Im Januar 2022 kamen bei gewalttätigen Ausschreitungen in Kasachstan über 200 Menschen ums Leben. Trotz darauffolgenden Reformen und Ankündigungen von einem „neuen Kasachstan“ stockt aber die Aufarbeitung der oft als „blutiger Januar“ bezeichneten Ereignisse. Für die Angehörigen der Todesopfer bedeutet die zähe Auseinandersetzung mit den Behörden weitere Strapazen. Folgender Long-Read erschien am 12. September 2022 im russischen Original bei der kasachstanischen Online-Zeitung Vlast.kz.
Triggerwarnung: Der Text enthält explizite Darstellungen oder Erwähnungen körperlicher und seelischer Gewalt.
Mitte August, mehr als sechs Monate nach den Januar-Ereignissen, veröffentlichte die kasachstanische Generalstaatsanwaltschaft endlich eine Liste der Todesopfer – ein Dokument, so spärlich wie die regelmäßigen Briefings der Behörde. Die Personen, die ums Leben kamen, sind nach Nachnamen geordnet aufgelistet, mit Initialen, aber ohne weitere Informationen.
Eine Antwort auf viele der Fragen, die seit Januar im Raum stehen, bleibt aus: Wie kam es, dass mehr als zweihundert Kasachstaner:innen starben, von denen viele in jenen Januartagen zufällig auf der Straße waren, warum gab es so gut wie keine Tatverdächtigen …? Vlast.kz sprach mit den Angehörigen der Opfer, Anwält:innen und Menschenrechtsaktivist:innen über die langwierigen Ermittlungen und den Kampf um Gerechtigkeit.
„Wer hätte sich vorstellen können, dass er hierherkommen und sterben würde?“
Abdyǵappar Orazǵali wurde in China geboren, im Kasachischen Autonomen Bezirk Ili des Autonomen uigurischen Gebiets Xinjiang. Er war professioneller, preisgekrönter Läufer und trainierte in einem angesehenen Club in Beijing. Im August 2021 zog Orazǵali auf Einladung einer Kinder- und Jugendsportschule in Almaty nach Kasachstan. Einige Monate später erhielt er die kasachstanische Staatsbürgerschaft und verfolgte seinen Traum, bei Wettkämpfen die Flagge Kasachstans zu hissen.
Im Januar 2022 war Orazǵali 19 Jahre alt, als er im Zuge der Januar-Ereignisse ums Leben kam. „Am 11. Januar erhielten wir seine Leiche im Leichenschauhaus. Er wurde im Gebiet Almaty beigesetzt. Es ist nicht klar, wer ihn erschossen hat. Es gibt keine Antworten, die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Es wurde eine ballistische Analyse durchgeführt. Ich bin das einzige Familienmitglied in Almaty, die anderen leben außerhalb der Stadt. Ich bin der Vertreter des Opfers“, erklärt Serikbaı Aıtan, ein Cousin des Verstorbenen, der dafür kämpft, dass die Verantwortlichen für Orazgalis Tod gefunden werden.
„Er kam nach Kasachstan, um den Namen seines Heimatlandes zu verteidigen. Er hatte nicht einmal Zeit, das Land kennenzulernen. In China hat er für seine Erfolge sehr hart gearbeitet. Wer hätte sich vorstellen können, dass er hierherkommen und sterben würde.“
Lest unsere Bericherstattung über die Januar-Ereignisse in Kasachstan
Am 5. Januar befand sich Orazǵali auf dem zentralen Platz von Almaty, so der Anwalt seiner Familie, Qoschqar Moldabekov. Nach seinem Tod wurde er wegen der Teilnahme an Massenunruhen angeklagt. An Angriffen auf Regierungseinrichtungen oder Pogromen sei er aber nicht beteiligt gewesen. Das aufgrund von Orazǵalis Tod eingeleitete Mordverfahren steht seit sieben Monaten still.
„Der Fall liegt bei der städtischen Polizei. Es wurden zahlreiche gerichtsmedizinische Untersuchungen angeordnet. Wir interessieren uns für die Umstände von Abdyǵappar Orazǵalis Tod. Wer hat die Schüsse abgefeuert? Woher kamen sie? Mit was für einem Geschoss? Erhielt er medizinische Versorgung? Wer brachte ihn in eine medizinische Einrichtung? Wir haben viele Appelle an die städtische Polizeibehörde und Staatsanwaltschaft geschrieben, aber ohne Antworten. Dann haben wir die Bezirksgerichte angeschrieben, keine Reaktion. Sie geben nur Ausreden: Eine Untersuchung sei im Gange, sie sei vertraulich und es werde nach ihrem Abschluss Antworten geben. […] Es wurde eine gerichtsmedizinische Untersuchung durchgeführt. Es gibt Beweise für den Tod durch Schusswunden. Es läuft der siebte Monat der Ermittlungen, aber nichts ist bekannt. Wir fordern, dass der Fall vollständig untersucht wird und die Beweise vorgelegt werden. Das größte Problem ist, dass sich die Ermittlungen in die Länge ziehen“, erklärt der Anwalt.
Namen finden
Am 16. August veröffentlichte die kasachstanische Generalstaatsanwaltschaft eine Liste von 238 Menschen, die bei den Schießereien im Januar und an den dort erlittenen Verletzungen ums Leben gekommen sind. Das Dokument enthält nur die Nachnamen und Initialen der Personen, aber keine Angaben über ihr Alter, den Ort oder die Umstände ihres Todes. Eldos Qilymjanov, stellvertretender Leiter der Strafverfolgungsabteilung der Generalstaatsanwaltschaft, sprach von einer „ersten“ Liste, gab aber nicht an, wann sie ergänzt werden würde. Ihm zufolge dauern die Ermittlungen zum Tod von 176 Menschen noch an.
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Zu dem Zeitpunkt, als die Generalstaatsanwaltschaft die Namen der Todesopfer veröffentlichte, waren bereits zwei Listen öffentlich zugänglich, die unmittelbar nach den Januar-Ereignissen vom Freiwilligenteam Qantar 2022 (Qantar ist kasachisch für Januar, Anm. d. Ü.) und Journalist:innen von Radio Azattyq – dem kasachstanischen Dienst von Radio Free Europe/ Radio liberty – zusammengestellt worden waren. Es gelang ihnen, die Daten von jeweils 235 bzw. 188 Personen zu erfassen und zu überprüfen. Beim Vergleich der drei Listen stoß die Redaktion von Vlast.kz auf 22 Namen, die in den Listen von Qantar 2022 und Radio Azattyk nicht auftauchen.
Da nur die Nachnamen voll angegeben sind, lassen sich keine Informationen aus offenen Quellen zu diesen Personen finden. Darüber hinaus sind die Namen von mindestens 23 der Toten nicht auf der offiziellen Liste der Generalstaatsanwaltschaft aufgeführt. Vlast.kz konnte den Tod von fünf dieser Personen zuverlässig bestätigen: Am 7. Januar wurde der 22-jährige israelische Staatsbürger Levan Kojiashvili in Almaty getötet. Der Mann war nicht an den Protesten beteiligt und wurde erschossen, als er mit seinem Auto unterwegs war. Am 5. Januar wurde dem 12-jährigen Sultan Qamshybek aus Almaty in den Hinterkopf geschossen.
Er war mit seiner Mutter, seinem Onkel und seiner Tante in einen Laden gegangen, hörte Schüsse, dachte, dass jemand Feuerwerkskörper zündete, und begann, das Geschehen auf Video aufzunehmen. Am 6. Januar verließ Nikolaı Lebedev, 59, seine Wohnung in Almaty und verschwand. Seine Leiche wurde erst am 18. Januar gefunden. Am 8. Januar wurde der 25-jährige Aqjol Qilybaev aus dem Dorf Qasqabulak des Gebiets Abaı im Osten des Landes von der Polizei wegen seiner Teilnahme an einer Kundgebung in Semeı zum Verhör vorgeladen.
Am 9. Januar fand seine Mutter, Nurgul, ihren Sohn erhängt in der Garage. Am 10. Januar starben der Berufssoldat Shavkat Armidinov und ein Kollege bei einem Autounfall im Gebiet Jambyl. Sie befanden sich beim Diensteinsatz, um nach Protest-Teilnehmenden und Angreifern der lokalen Vertretung des Sicherheitsdienstes KNB zu suchen. Auf eine Anfrage von Vlast.kz antwortete die Generalstaatsanwaltschaft, dass „während der Ereignisse im Januar 232 Menschen starben, darunter 213 Zivilisten und 19 Mitglieder der Sicherheitskräfte“. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sechs Personen, die die Behörde nicht in die Gesamtzahl der Todesfälle einbezogen hat, an den Folgen von Folter gestorben sind. Die Staatsanwaltschaft schrieb weiter, dass „jede Tatsache, die zum Tod von Bürgern während der Ereignisse im Januar geführt hat, Gegenstand einer strafrechtlichen Untersuchung ist“. Ob im Zusammenhang mit dem Tod von Personen, die nicht auf der offiziellen Liste standen, Strafverfahren eingeleitet wurden, ist nicht bekannt.
