askar Mamin dies bereits zur Priorität erklärt. „Das Staatsoberhaupt hat sich die Aufgabe gestellt, die kontinuierliche Versorgung der Bürger mit Lebensmitteln und lebensnotwendigen Gütern sicherzustellen. Angesichts der gegenwärtigen Situation ist es notwendig, schnell zu reagieren und Maßnahmen zu ergreifen, um die Märkte mit Lebensmitteln zu versorgen“, sagte er. Das Problem ist nicht die Menge der produzierten Lebensmittel –  Kasachstan hat eine reiche Lebensmittelproduktion – sondern die Verarbeitung und der Transport von Lebensmitteln im ganzen Land. Es handelt sich also vor allem um eine logistische Herausforderung, denn die Verbindung zwischen der bescheidensten landwirtschaftlichen Produktion und den Städten ist noch nicht ausreichend entwickelt.

Das andere Ziel, das ebenfalls von der Regierung in ihrem Kommuniqué vom 18. März erklärt wurde, besteht darin, zu verhindern, dass daufgrund steigender Preise lebensnotwendige Güter für Kasachstaner unzugänglich werden. In einem Kontext der Abwertung des Tenge, der kasachstanischen Währung, könnte die Begrenzung der Exporte ein Notfallinstrument zur Erhaltung der Kaufkraft der Bürger sein. Darüber hinaus fällt diese Entscheidung auch in eine Zeit wirtschaftlicher Instabilität – die Märkte, insbesondere die Getreidemärkte, erleiden manchmal Einbrüche infolge der Störung von Transport- und Verarbeitungsanlagen.

Kasachstan, ein wichtiger Akteur auf dem Weizenmarkt

Die Entscheidung, die kasachstanischen Weizenexporte auszusetzen, ist eine schlechte Nachricht für den Weltmarkt. Im Jahr 2019 war Nur-Sultan der 8. größte Exporteur von Rohweizen. Aber Weizen wird vor allem in verarbeiteter Form exportiert: Nach den jüngsten verfügbaren Daten aus dem Jahr 2017 war das größte Land Zentralasiens, mit nach Angaben der Ernährungs- und landwirtschaftsprganisation der vereinten Nationen (FAO) 11 Prozent der weltweiten Ausfuhren, der zweitgrößte Exporteur von Weizenmehl.

Gegenwärtig macht die Landwirtschaft 4,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Landes aus. Nur-Sultan verfolgt eine Agrarpolitik zur Steigerung der Produktion und des Exports von Weizen, insbesondere in verarbeiteter Form (Mehl, Teigwaren).

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Die Hauptkunden Kasachstans variieren von Jahr zu Jahr, sind aber immer noch sehr stark in der Region angesiedelt. Bei den Weizenmehlimporten aus Kasachstan fallen seit den 2000er Jahren zwei Länder deutlich auf: Usbekistan und Afghanistan. Was den Rohweizen betrifft, so sind die Kunden Kasachstans vielfältiger, aber auch hier sind es vor allem Nachbarländer wie Usbekistan, Iran, Tadschikistan und Russland.

Implikationen für die regionale Verständigung

Im weiteren Sinne ist zu beachten, dass die Entscheidung Kasachstans, obwohl sie isoliert ist, auch in jüngster Zeit nicht die einzige ihrer Art ist. China hatte bereits ähnliche Schritte unternommen, ebenso wie Serbien. Auf globaler Ebene ist also ein protektionistischer Reflex zu beobachten, wenn auch bei weitem nicht bei der Mehrheit der Länder.

Die Folgen dieser Entscheidung sind daher vor allem auf regionaler Ebene zu spüren – die Hauptkunden sind alle Nachbarn Kasachstans. Andrej Slepnew, ein hoher russischer Beamter, der für die Entwicklung der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) zuständig ist, erinnerte am 25. März daran, dass die Mitgliedsländer an einem Strang ziehen müssen. „Wir behaupten, einen gemeinsamen Markt zu haben. Auch wenn uns das Gesetz in der Praxis erlaubt, in Notfällen, bei Sicherheits- oder Gesundheitsbedrohungen außergewöhnliche Maßnahmen zu ergreifen, haben sich die Mitglieder dennoch darauf geeinigt, keine einseitigen Entscheidungen in allen Angelegenheiten des gemeinsamen Marktes zu treffen“, sagte er. Die Mitglieder der EWAU sind Armenien, Weißrussland, Kasachstan, Kirgisistan und Russland.

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Diese Erklärung verdeutlicht die Spannungen, die die Entscheidung von Nur-Sultan innerhalb der Region hervorruft. Diese wurde als einseitige Entscheidung zur Rücknahme vereinbarter Verpflichtungen angeprangert. Nach Angaben der Agentur Belta trat der Rat der Eurasischen Wirtschaftsunion in einer Notsitzung zusammen und schickte Empfehlungen an Kasachstan. Diese sind jedoch nicht verpflichtend, da Kasachstan vollkommen legal handelt (insbesondere weil der Regierung aufgrund des Ausnahmezustands außerordentliche Befugnisse eingeräumt werden). „Die Eurasische Wirtschaftsunion wird getestet. Die Entscheidungen müssen konsistent sein. Es gibt keine andere Lösung“, sagte Michail Mjasnikowitsch, Vorsitzender des Vorstands der Eurasischen Wirtschaftskommission, bei der Sitzung.

Die Entscheidung Kasachstans könnte auch Auswirkungen auf Afghanistan haben, das bei seinen Importen stark von kasachstanischem Weizen abhängig ist. Obwohl es kein Abkommen über wirtschaftliche Integration zwischen den beiden Ländern gibt, finden regelmäßig Treffen statt, die den Willen zur Konsolidierung ihrer Beziehungen zeigen. Seit 2005 hatte sich Kasachstan nach und nach als einer der Hauptlieferanten von Weizenmehl für die Islamische Republik etabliert, auf den bis zu 66 Prozent der Mehlimporte im Jahr 2017 entfielen.

Héloïse Dross
Aus dem Französischen von Arnaud Enderlin

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