Der Verteidigungsminister der afghanischen Taliban-Regierung hat Tadschikistan und Usbekistan aufgefordert, Flugzeuge zurückzugeben, die während des Machtwechsels in Afghanistan „gestohlen“ wurden.
Die Taliban haben eine klare Botschaft an Usbekistan und Tadschikistan gesendet. „Unsere Flugzeuge, die sich in Tadschikistan oder Usbekistan befinden, müssen zurückgegeben werden. Wir werden nicht zulassen, dass diese Flugzeuge im Ausland bleiben oder von diesen Ländern genutzt werden“, sagte Mohammad Yaqoob, Verteidigungsminister der afghanischen Taliban-Regierung, am 11. Januar laut dem afghanischen Fernsehsender Tolonews.
Nach Angaben des Ministers, der auch der Sohn von Mullah Omar ist, wurden 81 Militärflugzeuge und Hubschrauber der afghanischen Armee gestohlen und in verschiedene Länder, darunter Tadschikistan und Usbekistan, gebracht. Laut dem auf öffentlichen Quellen basierenden Portal WDMMA zählte die afghanischen Luftwaffe 271 Flugzeuge, bevor die Taliban am 15. August 2021 die Macht übernahmen.
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Länder, die die Flugzeuge nicht an Afghanistan zurückgeben, würden die Konsequenzen tragen, betonte der Minister. Diese Äußerungen richten sich insbesondere an Tadschikistan und Usbekistan, wohin laut Tolonews etwa vierzig Hubschrauber ausgeflogen wurden.
Wie das tadschikische Nachrichtenportal Asia-Plus berichtete, sei ein entsprechender Aufruf bereits am 5. Januar gestartet worden. Die usbekische Onlinezeitung Gazeta.uz berichteten unter Berufung auf die Generalstaatsanwaltschaft, dass Mitte August 22 Militärflugzeuge und 24 Hubschrauber (Embraer EMB 314 Super Tucano, UH-60 Black Hawk, MD-530, PC-12 und Mi-17) nach Usbekistan übergelaufen waren. Am 16. August nannte die Generalstaatsanwaltschaft diese Information jedoch „nicht vollständig verifiziert“.
Taschkent und Duschanbe schweigen
Die Bemerkungen des Ministers erfolgten während einer Militärzeremonie, die den Taliban Gelegenheit bot, die Einsatzfähigkeit ihrer von der Vorgängerregierung übernommenen Luftfahrzeuge zu demonstrieren. Der Verteidigungsminister lobte das Potenzial seiner Armee und erklärte, dass Afghanistans „zukünftige Luftwaffe von keinem Land abhängig sein wird“.
Weder Taschkent noch Duschanbe reagierten auf diese wiederholten Forderungen. Auch haben die tadschikischen und usbekischen Behörden haben keine Pressemitteilungen oder Kommentare in ihrer jeweiligen nationalen Presse veröffentlicht. Stattdessen meldeten sich die USA in der Angelegenheit zu Wort. Pentagon-Sprecher John Kirby sagte während eines regelmäßigen Briefings am 18. Januar als Antwort auf die Frage eines Reporters zum Schicksal der Hubschrauber, dass man immer noch an diesem Thema arbeite. „Aber ich glaube nicht, dass sie nach Afghanistan geschickt werden, um von den Taliban eingesetzt zu werden“, fügte er hinzu.
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Den Forderungen der Taliban wurde jedoch schon am 14. Januar von deren Sprecher Suheil Schahin an Kraft genommen. Wie das usbekische Nachrichtenportal Nigoh berichtete, sei er der Ansicht, dass die Beziehungen zwischen Afghanistan und Usbekistan nicht beeinträchtigt werden. „Usbekistan hat dem afghanischen Volk wiederholt humanitäre Hilfe zukommen lassen, wofür wir dankbar sind. Wir sind beides muslimische Länder und wollen in Frieden und Brüderlichkeit zusammenleben. Und ich glaube, dass wir in der Lage sind, dieses und auch jedes andere Problem auf diplomatischem Wege zu lösen“, erklärte Schahin.
Laut Baxtiyor Ergashev, Direktor des Taschkenter Zentrums für Forschungsinitiativen „Ma’no“, müsse eine schwierige Entscheidung getroffen werden, berichtet das usbekische Nachrichtenportal Podrobno. Bei Nichtübergabe der Ausrüstung könnte die Situation mit den Taliban eskalieren, während die Rückgabe der Luftfahrzeuge bedeutet, dass sie morgen für umstrittene Zwecke verwendet werden könnten und somit die Beziehungen zu den Weltmächten erschweren.
Ein unterschiedlicher diplomatischer Ansatz
Seit der Machtübernahme der Taliban hat sich Usbekistan für eine neutrale Haltung gegenüber den neuen Machthabern entschieden. Ohne das neue Regime offiziell anzuerkennen, blieben usbekische Diplomaten in Afghanistan. Und wie das usbekische Nachrichtenportal Kun.uz berichtete, trafen sich am 7. Oktober die Außenminister beider Länder. Taschkent will keine afghanischen Geflüchteten aufnehmen, zeigt sich aber besorgt um die Sicherheit seiner Grenze.
Tadschikistan ist hingegen das einzige Land in Zentralasien, das den Dialog mit den Taliban ablehnt. Wie Radio Ozodi im vergangenen September berichtete, erklärte Tadschikistans Präsident Emomali Rahmon, dass die Taliban beabsichtigten, in Afghanistan eine Autokratie in Form eines „islamischen Emirats auf der Grundlage der strengen mittelalterlichen Scharia“ zu errichten.
Benoît Giraudet, Redakteur für Novastan
Aus dem Französischen übersetzt und ergänzt von Robin Roth
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