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In Fällen, in denen nach dem Tod einer Person ein Strafverfahren eingeleitet wurde, ergeben sich zahlreiche Komplikationen. In einigen Fällen wird zunächst wegen Mord ermittelt, woraufhin ein Fall später als „Machtmissbrauch mit Todesfolgen“ umqualifiziert werden kann. Gegen die Verstorbenen kann hingegen aufgrund von zwei Artikeln des Strafgesetzbuchs ermittelt werden: terroristische Handlungen und Massenunruhen. Selbst wenn ein Mordfall eröffnet wurde, kann er schnell eingestellt werden, und die Angehörigen der Opfer und ihre Anwälte müssen lange Zeit eine faire Untersuchung fordern.
Opfer eines „verirrten“ Geschosses
Am 30. Juni besuchten mehrere Polizeibeamte die Familie von Almaz Berekenov im Dorf Tasqala des westkasachstanischen Gebiets Atyraý. Vier betraten das Haus, während die anderen vor der Tür blieben. Es handelte sich um Kollegen mancher Familienangehöriger, die in der Strafverfolgung tätig waren. Unter ihnen war auch der Mann, der Almaz Berekenov während der Proteste im Januar in Atyraý erschossen hatte. Im Inneren des Hauses warteten Berekenovs Angehörige und enge Verwandte auf die Besucher. Die Polizeibeamten baten die Angehörigen um Verzeihung. Berekenovs Familie fragte: „Warum wurde er erschossen?“
Es habe sich um Selbstverteidigung gehandelt, hieß es. Unter den Demonstrierenden hätten sich Gruppen von Provokateuren befunden, die die Ordnungshüter angegriffen und einige verwundet hätten. Berekenov sei Opfer einer „verirrten“ Kugel gewesen, hieß es. Der Tradition nach versorgte die Familie die Besucher mit dem Fladenbrot „Shelpek“ und begleitete sie hinaus. Sie wollten weiter überdenken, ob sie bereit waren, dem Mörder von Berekenov zu verzeihen. Almaz Berekenov war im Januar 2022 35 Jahre alt. Er war ein aktiver Sportler – ihm zu Ehren werden heute Turniere in seinem Heimatdorf veranstaltet. Er konnte auch gut singen.
Er arbeitete im technologischen Bereich, reparierte Videokameras und Computer und studierte Hochtechnologie. Am 5. Januar war er unter den Demonstrierenden in Atyraý. Auf Videoaufnahmen, die die Strafverfolgungsbehörden den Angehörigen zeigten, war zu sehen, wie er mit einer wehenden Flagge Kasachstans in einer Ecke stand. „Mein Neffe war ein guter Mensch. Wir stammen selbst aus einer Familie von Polizeibeamten, unser Vater hat bei der Polizei gearbeitet. Es ist jetzt für uns alle sehr schwer, unser Dorf Tasqala hat es schwer, aber ich bin unseren Bewohnern dankbar, sie haben uns geholfen, es zu ertragen. Wir haben diese Last gemeinsam getragen. Mein Bruder ist ein gebildeter, kultivierter und guter Mensch. Als er sein Gehalt erhielt, gab er einen Teil des Geldes an Bedürftige weiter. Er hat immer allen geholfen“, sagt Berekenovs Tante Jannat Berekenova.
Sie forderte von Anfang an, dass die Behörden den Verantwortlichen für den Tod ihres Neffen finden. Sie schrieb an die regionale Polizeidienststelle, sprach dort regelmäßig mit den Beamten. Am 21. Juni erfuhr Berekenova, dass die strafrechtlichen Ermittlungen zum Tod ihres Neffen bereits am 29. April eingestellt worden waren. „Am nächsten Morgen rief ich bei der Polizei an: ‚Warum wurde der Fall abgeschlossen? Warum höre ich erst jetzt davon?‘ Sieben Monate quälen sie mich schon. Ich forderte ein Treffen mit dem Abteilungsleiter, traf ihn um 9 Uhr. Er hatte keine Antworten, bat nur um Entschuldigung. Später, am 29. Juni, rief mich die Sonderstaatsanwaltschaft an. Sie drückten ihr Beileid aus, erklärten, dass gegen ihn ein Strafverfahren wegen der Teilnahme an illegalen Demonstrationen eingeleitet worden sei. Wie kann man ein Strafverfahren gegen einen Toten eröffnen? Wen werden Sie befragen? Sie sagten, sie hätten dieses Recht, das Verfahren sei eröffnet worden und müsse abgeschlossen werden. Ich sagte: ‚Wie kann man einen friedlichen Mann erschießen, der nur eine Fahne hält?‘ Nach den Gesetzen Kasachstans darf man nicht einmal ungestraft einen Hund erschießen. Aber für die Tötung eines Menschen gibt es keine Strafe. Bis heute habe ich noch keine wirklichen Antworten erhalten“, erläutert Berekenova.
Die Frau wollte trotz des Besuchs des Verantwortlichen für den Tod ihres Neffen den Kampf für dessen Bestrafung nicht aufgeben. Sie besprach die Situation mit ihren Verwandten und dem Imam ihrer Moschee. Sie kamen zu dem Schluss, dass sie Wahrheit und Gerechtigkeit nicht erreichen können, wie bereits im Fall des Aktivisten Dýlat Aǵadil, der 2020 in einem Haftzentrum in der Hauptstadt starb – offiziell an Herzversagen, laut seinen Angehörigen aber durch Folter.
„Ich habe viel nachgedacht und gemerkt, dass ich die Wahrheit nicht ans Licht bringen kann. Ich beschloss, das Ganze zu beenden. Sonst schadet das nur noch meiner Gesundheit. Aber es gibt Allah. Blut wurde vergossen. Es bleiben unsere Tränen, die Tränen unserer Nachbarn, unserer Brüder und Schwestern. Unschuldige Tränen und unschuldiges Blut werden denjenigen einholen, der sie vergossen hat, bis hin zur siebten Generation. Das sagen unsere älteren Leute. Ich habe beschlossen, dass ich alles Allah überlasse. Ich hoffe, dass wie bei Jeltoqsan (blutige Studierendenproteste in Alma-Ata 1986, Anm. d. Ü) die Wahrheit ans Licht kommt„, schließt Berekenova ab.
„Sie gaben die Leiche erst nach einem Monat frei“
Rýslanbek Jubanazarov war 30 Jahre alt. Er hatte im Rahmen eines befristeten Rotationsplans auf den Öl- und Gasfeldern Teńiz und Keńqiıaq sowie im Baugewerbe auf verschiedenen Baustellen gearbeitet. In der Nacht des 6. Januar reiste er von seinem Heimatdorf Móńke Bi nach Aqtóbe, um Geld zu verdienen. Ruslanbek wollte ein Geschenk für seinen Sohn kaufen, nachdem dieser die Silvesternacht bei seiner Ex-Frau verbracht hatte. Das letzte Mal, als seine Familie ihn sah, ging er zum Haus seiner Schwester Jaınagúl Jubanazarova, um seine Sachen abzugeben, und fuhr dann mit Freunden ins Stadtzentrum.
Zu dieser Zeit fanden bereits Demonstrationen in Aqtóbe statt. Am nächsten Morgen konnte seine Familie ihn nicht mehr finden. Wie sich später herausstellte, war Jubanazarov um vier Uhr morgens erschossen worden. „Als die Schießerei begann, explodierte etwas an der Seite des Akimats (die Regionalverwaltung, Anm. d. Ü.).Dort blieben seine Freunde. Er ging dorthin und wurde gegenüber vom Dina-Hypermarkt erschossen. Alles wurde aufgezeichnet. Wie er weglief, wie er angeschossen wurde, wie zwei Typen ihn irgendwohin schleppten. Wir haben überall angerufen und konnten ihn nicht finden. Schließlich erfuhren wir, dass er in der Leichenhalle lag. Sie haben uns die Leiche nicht gezeigt, einen Monat lang wollten sie ihn nicht zurückgeben. Sie sagten, er sei ein Terrorist. Ich habe mich mit dem stellvertretenden Ermittlungsbeamten der Polizei getroffen, und er sagte mir ‚Ihr Bruder hatte eine Waffe‘“, so Jubanazarova.
Demonstrierende in Aqtóbe am 4. Januar 2022 Nachdem sie erfuhren, dass der Leichnam nicht an die Verwandten übergeben werden würde, versammelten sie sich in ihrem Dorf und hielten eine Sadaqa ab (ein traditioneller Ritus, bei dem Münzen im Namen des Verstorbenen an alle gegeben werden, die zur Totenwache kommen – Vlast.kz). Drei Tage später begann Jubanazarova erneut, Erklärungen zu schreiben und Antworten zu verlangen.
„Welche Beweise gibt es dafür, dass er ein Terrorist war? Warum geben Sie uns seine Leiche nicht? Er hatte nichts in seinen Händen. Es sind schon zehn Tage vergangen. Ich ging zum Ort seines Todes. Ich konnte Videomaterial auftreiben. Es zeigte, dass er keine Waffe in den Händen hielt. Danach bin ich zu Journalisten gegangen. Ich habe erneut Erklärungen geschrieben. Es dauerte einen Monat, bis sie die Leiche freigaben“, sagt die Schwester des Verstorbenen.
