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Kirgistan: Queeres Leben unter Druck

Die Situation queerer Menschen in Kirgistan hat sich in den letzten Jahren verschlechtert. Repressive Gesetze und negative Darstellungen in den Medien setzen die Community zunehmend unter Druck. Gleichzeitig gibt es immer noch Nischen, in denen queeres Leben gedeihen kann.

Die Regenbogenflagge, ein Symbol der LGBT-Community, in der Form Kirgistans. Illustration von Wikimedia Commons.

Die Situation queerer Menschen in Kirgistan hat sich in den letzten Jahren verschlechtert. Repressive Gesetze und negative Darstellungen in den Medien setzen die Community zunehmend unter Druck. Gleichzeitig gibt es immer noch Nischen, in denen queeres Leben gedeihen kann.

Je feindseliger eine Gesellschaft gegenüber queeren Menschen ist, desto wichtiger ist es, sichere Räume zu haben, in denen LGBTQ-Personen sie selbst sein können. Die einzige queere Bar Kirgistans ist einer dieser sicheren Orte. Bei Google ist sie nicht zu finden – wo die „G.“-Bar sich befindet, wissen nur Insider:innen. Seit acht Jahren bietet die Bar in Bischkek, die eigentlich eher ein Nachtclub ist, einen sicheren Raum nicht nur für Mitglieder der queeren Community, sondern auch für Frauen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung.

Die große Tanzfläche und die günstigen Getränke seien bei jungen Leuten beliebt, am Wochenende kämen bis zu 600 Gäste, sagt Zhenya, der Besitzer der Bar. Unter der Woche ist es ruhiger, aber die Bar ist jeden Tag geöffnet, denn einen Safe-Space kann man immer brauchen: „Die Leute wollen irgendwo hingehen. Nicht überall ist es sicher, dem Partner seine Zuneigung zu zeigen oder mit jemandem zu flirten. Also kommen sie zu uns.“

Die Bar ist nach dem G-Punkt benannt. „Ein Ort, an dem es sich gut anfühlt, der aber nicht leicht zu finden ist“, sagt Zhenya lachend. Die Tatsache, dass die Adresse nicht öffentlich bekannt ist und es kein Schild an der Tür gibt, hat mit Sicherheit zu tun. Doch trotz Sicherheitsmaßnahmen wurde die Bar schon mit Steinen beworfen, ein Nachbar griff Gäste an und Passant:innen riefen die Polizei, als ihnen klar wurde, dass sie auf eine queere Bar gestoßen waren. „Die Polizei hat uns vom ersten Tag an Stress gemacht“, sagt Zhenya, aber die Bar sei nicht ernsthaft bedroht.

Neben „G.“ gibt es noch weitere sichere Räume in Bischkek, etwa die Community Center der LGBTQ-Organisationen Kyrgyz Indigo und Labrys, in denen verschiedene Veranstaltungen stattfinden, von englischsprachigen Clubs über Bastel-Workshops bis hin zu Informationsabenden zu Gesundheitsthemen. Und sichere Räume müssen keine physischen Räume sein, sie sind auch im Internet zu finden, beispielsweise im Online-Medium „QueerQyz“.

Die Aktivist:innen Artur und Akbermet produzieren lustige und informative Videos, in denen queere Menschen aus ihrem Leben erzählen. „Wir haben in Zentralasien nur wenige Medien mit queerer Repräsentation. Wir halten es für wichtig zu zeigen, dass es in Kirgistan viele queere Menschen gibt“, sagt Artur. QueerQyz ist ein Medium von queeren Menschen für queere Menschen. Ziel ist es nicht, Hetero-cis-Menschen Dinge zu erklären, sondern queeren Menschen die Möglichkeit zu geben, sich repräsentiert zu fühlen und zu erkennen, dass andere ähnliche Erfahrungen machen wie sie.

Ablehnung und Gewalt

In Kirgistan halten viele queere Menschen ihre Identität geheim, um sich vor Gewalt und Diskriminierung zu schützen. Filmen und Fotografieren sind daher in der „G.“-Bar verboten. Denn Outings – das unfreiwillige Offenlegen der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität einer Person – können schwerwiegende Folgen haben: Von der Ablehnung durch die eigene Familie über Mobbing durch Kolleg:innen und Klassenkamerad:innen bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes und körperlicher Gewalt.

