Die Abfälle der Millionenstadt Almaty landen teilweise auf einer illegalen Deponie im nahegelegenen Dorf Koksai. Die Anwohner:innen wehren sich.
Die Bewohner:innen des Dorfes Koksai im Bezirk Irgeli im Gebiet Almaty haben seit vielen Jahren mit einer nicht genehmigten Mülldeponie neben ihren Häusern zu kämpfen. Wegen der Haushalts- und Industrieabfälle, die aus verschiedenen Teilen von Almaty dorthin gelangen, können sie den Gestank nicht loswerden und müssen häufig mit Bränden rechnen.
Die lokalen und republikanischen Behörden sind untätig: Sie erkennen die Deponie als illegal an, weigern sich aber, wirksame Maßnahmen zu ihrer Beseitigung zu ergreifen. Der Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich die Deponie befindet, erhält nur geringe Geldstrafen.
Ökologischer Kollaps
In Koksai, 5 km von Almaty entfernt, ist seit 2008 eine Mülldeponie in Betrieb. Die Bewohner:innen der umliegenden Häuser begannen Anfang der 2010er Jahre, Land für ihren Bau zu kaufen. Die Deponiefläche wuchs jedoch trotz der Zunahme der Wohngebiete. Nach Berechnungen von Anwohner:innen wird die Deponie täglich von 300 Autos angefahren, für die Müllverkäufer:innen jeweils rund 45.000 Tenge (ca. 75 Euro) zahlen.
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Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung!Ursprünglich wurde die Deponie für Bauabfälle genutzt, aber seit 2022 nimmt sie auch Hausmüll an, sagte Arman, einer der Bewohner von Koksai. „Wenn der Wind auffrischt, wird der ganze Müll durch die Siedlung geblasen.“
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Obwohl die Grenzen der Deponie ständig erweitert werden, kann sie nicht den ganzen Müll aufnehmen, der hierher kommt. Deshalb wird laut Şarip, einem weiteren Bewohner der Siedlung, ein Teil des Mülls von Autos in den Fluss Aksai geschoben. „Anstatt sich um den Fluss zu kümmern und sein Bett zu reinigen, kippen sie hier alles weg. Überall liegt Polyäthylen herum, und es sollte Gras wachsen“.
Aber die Mülldeponie nimmt nicht alle Arten von Abfall an. Und wenn sie es doch tut, lassen die Leute, die zu ihr kommen, sie auf der Landstraße liegen. „Während religiöser Feste werden Tierhäute und Kadaver hierher gebracht. Wenn die Leute an der Müllkippe abgewiesen werden, fahren sie ein Stück weiter die Straße hinunter und laden sie dort ab. Und es ist alles voller Parasiten. Wir selbst halten Vieh in der Nähe, und das ist sehr gefährlich“, so Şarip weiter.
Das Akimat des Landkreises Irgeli streitet dies jedoch ab: „Die Einleitung von Abwässern oder Häuten von Nutztieren wurde nicht erfasst. Wenn diese Tatsachen aufgedeckt werden, werden sie zur Verantwortung gezogen werden“.
Auch nachts werden auf der Deponie regelmäßig Isoliermaterialien verbrannt, um daraus Kupfer und Aluminium zu gewinnen. Und im Winter verbrennen die Deponiearbeiter:innnen Müll zum Heizen. Dies führt manchmal zu einem sich schnell ausbreitenden Feuer, gegen das die Deponiearbeiter:innen machtlos sind, so Gulnara, eine Bewohnerin der Siedlung.
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Außerdem wird die Straße durch den ständigen Zustrom von Autos im Dorf regelmäßig zerstört. Die Bewohner:innen von Koksai haben schon mehrmals versucht, die Straße auf eigene Kosten zu asphaltieren, aber sie wurde schnell schlechter. „Im Herbst und im Frühjahr gibt es hier ständig Schlamm. Es ist unmöglich, mit dem Auto zu fahren, und manche Leute haben hier nicht einmal ein Auto. Die Kinder gehen zu Fuß zur Schule. Wir haben auch ein Gewächshaus im Dorf und stellen Möbel her. Die Unternehmen erleiden wegen der kaputten Straße Einbußen“, sagte einer der Anwohner.
Schweigen seitens der Behörden
Gulnara, die seit 2019 in der Siedlung lebt, versucht seit vier Jahren, die Aufmerksamkeit der Behörden auf die Probleme der Siedlung zu lenken. Sie hat Anträge an verschiedene Behörden geschrieben – vom Akimat des Landkreises Irgeli bis zum Umweltministerium – und andere Bewohner:innen von Koksai in den Prozess einbezogen. „Wir haben auch Verhandlungen mit der Leitung der Mülldeponie aufgenommen. Sie forderten uns auf, uns nicht zu beschweren, weil auf der Deponie etwa 100 Menschen arbeiten, darunter auch Besucher:innen aus anderen Ländern.“
Die Kommunikation mit den Regierungsbehörden war ebenso schwierig und erfolglos. „Als ich am Empfang gefragt wurde, in welchem Bezirk ich mich befinde, sagte man mir sofort, dass meine Anfrage erfolglos sei – niemand von den lokalen Exekutivorganen würde im Bezirk Karasai arbeiten.“
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Mit der gleichen Gleichgültigkeit wurde sie konfrontiert, als sie versuchte, einen Antrag zu stellen, damit das Gebiet des Dorfes Koksai im allgemeinen Plan des Bezirks Karasai als Wohngebiet ausgewiesen wird. „Die Regierung erwägt eine Grenzverschiebung, und die lokalen Behörden sind dagegen“.