Bei der Übergabe der Leiche hieß es, die Geschosse seien durchgedrungen und nicht mehr auffindbar: „Wir wohnen ja in einer kleinen Stadt. Ich habe meine Freunde in der Leichenhalle kontaktiert. Sie sagten, Männer in Zivilkleidung seien gekommen und haben die Kugeln entfernt. Sogar der Mann, der die Autopsie durchführte, sagte, dass er sich weigerte zu arbeiten, wenn Leute auf die Art hereinkommen und sich in seine Arbeit einmischen. Sie brachten einen weiteren Mann, ließen den Leiter des Leichenschauhauses unterschreiben, dass es keine Kugeln gab“, sagt sie. Jubanazarova appellierte weiter an die Polizei und die Staatsanwaltschaft und verlangte, dass ihr Bruder in dem Terrorismusfall freigesprochen wird.
Die Behörden weigerten sich jedoch sogar, sie als berechtigte Vertreterin des Opfers anzusehen. Sie formulieren es so: „Du bist ein Niemand für ihn“. „Wie, niemand? Ich bin seine leibliche Schwester! Ich möchte alle Ermittlungsmaßnahmen kennen. Keine Dokumente. Sie wollen mir nichts geben. Seit sieben Monaten habe ich darum gebeten, ihn zu vertreten. Sie haben mich hin- und hergeschoben. Welche Beweise? Es gibt keine. Sie haben ihn einfach getötet und ihm das Label ‚Terrorist‘ angehängt“, erklärt sie. Sieben Monate nach Jubanazarovs Tod kam die Nachricht, dass das Verfahren wegen Machtmissbrauchs durch Strafverfolgungsbeamte eingestellt worden war. „Sie sahen in seinem Tod kein kriminelles Vergehen. Wie ist das möglich? Er ist doch gestorben! Wie kann es sein, dass es kein Strafverfahren gibt? Ich habe geschrien und geflucht und geweint. Aber es ändert sich nichts. Wie ist er gestorben? Wie wurde er erschossen? Wer hat ihn erschossen? Das sind die Fragen, die mich beschäftigen. Ich möchte die Schuldigen finden“, so Jubanazarova abschließend.
„Sie meinten, er sei ein Terrorist, der Anführer irgendeiner Bande“
Valentina und Andreı Opushiev waren 16 und 17 Jahre alt, als sie Anfang Dezember 2021 im südkasachstanischen Taraz heirateten. Zu dieser Zeit erwartete Valentina ein Kind. Am 6. Januar ging Andreı zur Arbeit in einer Wurstfabrik und kehrte danach nicht mehr nach Hause zurück. Seine Familie fand ihn am nächsten Abend in der Leichenhalle. „Sein Bein und drei Rippen waren gebrochen, sein Kiefer war herausgeschlagen, seine Zähne waren fast weg, er war übersät mit Schürfwunden“, sagt Valentina. Auf seiner Kleidung war ein kleines Einschussloch zu sehen. „Vorne in der Nähe seines Herzens flog die Kugel heraus. Die Kleidung wurde uns nicht zurückgegeben, wir durften nur ein Foto davon machen“, fügt sie hinzu.
Ihr zufolge riefen die Ermittler in den folgenden Monaten nur selten an. Wenn, dann baten sie die Angehörigen darum, das wegen Opushievs Tod eingeleitete Verfahren einzustellen. Im Gegenzug wollten sie das Terrorismusverfahren gegen ihn einzustellen. „Er wurde als Terrorist bezeichnet und als Anführer irgendeiner Bande. Sie zeigten uns mehrere Videos: Wie mein Mann rennt, als schon geschossen wurde, wie er einfach geht, aber mit gebrochenem Bein. Dann zeigten sie ein weiteres Video, auf dem viele Menschen zu sehen waren, darunter auch mein Mann. Und es gab ein weiteres Video von meinem Mann, als er bereits getötet worden war und seine Leiche in das städtische Krankenhaus gebracht wurde. Sie fügten hinzu, dass er eine Waffe habe und etwas zestörte oder verbrenne, obwohl das nicht der Fall war“, erzählt sie.
Die Ermittler sagten, der junge Mann habe angeblich Tramadol genommen und sei in betrunkenem Zustand gewesen. „Er wurde einer Autopsie unterzogen. Als wir ins Leichenschauhaus gingen, gaben sie uns eine Sterbeurkunde, wo nichts dergleichen stand“, wendet seine Frau ein. Nach Angaben von Andreıs Vater, Shakir Ahunov, beziehen sich die Ermittler auf Zeugenaussagen. „IhrZeuge war ein Bekannter unseres Sohnes. Ich ging zu ihm und fragte ihn, warum er eine solche Aussage machte. Er sagt: ‚Sie haben mich gezwungen. Ich habe das wiederholt, was sie sagten‘“, sagt der Mann.
Die Ermittler waren empört, dass der Vater beschloss, selbst mit dem Zeugen zu sprechen, und versprachen eine Gegenüberstellung, die jedoch nie stattfand. Der Familie ist nicht bekannt, ob eine Untersuchung von Andreıs Tod im Gange ist. „Ich stellte ihnen (den Ermittlern – Vlast.kz) eine Frage: Wer hat ihn getötet? Haben Sie den Täter gefunden?“, so der Vater. „Sie antworteten: ‚Das ist nicht unsere Aufgabe‘. Ich fragte: Wie viele Menschen wurden getötet, wer ist dafür verantwortlich? Wie oft sie uns vorgeladen haben, haben sie kein Wort darüber verloren, haben uns nichts gezeigt.“ Ahunov geht davon aus, dass sein Sohn von einem Scharfschützen getötet wurde: „Weil er ins Herz getroffen wurde. Ein Freund, der ihn begleitete, wurde am Kopf getroffen. Sie wurden am selben Tag beigesetzt. Das war kein versehentlicher Einschuss“.
Der Vater erinnert sich daran, dass die Mitarbeiter:innen des Leichenschauhauses zunächst eine Stichwunde auf dem Attest vermerken wollten: „Als wir den Totenschein abholen wollten, waren da zwei Männer in Zivil. Wer sie waren, weiß ich nicht. Die Bescheinigung wurde von einer Frau ausgestellt, die sich die beiden ansah und sagte: ‚Ich schreibe es um, ja? Soll ich es umschreiben?‘ Ich fragte: ‚Was willst Du umschreiben?‘ Sie sagte, dass er eine Stichwunde hatte und die Todesursache akuter Blutverlust war. Ich wurde allmählich laut und sagte: ‚Mit welcher Begründung? Sie schicken uns hin und her, lassen uns rennen. Hier eine Bescheinigung, da eine Bescheinigung, diese Bescheinigung, und am Ende wurde eine Schusswunde angegeben“.
Die Angehörigen wissen immer noch nicht, ob die Kugel gefunden wurde, und es wird von verschiedenen Seiten Druck auf sie ausgeübt. Andreıs Mutter wurde von der Polizei darauf hingewiesen, dass die Familie für die Kosten des Gutachtens – etwa 2 Millionen Tenge (ca. 4300 Euro) – aufkommen müsse, und im Gegenzug wurde ihr erneut angeboten, die Klage zurückzuziehen. Einmal wollte die Polizei Andreıs Frau Valentina als angebliche Mittäterin bei den Massenunruhen befragen. „Ein Mädchen lief durch die Menge (während der Januar-Ereignisse – Vlast.kz), und sie sagten mir, dass ich es sei“, sagte Valentina. „Ich war zu dieser Zeit zu Hause. Sie meinten: ‚Wir werden dich verhören‘. Ich sagte: ‚Ich bin minderjährig, besorgen Sie mir einen Anwalt, dann können Sie mich verhören‘. Und sie haben mich nie verhört, weil sie keine Beweise hatten“. Shakir Ahunov sagt, er sei bereit, vor Gericht und gegebenenfalls in allen Instanzen zu beweisen, dass sein Sohn nichts mit Terrorismus zu tun hatte, aber der Fall wurde noch nicht an ein Gericht weitergegeben.
Auf der Suche nach Antworten
Wenn sie bei den Ermittlungen keine Gerechtigkeit erfahren, protestieren einige Angehörige der Verstorbenen und schließen sich mit anderen Opfern zusammen. Sie begannen ihre Proteste bereits Ende Januar. Am 11. Juli verbrachten zwei Dutzend Angehörige von Todesopfern die Nacht vor dem Gebäude der Präsidialverwaltung und forderten eine faire Untersuchung der Fälle, den Freispruch der Toten, die posthum wegen Massenunruhen verfolgt wurden, und die Zahlung von Entschädigungen. Die Menschen kamen aus allen Ecken des Landes: Aqtóbe, Almaty, Óskemen, Taraz und Shymkent.
Sie verbrachten drei Nächte beim Präsidentensitz Aqorda, bevor sie von der Polizei festgenommen wurden. Unter ihnen war auch Aıgerim Niıazbaeva mit einem vier Monate alten Baby im Arm. Ihr Ehemann, Qaırat Niıazbaev, starb am 5. Januar auf dem Platz der Republik in Almaty. Nach Angaben der Frau wollte er sehen, was los war, und wurde von einem Schuss am Hals getroffen. „Ich verlange, dass [Präsident Qasym-Jomart] Toqaev zu uns kommt und erklärt, warum er den Schießbefehl gegeben hat! Wir haben unseren einzigen Ernährer verloren, wir haben drei Kinder im Alter von zwei bis fünf Jahren sowie einen vier Monate alten Säugling, der seinen Vater noch nicht gesehen hat. Ich fordere, dass die für seine Ermordung verantwortliche Person gefunden und eine Entschädigung gezahlt wird. Mit den 66.000 Tenge (ca. 142 Euro), die ich bekomme, kann ich meine Kinder nicht großziehen“, sagte Niıazbaeva im Gespräch mit Vlast.kz.