„Meine Familie akzeptiert mich nicht. Ich lebe bei der Familie meiner Freundin. Sie akzeptieren uns als Paar. Unsere Freiheit endet bei ihrem Haus. Wir können nirgendwo anders ein Paar sein. Nicht bei der Arbeit, nicht unter Freunden.“ So zitiert eine Studie der NGO Labrys eine lesbische Frau aus dem Gebiet Tschüi. Eine andere Frau äußert sich ähnlich: „Ich habe es wirklich satt, mich zu verstecken. Meine Freundin und ich sind seit sieben Jahren zusammen. Wir sind nur in unserem Schlafzimmer zusammen. An allen anderen Orten sind wir nicht zusammen. Auf der Straße sind wir nicht zusammen. Wir können nicht zusammen ausgehen.“

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Sichtbar queere Menschen berichten, dass sie auf der Straße mit unangemessenen Fragen belästigt werden, etwa, warum sie ihre Nägel lackieren oder wie ein Mädchen aussehen würden. In konservativen Familien gibt es häufig Versuche, queere Familienmitglieder mithilfe von Psychiater:innen oder religiösen Autoritäten zu „heilen“.

Es gibt aber auch Eltern, die ihre Kinder akzeptieren und unterstützen. Es existiert sogar eine Elterngruppe, die sich regelmäßig in Bischkek trifft und über ihre Erfahrungen als Eltern queerer Kinder spricht. Generell ist die Situation für queere Menschen in Bischkek deutlich besser als in den Regionen. In der Hauptstadt gibt es einen besseren Zugang zu Informationen und Unterstützung, es gibt sichere Räume und es ist wahrscheinlicher, dass man auf offene und nicht queerfeindliche Menschen trifft als in Dörfern.

In ländlicheren Regionen und kleineren Städten gibt es kaum Möglichkeiten, als Community zusammenzukommen. „Wir kommunizieren nicht miteinander, das ist gefährlich. Natürlich wollen wir kommunizieren, aber das Risiko, geoutet zu werden, ist zu hoch. Deshalb verstecken wir uns in kleinen Gruppen“, sagt ein:e in Osch lebende:r Teilnehmende der Labrys-Studie.

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Wenn die sexuelle Orientierung einer Person bekannt wird, besteht ein hohes Risiko, dass sie Gewalt, Drohungen und Erpressungen ausgesetzt ist. Eine Studie der Organisation ECOM dokumentiert mehrere Fälle, in denen Vertreter:innen staatlicher Behörden queere Menschen zu Fake-Dates lockten und anschließend Geld von ihnen erpressten, indem sie drohten, die Person gegenüber ihrer Familie zu outen.

In den meisten Fällen erstatten LGBTQ-Personen, die Gewalt und Diskriminierung erfahren, keine Anzeige, da sie von den Behörden keine Hilfe erwarten können. Auf Polizeiwachen werden sie verspottet und bedroht, wenn nicht die Angreifer sogar selbst Polizisten waren.

Ausschluss aus dem öffentlichen Leben

Neben HIV-positiven Menschen gehören trans Personen zu den am stärksten marginalisierten Mitgliedern der kirgisischen LGBTQ-Community. Für sie ist das Risiko, Gewalt zu erleben, besonders hoch. Spott und Ablehnung gehören zum Alltag. Darüber hinaus gibt es in Kirgistan keinen Zugang zu hochwertigen Hormonpräparaten, und da die meisten trans Frauen Sexarbeit betreiben, passen die Arbeitszeiten der wenigen verfügbaren Endokrinolog:innen nicht in ihren Zeitplan. Das bedeutet, dass viele trans Frauen keinen Zugang zu Tests und Untersuchungen haben. Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2020 ist es auch nicht mehr möglich, das Geschlecht in offiziellen Dokumenten zu ändern.

Situationen, in denen ein Ausweis vorgelegt werden muss, sind für trans Personen besonders heikel. Oftmals entstehen Probleme, wenn das Aussehen der Person nicht als mit dem angegebenen Geschlecht übereinstimmend betrachtet wird. Viele trans Personen vermeiden daher den Gang zu Ärzt:innen, die Anzeige von Straftaten oder gar die Eröffnung eines Bankkontos, berichtet Anelya, Koordinatorin der Initiative MyrzAiym, die trans Personen in Kirgistan unterstützt.

Anelya spricht über ihre eigenen Erfahrungen mit Ärzt:innen: : „Vor drei oder vier Jahren landete ich im Krankenhaus. Ich musste mich einer Notoperation unterziehen. Der Arzt, der mich operieren sollte, kam zu mir, sah mich, sah meine Papiere und sagte: Solche Leute operiere ich nicht.“ Nur mit großer Mühe gelang es einer ehemaligen Kollegin, die Anelya ins Krankenhaus begleitet hatte, einen jungen Arzt zu finden, der bereit war, die Operation durchzuführen. Trans Personen können sich nicht auf medizinische Versorgung verlassen. Deshalb greifen viele zur Selbstmedikation.