Das Einzige, was sie erreichen konnten, war ein gemeinsames Treffen der Bewohner:innen von Koksai mit der Deponieverwaltung und den Behörden im Jahr 2022. Daran nahmen Vertreter:innen des Akimats des Landkreises Irgeli und der Stadt Kaskelen sowie Mitarbeiter:innen des Umweltministeriums und der Abteilung für Notfallsituationen teil.
Im Anschluss an das Treffen wurde eine Mediationsvereinbarung zwischen den Anwohner:innen und der Deponieverwaltung getroffen. Demnach sollte die Deponie innerhalb von zwei Jahren in eine Produktionsstätte für Schaumstoffblöcke umgewandelt werden. Dieser Zeitraum war erforderlich, um die Landschaft der Deponie auf Kosten des neuen Mülls zu ebnen. Der Akimat des Landkreises Irgeli versprach im Gegenzug, das Problem mit der Straße zu lösen. Nach zwei Jahren wurde noch nicht mit dem Bau begonnen. Auch die Straße wurde nicht repariert. „Zuerst versuchten die Behörden, das Problem zu lösen, indem sie die Straße flicken. Aber dann beruhigten sich alle wieder.“
Das Akimat des Landkreises Irgeli begründete dies damit, dass die Straße in der Koksai-Siedlung nicht auf der Liste der „wesentlichen reparaturbedürftigen Straßen“ steht, die nur Hauptverkehrsstraßen umfasst. Aus Verzweiflung über die Gleichgültigkeit der Behörden blockierten die Bewohner:innen von Koksai im Winter 2024 den Verkehr auf der zur Siedlung führenden Kreisstraße. Laut Gulnara reagierten die Behörden jedoch auch danach nicht.
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Das Ministerium für Notsituationen erklärte, dass die Deponie für Bau- und Haushaltsabfälle „im nördlichen Teil des Dorfes Koksai im Landkreis Irgeli illegal angelegt“ sei. Die Grundstücke mit einer Gesamtfläche von 2,65 Hektar, auf denen sich die Deponie befindet, sind offiziell für die Landwirtschaft bestimmt.
Das Akimat des Landkreises Irgeli meinte, dass keiner seiner Vertreter:innen am Abschluss der Mediationsvereinbarung zwischen den Anwohner:innen und dem Eigentümer der Deponie beteiligt war. „Außerdem liegt es nicht in der Zuständigkeit des lokalen Exekutivorgans, die Durchführung privater Projekte zu kontrollieren“, heißt es in der Antwort des Akimats des Landkreises Irgeli.
Das Akimat fügte jedoch hinzu, dass Mitte Juni 2024 der Vizeminister für Ökologie, Geologie und natürliche Ressourcen das Dorf besuchte. Zusammen mit ihm waren ein Spezialist der Abteilung für Ökologie der Region Almaty, der stellvertretende Akim des Landkreises Irgeli und ein Inspektor der Polizeibehörde des Bezirks Karasai anwesend. Nach der Inspektion des Geländes erstellten die Spezialist:innen ein Verwaltungsprotokoll und verhängten gegen den Eigentümer des Grundstücks, Esen Tleuhanov, eine Geldstrafe in Höhe von 73.840 Tenge (ca. 125 Euro). Zusätzlich zu der Geldstrafe wurde Tleuhanov mündlich über die Regeln der Grundstücksverbesserung und die Einhaltung der Umweltvorschriften aufgeklärt.
Im Jahr 2022 wurde Tleuhanov aus denselben Gründen bereits zu einer Geldstrafe von 155.000 Tenge (ca. 265 Euro) verurteilt. Und 2023 wurde in Fortsetzung dieser Inspektion eine Geldstrafe von 172,5 Tausend Tenge (ca. 290 Euro) gegen den stellvertretenden Akim des Landkreises Irgeli, Amantai Terlikbaev, wegen unerlaubter Ablagerung fester Haushaltsabfälle auf dem Gebiet des Landkreises Karasai verhängt.
Was wurde in Wirklichkeit getan?
Das Ministerium für Notfallsituationen fügte hinzu, dass die Abteilung für Notfallsituationen und die Exekutivorgane der Region Aufklärungsarbeit geleistet haben, um die Lagerung und Verbrennung von Abfällen unter Verletzung der Brandschutzvorschriften zu verhindern.
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„In diesem Jahr wurden keine Fälle von Entzündungen und Bränden registriert“, betonte die Behörde. Die Anwohner:innen von Koksai behaupten das Gegenteil. Ein Gerichtsverfahren könnte die Lösung sein, aber die Bewohner:innen fürchten die hohen Kosten.
Die Bewohner:innen von Koksai müssen zusehen, wie Dutzende von Lastwagen täglich ihren Müll zu einer illegalen Müllkippe in ihrem Dorf bringen, und hoffen, dass die Behörden ihrem Problem eines Tages nicht mehr gleichgültig gegenüberstehen. Doch dafür gibt es bisher keine Anzeichen.
Dmitriy Mazorenko für Vlast
Aus dem Russischen von Irina Radu
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