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Friedliches Zusammenleben in Sandschidsor, Tadschikistan

In den letzten Jahren kam es bereits zu mehreren Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Kirgisen und Tadschiken in den Grenzgebieten. Als ein Beispiel für ein Leben in Frieden und Harmonie mit seinen Nachbarn wird das Dorf Sandschidsor in Tadschikistan von der Stadtverwaltung genannt. Auslöser dafür ist Machina Ischakowa, ein 12-jähriges Mädchen kirgisischer Abstammung, welches in dem Dorf aufwuchs und 2022 den dritten Platz in dem nationalen tadschikischen Rezitierwettbewerb gewann.

Machina Ischakowa gewann als kirgisisches Mädchen den dritten Platz des nationalen tadschikischen Rezitierwettbewerb, Photo: Asia Plus.

In den letzten Jahren kam es bereits zu mehreren Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Kirgisen und Tadschiken in den Grenzgebieten. Als ein Beispiel für ein Leben in Frieden und Harmonie mit seinen Nachbarn wird das Dorf Sandschidsor in Tadschikistan von der Stadtverwaltung genannt. Auslöser dafür ist Machina Ischakowa, ein 12-jähriges Mädchen kirgisischer Abstammung, welches in dem Dorf aufwuchs und 2022 den dritten Platz in dem nationalen tadschikischen Rezitierwettbewerb gewann.

Der Sieg eines Mädchens mag auf den ersten Blick nicht überraschen. Doch es handelt sich um ein kirgisisches Mädchen, das am Wettbewerb in tadschikischer Sprache teilnahm und mehr als tausend Gedichtzeilen tadschikischer Dichter auswendig gelernt hatte. Es ist das erste Mal, dass ein junges kirgisisches Mädchen aus diesem Dorf in einem solchen Wettbewerb gewinnt.

Sieg dank tadschikischer Lehrerin

In ganz Tadschikistan leben über 56.000 Menschen kirgisischer Herkunft, hauptsächlich in den Bezirken Dschirgatal, Murghob, Spitamen, Dschabbor Rasulow und in den Städten Konibodom und Isfara.

Machinas Erfolgsgeschichte ist auch ein Beispiel für die Freundschaft zwischen den beiden Nationen, denn das Mädchen wurde von ihrer tadschikischen Klassenlehrerin Hilola Rusiewa zur Teilnahme ermutigt und auf den Wettbewerb vorbereitet.

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„Lehrerin Rusiewa besorgte mir die Bücher, die ich für die Vorbereitung auf den Wettbewerb brauchte, und brachte sie sogar zu uns nach Hause, damit ich lernen konnte, anstatt Zeit mit der Suche nach ihnen zu verschwenden. Sie ist sehr nett und hat sich wahrscheinlich am meisten über meinen Erfolg gefreut“, erzählt Machina.

Sandschidsor als nachahmenswertes Beispiel

Im Sommer 2023 wurde der Name des Dorfes Sandschidsor auf einer Pressekonferenz erneut erwähnt. Diesmal vom Bürgermeister von Konibodom, Abdusalom Tuchtasunsoda. Er verwies auf das maßvolle Leben der Dorfbevölkerung und nannte es ein Beispiel für friedliche Koexistenz und Toleranz zwischen Menschen tadschikischen und kirgisischen Hintergrundes.

„Trotz Grenzkonflikten und Streitigkeiten lebt die Bevölkerung dieses Dorfes, die größtenteils kirgisischer Herkunft ist, mit ihren tadschikischen Nachbarn in einer Atmosphäre der Freundschaft und des gegenseitigen Verständnisses“, so Tuchtasunsoda.

Sandschidsor, das früher Dschigdalik hieß, ist ein kleines Dorf in der Nähe der tadschikisch-kirgisischen Grenze am Ufer des sogenannten „tadschikischen Meeres“ – des Kairakkum-Stausees. Nach statistischen Angaben leben dort derzeit 993 Menschen, von denen 90 Prozent kirgisischer Herkunft sind. Sie kamen vor langer Zeit in das Dorf, ließen sich nieder und beschlossen, mit Tadschiken zusammenzuleben.