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Außerdem gibt es für trans Personen kaum Möglichkeiten, einer regulären Arbeit nachzugehen oder Zugang zu höherer Bildung zu erhalten. In einer Studie der Organisation Kyrgyz Indigo sagt eine trans Frau: „Ich wollte Medizin studieren, aber aufgrund meiner Geschlechtsidentität erlauben sie es mir nicht. Ich habe mich 2021 für ein Studium beworben, wurde aber nicht angenommen.“

Das öffentliche Leben bleibt vielen trans Personen verschlossen und Angst ist eine alltägliche Erfahrung. Eine andere Studie zitiert eine trans Person aus Bischkek: „Ich habe Angst, auf der Straße meinen Mund aufzumachen. Weil ich eine Männerstimme habe. Ich stehe da wie eine Stumme. Denn wenn ich spreche, ist klar, dass ich trans bin. Was dann passieren würde, können Sie sich vorstellen. Deshalb verhalte ich mich auf der Straße immer ruhig. Es ist besonders frustrierend, wenn Leute auf mich zukommen und mich etwas fragen. Ich möchte helfen, aber ich gehe wie ein erstarrter Mensch, weil ich Angst habe, dass sie merken, dass ich trans bin.“

Umso wichtiger sind sichere Räume für trans Personen und gegenseitige Unterstützung innerhalb der Community: Anelya hat deshalb eine WhatsApp-Gruppe eingerichtet, in der sich Menschen melden können, wenn sie Hilfe benötigen. Die Initiative MyrzAiym bietet außerdem regelmäßig Freizeitaktivitäten wie Volleyball oder Schwimmen in einer sicheren Umgebung an. So ermöglicht sie trans Personen die Ausübung von Hobbys, denen sie in der Öffentlichkeit nicht nachgehen können, weil sie sich zum Beispiel nicht im Badeanzug oder in der Umkleide im Sportclub zeigen können.

Der Kampf um „traditionelle Werte“

Während die Akzeptanz queerer Menschen in der kirgisischen Gesellschaft nie besonders hoch war, hat sich ihre Situation seit Beginn der Präsidentschaft von Sadyr Dschaparow im Jahr 2020 weiter verschlechtert. Dschaparow, der dabei ist, das Land durch zahlreiche Gesetzesänderungen in einen autoritären Staat zu verwandeln, treibt das Narrativ der „traditionellen Werte“ Kirgistans voran und stellt Fragen der Moral und der nationalen Identität in den Mittelpunkt seiner Kampagnen. Ähnlich wie die staatliche Propaganda in Russland haben die kirgisischen Mainstream-Medien in den letzten Jahren häufig einen zersetzenden westlichen Einfluss propagiert. Homosexualität gilt als westlicher „Import“, der das Land und seine Werte destabilisiert.

Um eine Oppositionspartei zu diskreditieren, wurde während des Wahlkampfs 2020 in den sozialen Medien ein heimlich aufgenommenes Video verbreitet, das zwei Männer beim Sex zeigt. „Diese Kirgisen gehörten überhaupt keiner politischen Partei an, aber in der Hoffnung auf eine homophobe Reaktion nutzten kirgisische Politiktechnologen sie aus, um die politischen Interessen anderer zu fördern“, berichtet das unabhängige Nachrichtenportal Kloop.

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Derart kritische Berichte in den kirgisischen Medien sind jedoch selten. Nach einem Monitoring zwischen Oktober 2022 und Juni 2023 kam die NGO Kyrgyz Indigo zu folgendem Ergebnis: „Wir haben mehr als 200 Geschichten analysiert, die die queere Community hervorhoben. Fast 80 Prozent der Nachrichten waren Geschichten, in denen es hieß, dass die Existenz von LGBT+-Menschen zur Zerstörung der nationalen Identität, Moral und Familienwerte führe.“ In den Nachrichten wurden auch NGOs diskreditiert, die Gelder aus dem Ausland erhalten. In vielen Artikeln wurde argumentiert, dass sie westlichen Interessen dienten und auf die Schwächung traditioneller kirgisischer Werte hinarbeiten würden.