Ähnlich ergeht es der 33-jährigen Shapaǵat Qadyrova, die ebenfalls nach dem Verlust ihres Mannes drei Kinder allein erziehen muss. Ihr Ehemann, Ákimjan Bekturǵanov, fuhr am 5. Januar mit zwei Kollegen zu dem Hauptplatz, um das Geschehen zu beobachten. Als sie ankamen, fielen Schüsse und die Menschen zerstreuten sich. Freunde fanden Ákimjan später mit einer durchdringenden Wunde, er war tot. „Sein Tod wird nach Artikel 451 des Strafgesetzbuches – Überschreitung der Befugnisse durch das Militär – untersucht. Bislang gibt es keine Verdächtigen. Einigen von uns wurde von den Ermittlern direkt ins Gesicht gesagt, dass sie die Schuldigen nicht finden werden, weil der Staat seine eigenen Leute nicht ausliefert. Ich verlange, dass der Fall abgeschlossen wird, dass keine Anklage gegen meinen Mann erhoben wird und er als Opfer anerkannt wird. Jetzt erhalte ich für jedes unserer drei Kinder 22 000 Tenge (ca 47 Euro). Sie sollen die Hinterbliebenenleistungen auf mindestens 50 000 Tenge erhöhen, sodass wir 150 000 Tenge (ca. 320 Euro) erhalten würden. Ansonsten reichen 60 Tausend Tenge für nichts. Außerdem sollen sie uns ein Haus zur Verfügung stellen und uns eine Entschädigung zahlen“, fordert Qadyrova.
Araılym Saǵatbaeva kam bereits am 9. Juli aus Óskemen in die Hauptstadt. Ihr 25-jähriger Sohn wurde am 5. Januar während einer Kundgebung erschossen. Sie erzählte, dass sie zum fünften Mal in die Hauptstadt kam, um eine faire Untersuchung zu fordern. Bislang sei sie aber jedes Mal mit leeren Versprechungen abgereist. „Wir haben uns an die Generalstaatsanwaltschaft und das Büro des Präsidenten gewandt. Wir wollen eine faire und gerechte Untersuchung. Aber es läuft der siebte Monat und sie haben niemanden gefunden. Jetzt wollen wir, dass Toqaev hierherkommt. Wir wollen, dass er herauskommt und unsere Fragen beantwortet. Wir gehen nirgendwohin“, so Saǵatbaeva.
Am 13. Juli kam ein Beamter der Präsidialverwaltung zu den Angehörigen der Toten und bot ihnen an, einzeln ins Büro zu kommen. Die Versammelten weigerten sich: ihre Forderungen seien alle gleich, deshalb sollten sie gemeinsam eintreten. Sie forderten ein Treffen mit Präsident Toqaev. Daraufhin versperrten Spezialkräfte den Weg zum Gebäude, und am 14. Juli nahm die Polizei alle Versammelten fest. Nach einiger Zeit wurden sie freigelassen und ihnen wurden Antworten innerhalb einer Woche versprochen. Einen Monat später, am Abend des 10. August, marschierte dieselbe Gruppe von Eltern zu Fuß von Taraz in die über 1000 Kilometer weiter nördlich gelegene Hauptstadt.
Die Gruppe nannte das den „Marsch derer, die Gerechtigkeit fordern“. Die örtlichen Behörden versuchten, sie zu stoppen. Unter den Teilnehmern des Marsches in die Hauptstadt war auch Nigora Zakar‘eva, die Mutter des 22-jährigen Erjan Baıjanov. Drei Monate nach dem Tod ihres Sohnes sei er wegen Beteiligung an Massenunruhen angeklagt worden. „Wie wollen sie ihn vor Gericht stellen, wenn er tot ist? Der Staatsanwalt und der Ermittler beziehen sich aufeinander, niemand kann erklären, warum sie plötzlich ein Verfahren gegen meinen Sohn einleiten. Vielleicht gab es nach drei Monaten einen solchen Befehl von oben? Ich glaube nicht an die Schuld meines Sohnes. Er war bei den Fallschirmjägern und träumte von einer militärischen Karriere. Außerdem ging er am Tag, als er getötet wurde, auf den Platz, nachdem er von dem Tod eines Soldaten gehört hatte. Er wollte die Menschen aufhalten. Er kümmerte sich immer um das Militär, wenn er Soldaten auf der Straße sah – er kaufte ihnen Eis, gab ihnen ein Telefon, damit sie mit ihren Müttern sprechen konnten. Er war mein einziger Sohn, mein Ernährer. Möge die Regierung mir ein Zuhause geben, mir helfen, gesund zu werden, für mich sorgen“, sagt Zakar‘eva.
Bei ihr waren auch Baqytjan Shyńǵysbekov, dessen 18-jähriger Sohn bei den Januar-Ereignissen erschossen wurde, Jámila Rahymbekova, die Mutter des toten 20-jährigen Toqtar Oshaqbaı, sowie Frauen namens Gauhar und Sveta, deren Kinder in Haft sind.
„Es stellte sich heraus, dass es die Leiche einer anderen Person war“
Den 5. Januar verbrachten der 20-jährige Toqtar Oshaqbaı und seine Familie damit, im Haus eines Nachbarn im Dorf Túrksib in der Nähe von Taraz Vieh zu schlachten. Am Tisch besprachen sie alltägliche Dinge, stießen an und erwogen hoffnungsvoll die Hochzeit von Oshaqbaı. Die Familie wusste noch nichts von den Demonstrationen in der Stadt.
Am 6. Januar gingen der Junge und drei Freunde zum Abendessen in ein Café in Taraz, aber sie gerieten mitten ins Getümmel, und Oshaqbaı wurde bei einer Schießerei in der Nähe des zentralen Platzes getötet. „Ich habe ihm ein Auto geschenkt, er ist mein ältester Enkelsohn. Er ließ die Schlüssel bei seiner Mutter und sagte, er wolle nur Sonnenblumenkerne auf der Straße knacken und nirgendwo hingehen. Ich erfuhr davon und rief ihn an: ‚Toqtar, mein lieber Enkel, du weißt, was in der Stadt vor sich geht. Geh nicht auf die Straße. Denk an die derzeitige schwierige Situation‘. ‚Oh, Großvater, ich bin nicht dumm – ich werde nicht ausgehen. Mach dir keine Sorgen‘, lachte er. Dann kamen drei seiner Freunde, Klassenkameraden, und sie gingen zu einem von ihnen. Sie beschlossen, in dem Café, in dem sein Freund arbeitete, Hot Dogs zu essen, aber es war geschlossen. Sie parkten das Auto und gingen vom Platz in Richtung Westen, zum Hotel Jambyl. Von dieser Kreuzung aus gingen sie nach rechts, liefen etwa 50 Meter, und dort begann die Schießerei. Toqtar wurde von Kugeln getroffen und starb“, sagte sein Großvater Túrataı Rahymbekov.
Oshaqbaıs Freunde verloren ihn in der Menge und begannen, ihn auf dem Handy anzurufen, aber eine Frau ging ans Telefon und sagte, Oshaqbaı sei mit einer schweren Wunde in das Tarazer Krankenhaus eingeliefert worden. Um 1 Uhr nachts erfuhren der Großvater und die Mutter des Jungen, dass er gestorben war. „Am nächsten Morgen um 9 Uhr wollten wir die Leiche abholen. Ich ging zum Leichenschauhaus und identifizierte ihn. Ich habe bis 19 Uhr gewartet. Es war bereits Ausgangssperre. Die Leute riefen von zu Hause aus an und baten uns, zurückzukommen. Das Leichenschauhauspersonal sagte immer wieder, dass sie die Leiche in einer halben Stunde übergeben würden. Wir beschlossen zu gehen und kehrten am nächsten Tag um 8 Uhr morgens zurück“, erinnert sich der Großvater.
„Ich ging erneut zur Identifizierung, übergab ein weißes Tuch, um die Leiche einzupacken, bestellte ein Taxi und brachte ihn nach Hause. Aber es stellte sich heraus, dass es die Leiche einer anderen Person war. Das ist ärztliche Nachlässigkeit. Ein Mann aus unserem Dorf arbeitete in der Leichenhalle als Wachmann. Wir riefen ihn an und baten ihn, dafür zu sorgen, dass Toqtars Leiche nicht abtransportiert wurde. Wir gingen erneut zur, identifizierten ihn zum dritten Mal und erhielten schließlich die Leiche unseres Enkels zurück“. Posthum wurde Oshaqbaıs wegen terroristischer Handlungen angeklagt, doch nach den Treffen von Angehörigen der Opfer in Almaty und der Hauptstadt wurde der Fall als Teilnahme an Massenunruhen umqualifiziert.
„Im Prinzip hat er an keiner Demonstration teilgenommen. Aber die Worte dieser drei Jungs dienten als Beweis für seine Teilnahme. Gegen sie wurde zwei Monate lang ermittelt, sie wurden gezwungen, gegen ihn auszusagen. Sie begannen zu behaupten, Toqtar habe Steine auf Polizisten geworfen. Es gibt keine anderen Beweise. Sie wurden einfach gezwungen. Ein Toter kann nicht reden, also haben sie beschlossen, einen Terroristen aus ihm zu machen. Wir haben eine Menge Erklärungen an alle Behörden geschrieben. Wir haben den stellvertretenden Gouverneur des Gebiets Jambyl, dem Gouverneur selbst und Staatsanwälte getroffen. Die Ermittler waren anfangs sehr grob. Als wir einen Anwalt beauftragten und Beschwerden schrieben, begannen sie uns normal zu behandeln. Wir leben weiter in diesem Kampf. Alle Last liegt auf meiner Tochter. Ich wünschte, ich könnte helfen und mitgehen, aber meine Gesundheit lässt mich im Stich“, sagt der Großvater des Verstorbenen.