Chodscharoj Jusupowa, Machinas Großmutter, wurde in Kirgistan geboren und zog später nach Sandschidsor. Sie erzählt, dass sie keine Probleme mit der tadschikischen Nachbarschaft hat: „In mehr als einem halben Jahrhundert bin ich noch nie als Kirgisin angesprochen worden. Man sagt, man sucht sich seine Nachbarn nicht aus. Das stimmt wirklich, denn ein Nachbar ist ein Geschenk Gottes, und ein friedliches Zusammenleben ist ein Zeichen für menschliches Bewusstsein.“

Jusupowa betont, dass sie an allen Trauerriten und Festen der Nachbarschaft teilnimmt und stets mit Respekt behandelt wird. Und diese Haltung herrsche bei allen im Dorf vor.

Das Geheimnis der friedlichen Koexistenz

Sirodsch Bosorow, der seit mehr als 35 Jahren die Kinder des Dorfes Sandschidsor unterrichtet, stellt fest: „Wenn ich die Kinder unterrichte, achte ich nie auf ihre Nationalität, denn für mich sind sie alle einfach Kinder.“

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Der Lehrer erzählt weiter: „In unserer Schule gibt es tadschikische und kirgisische Kinder. Der Unterricht findet in kirgisischer Sprache statt. In meiner Laufbahn habe ich Hunderte von Kindern unterrichtet, aber ich habe noch nie gehört, dass es unter ihnen Konflikte aus ethnischen Gründen gegeben hätte. Und jetzt grüßen mich Dutzende meiner ehemaligen Schulkinder, sowohl Tadschiken als auch Kirgisen, mit ‚Muallim‘ (Tadschikisch für „Lehrer“, Anm. d. Red.) und bringen überall, wo sie mir begegnen, ihren Respekt zum Ausdruck.“

Wir haben die Dorfbevölkerung nach dem Geheimnis für das friedliche Zusammenleben gefragt, und sowohl Jusupowa als auch Bosorow sind überzeugt: „Das tadschikische und das kirgisische Volk haben keine Probleme miteinander, sie leben seit vielen Jahren zusammen und werden auch weiterhin zusammenleben. Die Grenzstreitigkeiten sollten so schnell wie möglich beigelegt werden und sich nicht negativ auf die Beziehungen zwischen den beiden Völkern auswirken. Diese Meinung wird von allen im Dorf geteilt, und das ist das Geheimnis des friedlichen Zusammenlebens in Sandschidsor.“

Machinas Träume

Saifullo Rachmatow von der Bildungsabteilung Sughd erklärt, dass der Unterricht an Machinas Schule und einer weiteren Schule in Isfara dem Programm des tadschikistanischen Ministeriums für Bildung und Wissenschaft folgt, allerdings in kirgisischer Sprache.

„Nach dem vom Ministerium entwickelten Programm lernen die Schulkinder ihre Muttersprache, Literatur, allgemeine Geschichte und die Geschichte Kirgistans“, so Rachmatow.

Nach Angaben von Machinas Lehrerin blicken derzeit viele Schulkinder der Dorfschule mit Bewunderung auf das preisgekrönte Mädchen und möchten ihrem Weg folgen. Deshalb haben in diesem Jahr zehn Kinder aus Machinas Schule an dem Rezitierwettbewerb teilgenommen.

Machina will es nicht bei ihrem Erfolg belassen, sondern studiert weiter die Werke tadschikischer und kirgisischer Schriftsteller und Dichter. Sie ist davon überzeugt, dass sie alle Disziplinen des Wettbewerbs meistern wird. Außerdem versucht das Mädchen, auch ihre Mitschülerinnen und Mitschüler von ihren Studien zu überzeugen.

Nach ihrem Abschluss möchte sie Lehrerin für tadschikische Sprache und Literatur werden, um einen Beitrag zur Bildung der Kinder auf dem Land zu leisten.

Farsona Murodi für Asia-Plus

Aus dem Russischen von Michèle Häfliger

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