Queere Traditionen: ein Gegennarrativ

LGBTQ-Aktivist:innen versuchen, den Behauptungen entgegenzuwirken, dass Homosexualität und Queerness im Widerspruch zur kirgisischen Identität und Tradition stünden. Sie zeigen, dass Queerness schon immer Teil der kirgisischen Geschichte war und auch in Folklore und Traditionen zu finden ist. Beispielsweise bezieht sich der Name des Mediums QueerQyz auf den historischen Namen Kirgistans, der sich aus den Wörtern „kyrk“ (vierzig) und „qyz“ (Mädchen) zusammensetzt. „Es gibt eine Legende, die besagt, dass unsere Nation von 40 Mädchen gegründet wurde, was ein bisschen queer ist“, sagt Akbermet, eine der Gründer:innen von QueerQyz.

Allerdings rufen solche Versuche, Tradition und Folklore mit Queerness zu assoziieren, bei konservativen Bürger:innen besonders negative Reaktionen hervor. Akbermet spricht über Illustrationen, die sie für die Instagram-Seite von QueerQyz erstellt hat: „Ich habe unsere Jurte mit einem Regenbogen und zwei sich küssende Mädchen gezeichnet, die unsere nationale Kleidung tragen, was natürlich viel Hass hervorgerufen hat.“

Unter dem Beitrag gab es viele Hasskommentare, die die von der Regierung und den Mainstream-Medien verbreitete Propagandaerzählung widerspiegeln. „Bitte verwenden Sie keine nationalen Themen. Unser Volk ist nicht so verdorben, wenn es darum [Homosexualität] geht. In Europa ist es in Ordnung, aber in unserem Land ist es nicht willkommen“, heißt es in einem der Kommentare. Viele andere klingen sehr ähnlich.

Gesetze nach russischem Vorbild

Die Anti-Queer-Propaganda fällt bei vielen Bürger:innen auf fruchtbaren Boden. Die Regierung nutzt die queerfeindliche Stimmung auch, um restriktive Gesetze einzuführen. Seit August 2023 ist es illegal, Material unter Minderjährigen zu verbreiten, das traditionelle und familiäre Werte leugnet und „nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen“ befürwortet. Das Gesetz ist dem russischen Gesetz von 2013 sehr ähnlich, welches ebenfalls sogenannte „homosexuelle Propaganda“ unter Minderjährigen verbot (mittlerweile wurde dieses Gesetz durch ein restriktiveres ersetzt, das alle queeren Inhalte in Russland verbietet).

Allerdings ist das kirgisische Gesetz weniger klar formuliert als das russische, sodass nicht klar ist, in welchen Fällen gegen das Gesetz verstoßen wird und in welchen nicht. In Russland war es beispielsweise möglich, queere Inhalte mit dem Warnhinweis „18+“ zu verbreiten. Es ist unklar, ob solche Warnhinweise ausreichen, um vor einer Strafverfolgung in Kirgistan zu schützen. Derart vage formulierten Gesetze sind ein Freibrief für Repression, da sie von den Behörden und Gerichten beliebig ausgelegt werden können.

Queere Organisationen und Medien gehen unterschiedlich mit dem neuen Gesetz um. Einige posten kaum noch in den sozialen Medien und organisieren keine Veranstaltungen mehr, während andere weiterhin zu Veranstaltungen einladen und Informationen veröffentlichen – allerdings mit „18+“-Warnhinweisen.

Auch für NGOs, die sich für die Rechte von LGBTQ-Menschen einsetzen, ist grundsätzlich unklar, ob und wie sie ihre Arbeit fortsetzen können. Im Oktober wurde in erster Lesung ein Gesetzesentwurf vom Parlament verabschiedet, der dem russischen Gesetz über „ausländische Agenten“ sehr ähnelt und sich gegen NGOs richtet, die Gelder aus dem Ausland erhalten. Ohne Geld aus dem Ausland könnten LGBTQ-Organisationen in aber Kirgistan nicht existieren. Sollte das Gesetz in Kraft treten, müssen sich die betroffenen NGOs als „ausländische Agenten“ registrieren und würden strengen Kontrollen unterliegen.

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Außerdem soll ein neuer Artikel in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden. Darin heißt es, dass jemand, der eine NGO gründet oder mit ihr zusammenarbeitet, „die die Persönlichkeit oder Rechte von Bürgern verletzt“, mit einer Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren rechnen muss. Was genau es bedeutet, die „Persönlichkeit oder Rechte von Bürgern“ zu verletzen, ist nicht definiert. Das Gesetz kann also gegen unliebsame Aktivist:innen eingesetzt werden, die ohnehin häufig der Gefahr von Übergriffen und Outings ausgesetzt sind.