„Wir alle leben in einem trüben Januar“
Am 5. Januar war die Familie von Baqytkeldi Baıqadamov zu Hause. Wegen der Proteste in der Stadt gab es zu Hause keinen Strom. Baıqadamov war angespannt – er machte sich Sorgen darüber, was in der Stadt passierte. Auf die Fragen seiner Mutter antwortete er: „Das ist mein Heimatort, Mama. Ich kenne jeden Stein in Almaty“. Irgendwann bemerkten seine Eltern, dass ihr Sohn aus dem Haus verschwunden war.
Nach langer Suche meldete sich am frühen Abend eine Krankenschwester am Telefon des Jungen und sagte, Baıqadamov sei in einem Krankenhaus in Qalqaman. „Wir gingen hin und die Krankenschwester bat uns zu warten. Ich legte meine Hoffnung in Gott, dachte, mein Sohn läge auf der Intensivstation. Anästhesie, sie müssen eine Operation durchgeführt haben – er kann einfach nicht aufwachen. Wir sahen, wie viele Menschen zu der Zeit ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Wir wurden aufgefordert, zu gehen. Aber ich wehrte mich, ich wollte wissen, was mit meinem Sohn los war. Ich wollte ihn wenigstens sehen, ihn berühren. Um zwei Uhr nachts fing ich an, alles zu filmen, mir wurde klar, dass etwas nicht stimmte. Dann kam ein Mann heraus und sagte, mein Sohn sei gestorben. Zuerst habe ich es nicht geglaubt, aber dann haben sie mir seine Dokumente gegeben. Ich stand unter Schock. Ich wusste nicht, was ich tun sollte“, sagt Gúlnur Qaraqasova, die Mutter des Verstorbenen.
Die Angehörigen fuhren zu mehreren Leichenhallen und fanden seine Leiche in einer Leichenhalle im Stadtteil Alǵabas – eine Kugel hatte seinen Kopf durchbohrt. Der Leiter des Leichenschauhauses bat die Angehörigen ein weißes Tuch zu besorgen. Wegen der Ereignisse waren die Basare geschlossen – das Tuch konnte nur in der Moschee abgeholt werden. Laut Áliıa Ákimjanova, der Anwältin des Opfers, die den Baıqadamov Fall mit Unterstützung des öffentlichen Fonds „Qantar Zentrum für Rechtshilfe“ übernahm, wurde die Untersuchung des Falles von Anfang an verzögert.
Die Polizeibehörde der Stadt hat am 19. Januar eine strafrechtliche Untersuchung seines Todes wegen Mord eingeleitet. Am 7. Februar stufte die Staatsanwaltschaft den Fall als Machtmissbrauch durch Verwendung von Waffen oder besonderen Mitteln um. Der Fall wurde dann zur Untersuchung an die Militärstaatsanwaltschaft weitergeleitet, und erst im April erfuhr die Anwältin, der Fall sei an die städtische Polizeibehörde zurückverwiesen worden, weil die Militärstaatsanwaltschaft keine Beweise für die Verwickelung von Soldaten in Baıqadamov‘sTod finden konnte.
„Die Ermittlungen laufen noch. Wir haben mehrere Termine bei der städtischen Staatsanwaltschaft wahrgenommen. Wir haben unsere Unzufriedenheit darüber zum Ausdruck gebracht, dass wir nicht ausreichend über den Fall informiert werden. […] Wir stehen der Verzögerung durch die General- und städtische Staatsanwaltschaft entgegen. Sie schieben sich den Fall immer wieder gegenseitig zu. […] Das ist einer der schwierigsten Fälle. Auch auf der Seite der Beweismittel. Wenn sie keine Täter und keine Beweise finden, fürchte ich, dass der Fall abgeschlossen wird. Der Tod einer Person hängt ja von den zuständigen Behörden, dem Militär, ab. Unser Ziel ist es, die Person zu finden, die für den Tod dieses jungen Mannes verantwortlich ist. Damit er bestraft wird. Nach Artikel 451 des Strafgesetzbuchs werden die Opfer nicht aus den staatlichen Opferfonds entschädigt. Das ist nicht viel Geld, aber immerhin eine kleine Hilfe. Wir hoffen auf den „Qazaqstan Halqyna Fond“ („Fond für das Volk Kasachstan“, Anm. d. Ü.). Sie sagen, das geht erst nach den Ermittlungen“, so Ákimjanova.
Die Mutter des Verstorbenen holt eilig und mit zitternden Händen persönliche Gegenstände, Diplome, Auszeichnungen und Fotos ihres Sohnes aus ihrer Tasche. Sie fängt an, über ihn zu sprechen und lässt dabei den Blick nicht von den Bildern. „Er wurde 1999 geboren. Hier ist er aufgewachsen. Nach der 9. Klasse ging er auf die Berufshochschule, um Elektriker zu werden. Er mochte diesen Beruf. Er erhielt immer verschiedene Zeugnisse und studierte besser als alle anderen. Als er fertig war, beschloss er, seine Pflicht für sein Land zu erfüllen, und trat in die Armee ein. Nach dem Militärdienst kam er zurück und arbeitete für unser kleines Unternehmen. Er arbeitete als Fahrer, begann mit dem Einbau von Türen, das hat er während des Lockdowns gelernt. Er half seinen Freunden, war ein guter Mensch und vertraute allen. Ich habe viele Kinder, er ist mein Erstgeborener. Es gibt noch vier weitere. Ich habe viel von ihm erwartet. Ich legte viel Hoffnung in ihn, aber Gott hat ihm ein solches Schicksal gezeigt“, bedauert Qaraqasova.
Und dann fügt sie hinzu: „Was sind 22 Jahre? Er hat nichts gesehen. Die Behörden gaben den Feuerbefehl und er wurde erschossen. Er ist ein unschuldiger Mann. Er hat sich für sein Land und seine Heimat eingesetzt. Wer wird für seinen Tod zur Verantwortung gezogen? Es ist ein trüber Januar. Wir alle leben in einem trüben Januar. Auch die Eltern der anderen Kinder, die gestorben sind. Dieses Problem wird nicht gelöst. Es befinden sich immer noch unschuldige Kinder in Gewahrsam. Sollen sie doch alles beweisen! Dem ganzen Schrecken ein Ende setzen. Wie viele Menschen stehen ohne Ernährer da. Gibt es in diesem Staat Gerechtigkeit? Alles bleibt trübe. Wenn sie uns von oben hören, dann dieser Befehl … Statt eines Haarschnitts wird der Kopf abgetrennt (ein kasachisches Sprichwort „Shash al dese bas alady“ – aus der Reihe tanzen, maßlos handeln – Vlast.kz)“.
Der Vater des Jungen, Muhammed Kólbaev, schweigt nur. Während des gesamten Gesprächs bleibt ein finsterer Blick auf seinem Gesicht. Erst am Ende entschließt er sich, zu sprechen. „Das Qantar-Massaker ist die Schuld der Behörden. Sie konnten die Probleme an der Spitze nicht selbst lösen. Es ist alles ein Kampf um Macht. Wie viele Menschen sind deswegen gestorben, wie viele sind im Gefängnis? Meine Forderung: Soll der Präsident Toqaev doch vor das Volk treten und öffentlich um Vergebung bitten, alle Eltern der Getöteten versorgen. Wie viele Kinder sind zu Waisen geworden? Wie viele von ihnen, die noch nicht geboren sind, kommen ohne Vater zur Welt? Ich sehe das alles mit meinen eigenen Augen. Sie haben in Kasachstan die Generation der Kinder zwischen 18 und 25 Jahren dezimiert, wie Vieh haben sie sie geschlachtet. Allein die Behörden sind schuld. Unter tausend Gefangenen sind vielleicht hundert Provokateure. Sollen sie diese Hundert doch fassen und festnehmen. Und die Unschuldigen, die gestorbenen Unschuldigen, sollen freigesprochen werden. Alle von ihnen. Nicht nur mein Sohn. Und dann können sie in ihren höheren Kreisen ausmachen, wer die Schuld trägt„, sagt Kólbaev mit metallischer Stimme.
„Erbol wurde durch 18 Kugeln verwundet, aber nur eine wurde bei der Exhumierung gefunden“
Am 4. Januar bereitete sich die ganze Familie des 40-jährigen Erbol Shormanov auf ein Fest vor und schlachtete im Vorfeld Rinder. Erbols Vater, Álimberdy Shormanov, sagt, die Feier war für den 7. Januar geplant. Erbol starb am Tag davor. Nach Angaben seines Vaters wollte Erbol ihn am 6. Januar besuchen, ging dann aber auf den Platz der Republik in Almaty. „Er sagte: ‚In der Stadt herrscht Chaos, sie brennen die Stadt nieder, Kriminelle laufen herum. Wo sind die Behörden, wo ist die Polizei? Wir müssen uns gegen die Banditen wehren‘“, erinnert er sich.
