Amerikanischen Medienberichten zufolge soll es einen weiteren chinesischen Militärstützpunkt in Tadschikistan geben. Offiziell bestreitet China jedoch seine Präsenz in dem zentralasiatischen Land. Werfen wir einen genaueren Blick auf das Thema.
Beobachter der beiden Länder sind sich uneins: Plant Peking eine zweite Militärbasis in Tadschikistan? Für Radio Free Europe und The Diplomat ist klar, dass China am Bau einer Militärbasis im Wachan-Tal beteiligt ist, das an Afghanistan grenzt. Am 27. Oktober sei die Militäreinrichtung vom tadschikischen Parlament genehmigt worden. Die Existenz einer ersten Basis wurde bereits im Februar 2019 durch die Washington Post aufgedeckt. Radio Free Europe berichtet zudem, dass Tadschikistan seinem chinesischen Nachbarn die vollständige Kontrolle über diesen ersten Stützpunkt im äußersten Südosten des Landes angeboten habe. Die chinesische Botschaft in Tadschikistan habe eine entsprechende Mitteilung veröffentlicht.
Von Peking finanziert
Radio Free Europe und The Diplomat zufolge wird China erstmals in einem Nachbarland mit zwei Militärstützpunkten präsent sein. Der tadschikische Politologe Parwis Mullodschonow zeigt sich im Gespräch mit Novastan erstaunt: „Die vollständige Gebietsabtretung wurde von der tadschikischen Regierung weder bestätigt, noch ist eine entsprechende Verlautbarung der chinesischen Botschaft nachweisbar“. Schenkt man den tadschikischen Behörden Glauben, so sei der Stützpunkt, wie die Nachrichtenagentur Asia-Plus schreibt, für die „schnelle Eingreiftruppe der Abteilung für organisierte Kriminalität des Innenministeriums“ bestimmt. Die Finanzierung in Höhe von 100 Millionen Somoni (umgerechnet etwa 7,8 Millionen Euro) würde zwar von China gestellt – von chinesischen Militäreinheiten würde die Einrichtung aber nicht genutzt werden.
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„Dieses Militärgebäude ist tadschikisch, nicht chinesisch. Tadschikistan hat seinen Verbündeten gegenüber, namentlich der OVKS (Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit), bestimmte Verpflichtungen“, erläutert die von Novastan interviewte Professorin für internationale Beziehungen, Gusel Maitdinowa, die an der Russisch-Tadschikischen (Slawischen) Universität in Duschanbe lehrt. „Ohne das Einverständnis seiner Partner darf Tadschikistan fremden Staaten keine Militärstützpunkte im Land gewähren. Tadschikistan hält sich strikt an diese Verpflichtungen“, fügt sie hinzu.
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Das russische Nachrichtenportal Sputnik hat eine andere Erklärung: Vor dem Hintergrund, dass die Basis mit chinesischen Geldern finanziert werde, „sei es wenig wahrscheinlich, dass der ‚Rote Drache‘ eine so ausgezeichnete Gelegenheit verstreichen lasse, dort ein kleines Kontingent von Militärspezialisten oder zumindest einige Beobachter und Kundschafter zu stationieren.“
Undurchsichtige Entscheidungen
Da die tadschikischen Behörden stets bestritten haben, dass China einen dauerhaften Militärstützpunkt auf ihrem Territorium betreibt und man von chinesischer Seite kaum Informationen erhält, bleibt die chinesische Präsenz in Tadschikistan schwer zu bestimmen. „Wenn Tadschikistan militärische Absprachen mit Russland oder anderen westlichen Ländern trifft, dann verfügen wir in der Regel wenigstens über ein paar Details zu diesen Vereinbarungen. China hingegen hält sich vollkommen bedeckt“, beklagt Parwis Mullodschonow. Der Politologe glaubt seinerseits, dass sowohl die chinesische als auch die tadschikische Armee die beiden Militärbasen nutzen werden.
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Unabhängig von der Frage, ob es nun eine dauerhafte chinesische Militäreinrichtung in Tadschikistan gibt oder nicht, lässt sich festhalten, dass der Wille Chinas stark ist, in Tadschikistan militärische Präsenz zu zeigen. Dafür sprechen zumindest gemeinsame Manöver, die Peking und Duschanbe vom 17. bis zum 20. August dieses Jahres, laut Sputnik, durchgeführt haben. „Jetzt wo die von Afghanistan ausgehenden Sicherheitsrisiken zugenommen haben, wird sich die chinesisch-tadschikische Zusammenarbeit intensivieren“, vermutet Gusel Maitdinowa und fügt hinzu: „China ist darüber beunruhigt, dass extremistische Gruppierungen Xinjiang von Afghanistan aus destabilisieren und Terroranschläge im Westen des Landes verüben könnten“.
Afghanistan als gemeinsamer Nenner
Die Taliban werden seit ihrer erneuten Machtübernahme in Afghanistan von Peking genauestens beobachtet. „China ist nicht nur dabei, seine Grenzen in Xinjiang militärisch zu verstärken, sondern hat auch das direkte Gespräch mit den Taliban gesucht, um sicherzustellen, dass Kabul und Peking regionale Sicherheitsprobleme direkt miteinander besprechen können“, beteuert Haschim Ali von der Jiaotong-Universität Shanghai gegenüber Novastan.
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„Die Sicherheit Zentralasiens hängt eng mit der Stabilität Afghanistans zusammen. Dank seiner zentralen Position kann das Land den postsowjetischen Staaten einen wichtigen Kommunikationskanal nach Südasien öffnen. Für China sind die afghanischen Bodenschätze wichtig. Afghanistan ist eine potentielle Station für die Neue Seidenstraße“, meint Gusel Maitdinowa.
Parwis Mullodschonow wiederum fasst die Situation folgendermaßen zusammen: „China hat eine strategische Vision. Man kann nicht ausschließen, dass Peking die Stützpunkte in Zukunft für seine eigenen militärischen Zwecke nutzen wird. Zurzeit bestehen Grenzposten, aber wegen der Lage in Afghanistan. China verfolgt politische Interessen bei seinen Nachbarn. Das bedeutet, dass es sich in den Nachbarländern einbringt, um die dortigen chinesischen Investitionen zu schützen“. Und in der Tat ist China mittlerweile in allen Bereichen der tadschikischen Wirtschaft präsent.
Etienne Combier, Chefredakteur Novastan France
Aus dem Französischen von Lucas Kühne
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