Die restriktiven Gesetze und queerfeindlichen Narrative in den regierungsnahen Medien führen auch dazu, dass sich homophobe Bürger:innen in ihren Ressentiments bestätigt fühlen und sich auf der richtigen Seite sehen, wenn sie queere Menschen angreifen. „Die Menschen fühlen sich sicher, dass sie queeren Menschen Schaden zufügen können. Sie tun es einfach, weil sie wissen, dass die Regierung uns nicht beschützen wird“, sagt Akbermet, die selbst bedroht und vor ihrer Familie geoutet wurde.

Den Status quo verteidigen

Eine Aktivistin der Organisation Labrys spricht angesichts dieser Entwicklungen von „dunklen Zeiten“. In der queeren Community herrscht ein Gefühl der Unsicherheit, da unklar ist, was als nächstes passieren wird, womit man davonkommt und womit nicht. Diese Unklarheit sei zermürbend, sagt „G.“-Bar-Betreiberin Zhenya. „Spüren wir die Auswirkungen, was die Gesetzesentwürfe betrifft? Noch nicht. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass wir sie spüren werden. Ich weiß nicht, ob es uns überhaupt betreffen wird. Aber wir leben die ganze Zeit in Angst, was betroffen sein wird.“ Das Medium QueerQyz hat seine Inhalte auf Instagram unsichtbar gemacht, bis klar ist, wie genau das Gesetz funktioniert.

Aktivist:in Meena (Pseudonym) von Kyrgyz Indigo fügt hinzu: „Wir sind alle sehr erschöpft. Wir können uns nicht einmal vorstellen, was uns erwartet, und wir können nicht einmal ahnen, was passieren kann. Wir bewegen uns einfach wie früher und versuchen, unser normales Leben zu führen. Aber im Hinterkopf verstehen wir, dass es nicht mehr so ist wie früher. Wir wissen nicht, wie wir uns in der neuen Realität verhalten sollen. Es stresst uns.“

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Viele Aktivist:innen scheinen sich darin einig zu sein, dass es nicht die richtige Zeit ist, um laut zu sein und für mehr Sichtbarkeit zu kämpfen, sondern um die Gemeinschaft zu schützen und das bereits Erreichte zu verteidigen. „Ich denke, was wir jetzt tun müssen, ist, für Sicherheit zu sorgen. Unser Ziel ist es, das bereits Erreichte zu erhalten, denn es wurde schon viel Arbeit geleistet. Ich persönlich denke, dass es nicht die Zeit für Wachstum ist. Vielleicht nur für Schutz“, sagt Meena, fügt dann aber hinzu: „Aber historisch gesehen sind Krisen die beste Zeit für einen Durchbruch.“

Hoffnung und Widerstand

Die queere Community in Kirgistan hat in den letzten Jahren viel erreicht. Sie hat sich aktiv für ihre Rechte eingesetzt und erfolgreiche Kampagnen organisiert, die das Bewusstsein für Antidiskriminierungsthemen gestärkt haben. Es wurden sichere Räume und aktive Netzwerke geschaffen und in mehreren NGOs finden queere Menschen medizinische, rechtliche und psychologische Hilfe. LGBTQ-Künstler:innen und -Aktivist:innen haben sich erfolgreich Symbole und Narrative angeeignet und diese neu interpretiert – Symbole und Narrative, die viele konservative, queerfeindliche und nationalistische Bürger:innen für sich beanspruchen.

Immer wieder hat die Gemeinschaft unter widrigen Umständen ihre Stärke und Entschlossenheit unter Beweis gestellt, das Erreichte zu verteidigen und trotz allem weiterzumachen. Und so geht das queere Leben in Kirgistan trotz der schwierigen Situation weiter: Ende Oktober wurde im Zentrum von Bischkek eine große queere Halloween-Party mit Drag-Show und Vogue auf der Bühne gefeiert, und im November eröffnete die Initiative Fem Museum eine große Ausstellung queerer Kunst.

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All das ist noch möglich. Doch ob das so bleibt und wie die Zukunft in Kirgistan aussieht, bleibt ungewiss. Es gibt wenig Grund zum Optimismus, aber die Community scheint entschlossen, die noch vorhandenen Freiheiten weiterhin zu nutzen und dafür zu kämpfen, dass sich die Situation nicht weiter verschlechtert. „In einer solchen Situation ist es sehr schwierig, die Hoffnung nicht zu verlieren“, sagt Artur von QueerQyz. „Aber ich habe immer Hoffnung.“

Norma Schneider für Novastan

Aus dem Englischen von Robin Roth

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