Als Álimberdy Schwiegersohn erfuhr, dass sich Erbol auf dem Platz aufhielt, schloss er sich mit anderen Verwandten zusammen, um ihn zu suchen. Später erfuhren Erbols Angehörige von Leuten, die sich auf dem Platz aufhielten, dass nach 18 Uhr plötzlich etwa 10 Autos ohne Nummernschilder auftauchten. „Banditen“, meint Álimberdy Shormanov. „Um 18.25 Uhr hatten sich die Sicherheitskräfte in der Furmanov-Straße verschanzt. Mein Sohn ging zum meinem Schwiegersohn, aber der Weg war schon gesperrt. Um 18:28 Uhr konnte man Maschinengewehrfeuer auf dem Platz hören. Um 18:33 Uhr rief mein Sohn meinen Schwiegersohn an und bat ihn herauszukommen, denn er sei angeschossen worden. Danach verschwanden die zehn Autos vom Platz. Diejenigen, denen die Flucht gelang, entkamen, der Rest, die friedlichen Demonstranten, blieb unter Beschuss“, erinnert sich Shormanov.
Sein Schwiegersohn und seine Kinder sagten dem Mann nicht, dass Erbol verwundet war, und suchten selbst weiter nach ihm. Shormanov erfuhr vom Tod seines Sohnes erst am nächsten Tag, als er versuchte ihn anzurufen. „Ein Mann, der sich als Polizeibeamter vorstellte, ging ans Telefon. Er sagte, mein Sohn sei gestorben. Am 8. Januar wurde er begraben“, fährt Shormanovs Vater fort. „Fünfzehn Tage später kamen sie (Polizeibeamte – Vlast.kz) aus Talǵar und sagten, sie wollten ihn exhumieren. Sie sagten, es gäbe einen Gerichtsbeschluss. Sie öffneten das Grab, nahmen die Kugel heraus und schickten sie zur Analyse. Wir haben ihn wieder begraben. Seitdem sind sieben Monate vergangen, aber sie scheinen alle drauf zu pfeifen.“
Erbol wurde von 18 Kugeln getroffen, aber nur eine wurde bei der Exhumierung gefunden, sagte Raıa Mamyr, eine Anwältin des „Qantar Zentrum für Rechtshilfe“, die die Familie vertritt. Ein Verfahren wegen seines Todes wurde am 8. Januar eingeleitet, aber sein Anwalt konnte es erst im April finden. „Der Fall wurde nach Artikel 99 des Strafgesetzbuches (Mord) registriert. Dann wurde der Artikel in Artikel 451 – Machtmissbrauch – geändert“, so Mamyr. „Sie schickten die Sache an die Militärstaatsanwaltschaft. Wir haben dorthin unsere Anfragen geschrieben. Die Militärstaatsanwaltschaft antwortete, sie habe den Fall zurückgegeben, weil er für sie nicht relevant sei. Erst am 20. April wurde dem Fall ein Ermittler zugewiesen“.
Seitdem hat der Fall zwei Mal den Ermittler gewechselt. „Der erste Ermittler ging nicht ans Telefon, und sein Vorgesetzter auch nicht. Dann sagte er, er sei krank und habe sein Telefon verloren – so zog sich der Fall hin. Der letzte Ermittler erklärte, dass die gefundene Kugel an das Hülsenlabor des Innenministeriums geschickt worden sei. Sie vergleichen dort Gewehre und Kugeln“, so die Anwältin. Im Hülsenlabor erklärten sie, dass im Januar 15 000 Waffen verwendet wurden und zum Zeitpunkt des Anrufs das Geschoss nur mit 4 000 davon abgeglichen worden waren.
„Dort wurde keine Übereinstimmung gefunden. Wir hoffen, dass sie doch noch eine Übereinstimmung finden“, sagte Mamyr. Ihrer Meinung nach hätte die Untersuchung schneller verlaufen können. „Der Verstorbene hatte vier Kinder – das älteste ist zehn Jahre alt, das jüngste nicht einmal ein Jahr. Der Vater des Verstorbenen ist Rentner. Er kümmert sich um die Kinder. Die Ehefrau ist zur Witwe geworden. Eines der Kinder wird oft sehr krank, und seine Behandlung kostet viel Geld. Alles hing an diesem Mann. Als ob man mit den Zahlungen unserer Regierung vier Kinder versorgen könnte. Wird es wenigstens irgendeine materielle Hilfe für die Familie geben?“, fragt sich die Anwältin.
„Meine einzige tapfere kleine Schwester“
Nuráliıa Aıtqulova, 48, verließ am 6. Januar gegen 14 Uhr ihr Haus in Richtung des Platzes der Republik in Almaty, wo ihre Tochter Tomiris lebt. Danach brach der Kontakt zu der Frau ab. Ihre Leiche wurde am 7. Januar von ihren Angehörigen im zentralen Leichenschauhaus gefunden. Aıtqulova hatte zwei Schusswunden erlitten und erlag direkt am Unabhängigkeitsdenkmal ihren Verletzungen.
Aıtqulovas Verwandte gaben am 5. Februar eine Erklärung zu dem Mord ab, aber es gibt noch keine Informationen über Verdächtige. Amangeldi Nurhan, der Anwalt der Familie der Verstorbenen, sagte, die Suche nach Zeugen und Tätern laufe nicht richtig. „Viele Dinge sind für uns ein Rätsel. Im Bericht des Leichenschauhauses heißt es, dass Nuráliıa an Schusswunden gestorben ist. Wir wissen noch nicht, wer dort war – Polizei, Nationalgarde oder Militär. Welche Art von Waffe wurde verwendet? Das kann doch festgestellt werden – es wurde von verschiedenen Seiten aus gefilmt. Sie sind nicht aus dem Nichts aufgetaucht. Zumal eine Ausgangssperre herrschte. Alles war nach Plan – wo die bewaffneten Personen stehen würden und welche Waffen sie erhalten würden. Meiner Meinung nach kann hier alles bestimmt werden. Aber seither sind sieben Monate vergangen, und die Untersuchung ist noch zu keinem Ergebnis gekommen“, sagt Nurhan.
Das Strafverfahren wird derzeit auf der Grundlage von einem Artikel zu „Mord durch eine kriminelle Vereinigung sowie im Ausnahmezustand oder während eines Massenaufstands“ durchgeführt und wurde kürzlich bis September verlängert. Gleichzeitig erhalten Aıtqulovas Anwalt und Angehörige keinen Zugang zu den Ermittlungsunterlagen, und die Ermittler in diesem Fall wurden bereits viermal ausgewechselt. „Viele Ermittler sind junge, unerfahrene Spezialisten. Dabei sind die Ermittler hier sehr wichtig. […] Am Arbeitsplatz wird sie von allen, die sie kannten, als guter Mensch beschrieben. Sie hat ein Video auf ihrem Handy – es fahren Autos, Menschen laufen herum. Es gab keine Ausschreitungen. Warum wurde auf diese Menschen geschossen?“, fragt sich der Anwalt. „Man hätte sie schließlich auch warnen können, sie einfach festnehmen. Wir leben doch in einem Rechtsstaat. Sie hinterlässt eine Tochter. Es muss eine Entschädigung geben. Die Schuldigen müssen gefunden werden. Selbst wenn die Schuldigen nicht gefunden werden, muss der Staat sie finanziell entschädigen“.
Aıtqulovas Familie gab ihr am 8. Januar ein muslimisches Begräbnis. Nach der Beerdigung begannen die Ermittler, auf ihre Exhumierung zu drängen, und drohten damit, dass das Grab über Nacht ohne Zustimmung geöffnet würde. Nuraıbek Aıtqulov, der Bruder des Verstorbenen, konnte die Exhumierung erst ablehnen, nachdem er mit Journalisten gesprochen hatte.
„Alle sagen jetzt: ‚Toqaev, das neue Kasachstan‘. Wie bauen wir denn dieses neue Kasachstan? Jańaózen, der Januar, Sársenbaev, Nurqadilov – nichts wurde aufgedeckt. Alles unter Geheimhaltung. Wir werden kein neues Kasachstan haben, solange wir nicht mit all dem fertig werden und die Verantwortlichen bestrafen. Was haben sie mit meiner heldenhaften Schwester gemacht? Sie hat sich für ihr Volk eingesetzt. ‚Ich gehe für unsere Freiheit kämpfen‘, sagte sie. Sie war unbewaffnet – nur eine Damenhandtasche und ein Telefon. Sie schossen von vorne, sie ist also nicht weggelaufen. Meine einzige tapfere kleine Schwester“, so Aıtqulov. Der Bruder erinnert sich traurig daran, wie nach dem Tod Aıtqulovas zunächst ihre Mutter und dann ihr Bruder verstarben. In den sieben Monaten des Jahres 2022 hat die Familie drei Angehörige verloren.
„Als wäre sein Geist nicht im Grab, sondern hier“
In Taldyqorǵan, das während der Januar-Ereignisse durch die Zerstörung eines Denkmals für den ehemaligen Präsidenten Nursultan Nazarbaev und durch aufsehenerregende Fälle von Folter berüchtigt wurde, bemühen sich Angehörige und Anwälte seit acht Monaten um eine Strafe der Verantwortlichen für die Erschießung der Familie Seıitkulov. „Die schrecklichste Geschichte in Kasachstan ereignete sich hier bei uns. Eine ganze Familie wurde getötet, erschossen. Sie waren in einem Kleinwagen unterwegs. Glaubte das Militär, dass es voller Terroristen war? Warum konnten sie nicht einfach anhalten? Wenigstens festnehmen, unter Arrest stellen. Warum schießen? Warum gab es keine medizinische Nothilfe? Vielleicht sind sie nicht alle auf der Stelle gestorben. Vielleicht litten sie Höllenqualen. Überall heißt es, dass ihnen vor den Schüssen gesagt wurde: ‚Stopp!‘. Wie konnte eine Person in einem Auto diesen Satz hören?“, so Dariǵa Dáýitalieva, die Schwester des verstorbenen Nurbolat Seıitkulov.
Zerstörung des Nazarbaev Denksmals in Taldyqorǵan im Zuge der Proteste im Januar 2022 Am Abend des 8. Januar kamen Nurbolat Seıitkulov, seine Frau Altynaı Etaeva und ihre 15-jährige Tochter von einem Besuch nach Hause. Als die Familie an einem Lebensmittelladen vorbeifuhr, eröffneten die Soldaten das Feuer auf ihr Auto. Alle drei starben an ihren Wunden. Am 8. Januar galt die Ausgangssperre in Taldyqorǵan ab 20 Uhr (zuvor ab 23 Uhr – Vlast.kz), aber nach Angaben von Angehörigen wussten viele Menschen nichts davon – das Internet funktionierte im Land nicht.
„Nurbolat arbeitete in einer Batteriefabrik. In seiner Freizeit arbeitete er als Taxifahrer. Er war ein Meister seines Fachs, und jeder respektierte ihn und kam ihm jederzeit zu Hilfe. Wir haben einen solchen Bruder verloren. Hier fuhr er Taxi (zeigt aus dem Fenster auf ein Handelszentrum – Vlast.kz). Ich schaue raus und breche sofort in Tränen aus. Es ist, als sei sein Geist nicht im Grab, sondern hier. Er kam um vier Uhr von der Arbeit nach Hause, aß und rollte bis 12 Uhr nachts. Es ist, als würde er immer noch dort stehen“, sagt die Schwester des Verstorbenen unter Tränen. Zusammen mit einer anderen Verwandten geht Dáýitalieva ständig zu Verhören, in der Hoffnung, wenigstens ein Ergebnis zu sehen.
„Sie sagen ‚Neues Kasachstan, gerechtes Kasachstan‘. Welche Art von Gerechtigkeit kann es geben, wenn es in unserem Fall keine Gerechtigkeit gibt? Was ist das für eine Gesetzlosigkeit? Es gibt den Tod. Es gibt Waffen. Es gibt Kugeln. Da sind die Leute, die geschossen haben. Warum können sie nichts beweisen? Warum hinauszögern? Die Ladenbesitzer, deren Eigentum zerstört wurde, wurden entschädigt. Diejenigen, die mit Bügeleisen folterten, wurden bestraft. Warum kommt unser Fall nicht voran? Die Familien der toten Soldaten erhalten jeweils 5 Millionen Tenge (ca. 10 800 Euro). Aber wir bekommen nichts. Warum?“, fragte sie sich.
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In diesem Fall wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Machtmissbrauch durch den Einsatz von Waffen und besonderen Mitteln registriert. Der Rechtsanwalt Rinat Baımolda ist damit nicht einverstanden. Er hat mehrfach beantragt, das Ermittlungsverfahren als „rechtswidrige vorsätzliche Tötung einer anderen Person, Mord an zwei oder mehr Personen“ neu einzustufen.
„Ich muss gleich sagen, dass es sich um einen weniger schwerwiegenden Artikel handelt, fünf bis sieben Jahre Gefängnis, während für Mord mindestens neun bis zehn Jahre vorgesehen sind. Hier sehen wir bereits die Ungerechtigkeit, denn wenn es einen schwerwiegenderen Artikel gäbe, dann gäbe es bereits Verdächtige. […] Ich erreichte eine Untersuchung des zerschossenen Autos auf dem Gelände der Militäreinheit. Ich habe sie gefilmt. Es müssen mehr als 30 Kugeln gewesen sein. Von jeder Leiche wurde mindestens eine Kugel geborgen, die [zur Untersuchung] geeignet ist. Nach meinen Informationen passen die Kugeln, die bei den Leichen von Seıitkulovs Tochter und ihm selbst gefunden wurden, zu einem Maschinengewehr. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass sie von ein und derselben Person getötet wurden“, meint Baımolda.
Nach Angaben des Anwalts wurde beschlossen, das Ermittlungsverfahren wegen der Ernennung eines forensischen Ballistikers auszusetzen. Er beschreibt Ermittlungsmaßnahmen als wellenförmig – mal passiert etwas, mal nicht. „Am Anfang einer strafrechtlichen Untersuchung stehen immer ein Gutachten, Verhöre und Untersuchungen. Sobald der Höhepunkt erreicht ist, geht es wieder herunter. Solange die Sache bei der Staatsanwaltschaft liegt. Diese Strafsache wurde schon so lange von der Staatsanwaltschaft geprüft, dann von der Militärstaatsanwaltschaft und dann vom Innenministerium“.
„Es ist unmöglich, sich an diese Todesfälle zu gewöhnen“
Laut Daniıar Qanafin, Anwalt bei der Anwaltskammer der Stadt Almaty und Berater des „Qantar Zentrum für Rechtshilfe“, läuft die Untersuchung der Todesfälle äußerst langsam. Der Fond bietet Rechtsbeistand für zivile Opfer und die Familien von Todesopfern der Januar-Ereignisse. Die Stiftung beschäftigt 25 Anwälte, die an 55 Fällen arbeiten, von denen 20 mit den Todesfällen vom Januar in Zusammenhang stehen. Laut Qanafin wurden bisher in keinem dieser Fälle Verdächtige ermittelt.
„Das Hauptproblem, über das die Anwälte in der Stiftung klagen, ist die Bürokratie. Beispielsweise ist die forensisch-ballistische Untersuchung von Kugeln, die aus den Körpern der Opfer geborgen und am Tatort sichergestellt wurden, sehr langsam. In den Fällen der Stiftung sind die Personen, die die tödlichen Schüsse abgegeben haben, immer noch nicht identifiziert worden. In den Fällen, in denen die Schützen identifiziert wurden, ist ihr verfahrensrechtlicher Status noch nicht geklärt. Es wurden keine ordnungsgemäßen Konfrontationen, notwendige Untersuchungen und sonstige Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt“, sagt Qanafin.
Ihm zufolge gibt es selbst in den mediatisierten Fällen keine konkreten Ergebnisse. „In Taldyqorǵan wurde eine Familie in einem Auto erschossen: eine Mutter, ein Vater und ein fünfzehnjähriges Mädchen. Das Mädchen wurde am Kopf getroffen, die Eltern wurden ebenfalls getötet. Diese Menschen hatten nichts mit den Unruhen zu tun, sie gingen einfach ihren Geschäften nach. In einem anderen Fall, ebenfalls in Taldyqorǵan, eine weitere Familie: Ein Ehepaar und ihre Nichte, ein vierjähriges Mädchen, wurden angeschossen. Glücklicherweise überlebten sie, wurden aber alle verletzt. Das Kind hatte schwere innere Verletzungen“, nennt der Anwalt Beispiele.
„In Almaty gerieten oft einfache Passanten unter Beschuss, einige auf dem Weg zur Arbeit, andere gingen einfach ihren Geschäften nach und hegten keine illegalen Absichten.“ Qanafin weist auch darauf hin, dass das Gesetz nicht festlegt, wie lange solche Ermittlungen dauern dürfen: „Leider ist der Zeitrahmen für die Untersuchung solcher Fälle im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Wird in dem Verfahren niemand festgenommen, so kann die Ermittlungszeit für solche Fälle verlängert und erweitert werden. Eine solche Verlängerung der Fristen zermürbt die Opfer dieser Verletzungen und ihre Angehörigen und entfremdet sie von Gerechtigkeit und Wahrheit“. „Es muss für alles ein Maß geben, es sollte immer der gesunde Menschenverstand angewandt werden. Schusswaffen sollten nicht gegen friedliche und gesetzestreue Bürger eingesetzt werden!“, kommentiert der Anwalt.
„Wenn so etwas passiert, sollte es nach dem Gesetz gehandhabt werden. Alle diese Fakten sollten objektiv und grundsätzlich bewertet werden. Und was haben wir? Die Untersuchung hat die Kugeln an die Ballistik geschickt, und alle warten sechs Monate lang auf das Ergebnis. Es ist immer noch nicht klar, wer genau die Schüsse abgefeuert hat, wer die Befehle gegeben hat, wie die Befehle genau gelautet haben und warum sie auf so grausame und unfaire Weise gegen unschuldige Menschen ausgeführt wurden. Es ist unmöglich, sich an diese Todesfälle zu gewöhnen, man kann sie nicht akzeptieren. Diese Seite kann nicht einfach umgeblättert werden. Die Rechtsstaatlichkeit muss wiederhergestellt werden.“
„Viele der Toten sind tatsächlich Zufallsopfer“
Die Menschenrechtsaktivistin Baqytjan Tóreǵojina sammelte im Januar Daten über die Todesfälle. Laut ihr beobachten Aktivist:innen, dass die Behörden die Anwesenheit des Militärs auf Plätzen in Städten, in denen es Todesopfer gegeben hat, oft nicht zugeben wollen. „Wir werden sehen, welche Schlussfolgerungen sie am Ende der Untersuchung ziehen werden, aber im Moment sehen wir, dass die Behörden nur ungern den Einsatz von Waffen durch völlig legale Streitkräfte anerkennen“, sagt Tóreǵojina. „Das wird in keinem der Urteile und auch nicht bei den Ermittlungen erwähnt. Dabei haben die Anwälte in vielen Fällen selbst die Nummern der Militäreinheiten [, deren Soldaten] in all diesen Städten anwesend waren. Sie wissen oft sogar, wer die Operation auf den Plätzen leitete. Und dennoch werden die Ermittlungen verzögert und sowohl die Angehörigen als auch die Anwälte eingeschüchtert“.
Laut Tóreǵojina beschweren sich Angehörige darüber, dass aus den Strafakten Kugeln verschwinden, anhand derer Gerichtsmediziner feststellen können, welche Waffe verwendet wurde. In anderen Fällen habe man den Angehörigen Bescheinigungen über Schusswunden ausgestellt, die Toten begraben und sie einen Monat später exhumiert, um die Kugeln zu entfernen. „Unseren Einschätzungen nach werden die Kugeln entfernt, nicht um herauszufinden, welche Waffe benutzt wurde, sondern damit es keine Spuren dazu gibt, wie die Person gestorben ist“, sagt sie. Die Angehörigen vieler der Todesopfer sind davon überzeugt, dass diese in jenen Januartagen an eine friedliche Revolution in Kasachstan glaubten und Zeugen der historischen Ereignisse sein wollten.
„Viele gingen einfach, um den Wandel zu unterstützen, und viele trugen auf den Plätzen die Flagge Kasachstans. Viele der Todesopfer waren in Wirklichkeit Zufallsopfer. Bis heute haben wir keinen einzigen Beweis dafür, dass einer von ihnen eine Waffe in der Hand hatte. Und wir sind mit der Tatsache konfrontiert, dass der Staat nicht daran interessiert ist, die Schützen zu finden“, so Tóreǵojina. Zusammen mit ihren Kollegen hat sie 216 Todesfälle und etwa 70 Vermisste dokumentiert. Die tatsächliche Zahl der Todesopfer im Januar könnte jedoch höher sein, meint sie.
„Fast alle – die, die am 5., 6. und 7. Januar starben, wurden durch Schusswunden getötet. Und wir haben zwei oder drei Verletzte, die sich eine Woche lang versteckt hielten und dann zu Hause starben, weil sie nicht rechtzeitig medizinisch versorgt wurden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass noch mehr kommen werden“, sagt die Menschenrechtsaktivistin. „Diejenigen, die getötet wurden, blieben auf dem Platz. Viele Verwundete dachten wohl, dass sie nicht ins Krankenhaus gehen könnten, dass man sie als Letzte behandeln würde, und versteckten sich mit ihren Wunden“. Tóreǵojina sagt, dass viele Angehörige der Toten den Glauben an jedwede Gerechtigkeit verloren haben.
Das ist eine der Gründe, warum die Menschenrechtsaktivist:innen ihre Dokumentation fortsetzen. „Solange es Zeugen gibt, solange es Dokumente gibt, solange es Anwälte gibt, die Strafverfahren führen, versuchen wir, alles zu dokumentieren, damit wir später darauf zurückkommen können, wenn es eine Rehabilitation geben wird. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass es eine Rehabilitation geben wird. Vielleicht in fünf Jahren, vielleicht in zehn. Und vielleicht helfen all die Dokumente, die wir heute sammeln, den Erben und Angehörigen, entweder rehabilitiert zu werden oder zunächst eine Entschuldigung des Staates für den Tod ihrer Angehörigen und zweitens eine angemessene Entschädigung für den Tod dieser Menschen zu erhalten“.
Die Menschenrechtsaktivistin bezeichnete die Liste der Toten, die von der Generalstaatsanwaltschaft im August veröffentlicht wurde, als unprofessionell verfasst. „Wenn dort Juristen arbeiten, sollten sie verstehen, dass Listen in dieser Form nicht veröffentlicht werden können“, sagte sie. „Die Angaben können zu Missverständnissen führen, und genau das passiert auch. Es ist nicht klar, ob der Nachname stimmt oder nicht, was das für Initialen sind, welche Stadt. Es kann in anderen Städten Personen mit demselben Nachnamen und denselben Initialen geben. Es ist unmöglich, die Menschen zu identifizieren. Dieses Dokument ist rechtlich sehr schwer zu handhaben, insbesondere für Personen, die den Status ihrer Verwandten feststellen, Sozialleistungen beantragen, ihre Wohnung ummelden oder Erbschaftsangelegenheiten regeln müssen“. Tóreǵojina zufolge waren 25 Personen auf ihrer Liste nicht in der kürzlich veröffentlichten Liste der Generalstaatsanwaltschaft enthalten.
„Wir haben schriftlich darum gebeten, die Listen zu überprüfen, die Personen zu identifizieren und eine Entscheidung darüber zu treffen, ob diese Personen Opfer der Januar-Ereignisse waren“, sagt die Menschenrechtsaktivistin. „Um die Generalstaatsanwaltschaft zu zwingen, vollständige Listen zu drucken, müssen wir alle Tippfehler, unklare Namen und Fragen aus der zur Verfügung gestellten Liste heraussuchen und sie dann veröffentlichen. Anfragen schreiben und fragen, ob es sich um die richtige Person handelt oder nicht. Und wenn eine kritische Anzahl dieser Fehler zu der Einsicht führt, dass die Liste ordnungsgemäß veröffentlicht werden soll, werden wie wahrscheinlich [eine richtige Liste] bekommen“.
Darhan Ómirbek, Journalist bei Radio Azattyq und Autor des Sonderprojekts „Opfer des blutigen Januars“, hält die Veröffentlichung alternativer Listen der Toten ebenfalls für wichtig, um ein möglichst vollständiges Bild der Geschehnisse zu erhalten. Er zitierte die Geschichte von Aqjol Qilybaev, der am 9. Januar nach einer polizeilichen Vernehmung starb, aber nicht auf der Liste der Generalstaatsanwaltschaft stand. Journalist:innen von Azattyk glaubten, dass auch er ein Opfer der Januar-Ereignisse war, da er Selbstmord beging, nachdem er wegen seiner Teilnahme an der Kundgebung in Semeı befragt worden war.
„Je mehr Zeit vergeht, desto schwieriger wird es, etwas zu beweisen. Es wird nicht mehr möglich sein, sich ein Gesamtbild zu machen. Es wurde schon oft gesagt, dass ‚alle Toten Plünderer sind‘. Wir können nicht sagen, dass wir das Schicksal aller Getöteten kennen, aber wenn wir die persönlichen Geschichten vieler Toter erfahren und mit ihren Angehörigen sprechen, stellen wir fest, dass keiner von ihnen wie ein Terrorist aussieht, jeder hatte eine Familie“, sagt der Journalist.
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Ómirbek betont auch, wie wichtig es ist, die Geschichten der Verstorbenen zu erzählen. „Wenn wir nicht über die Geschichten der 238 Menschen sprechen, die gestorben sind, kann man sie auf vielfältige Weise manipulieren. Dies kann durch die Behörden oder durch andere geschehen. Und das wird immer auf der Ebene von Gerüchten und Mythen bleiben. Dies stellt ein großes Hindernis für die Vermittlung der Wahrheit über das Ereignis dar“, meint er.
Der Journalist stellt eine historische Analogie zu Jeltoqsan her. „Die Ereignisse von 1986 sind als Legende verblieben. Da es keine Unterlagen gab und keine Zeugen aussagten, wurde die Wahrheit nicht aufgedeckt. Da es bei Gerüchten blieb, werden wir die Wahrheit nie erfahren, und die Täter wurden nicht vor Gericht gestellt. Nach Ansicht von Politikwissenschaftlern, Experten und Historikern werden sich solche Ereignisse in einem Kreislauf wiederholen, wenn die Täter nicht benannt und bestraft werden und die Wahrheit nicht ans Licht kommt“, sagt Ómirbek. Auch Baqytjan Tóreǵojina befürchtet eine Wiederholung der Januar-Ereignisse, allerdings in größerem Ausmaß, wenn die Ermittlungen ergebnislos verlaufen.
„Wenn sie nicht die Wahrheit sagen, wird sich das Ereignis leider wiederholen, und zwar auf sehr dramatische Weise“, warnt sie. „Ich gebe immer ein Beispiel: 1986 wurde offiziell ein Mensch getötet, 2011 (bei den Unruhen in Jańaózen, Anm. d. Ü.) waren es bereits 16 Menschen – 16-mal mehr, jetzt sind es offiziell 238 Menschen – also etwa 15-mal mehr. Und wenn es wieder passiert? Wie viele Menschen werden sterben? Der Staat sollte daraus Konsequenzen ziehen. Straflosigkeit führt in der Regel zu weiterer Gesetzlosigkeit und leider auch zur nächsten großen Tragödie. Die Behörden sollten das verstehen, und das tun sie auch, aber leider sind sie mehr am Machterhalt als am Wohl der Bürger interessiert“.
Nazerke Qurmanǵazinova, Almas Qaısar, Iýna Korosteleva, Olga Loginova Vlast.kz
Aus dem Russischen von Florian Coppenrath