Startseite      Moskau bietet sich als Vermittler im Grenzkonflikt zwischen Tadschikistan und Kirgistan an

Moskau bietet sich als Vermittler im Grenzkonflikt zwischen Tadschikistan und Kirgistan an

Russland hat am 26. Mai vorgeschlagen, als Vermittler zwischen Tadschikistan und Kirgistan zu fungieren. Die Verhandlungen zwischen den beiden Ländern über ihre Grenzstreitigkeiten scheinen derweil in einer Sackgasse zu stecken. In weniger als einem Monat gab es drei gewaltsame Zwischenfälle an der Grenze. Der letzte davon fand am 27. Mai statt.         

Sergei Lawrow
Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat vorgeschlagen, dass sein Land im Grenzkonflikt zwischen Tadschikistan und Kirgistan vermitteln könne

Russland hat am 26. Mai vorgeschlagen, als Vermittler zwischen Tadschikistan und Kirgistan zu fungieren. Die Verhandlungen zwischen den beiden Ländern über ihre Grenzstreitigkeiten scheinen derweil in einer Sackgasse zu stecken. In weniger als einem Monat gab es drei gewaltsame Zwischenfälle an der Grenze. Der letzte davon fand am 27. Mai statt.         

Wird der Grenzstreit zwischen Tadschikistan und Kirgistan durch russische Vermittlung gelöst werden können? Am 26. Mai kündigte der russische Außenminister Sergej Lawrow jedenfalls an, Moskau sei bereit, im Konflikt zwischen den beiden zentralasiatischen Republiken als Vermittler zu fungieren. Nach Angaben der russischen Presseagentur Tass wurde dieser Vorschlag während einer Pressekonferenz am Rande eines Treffens der Außenminister der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS), an dem auch Tadschikistan und Kirgistan teilnahmen, unterbreitet.

Novastan ist das einzige deutschsprachige Nachrichtenmagazin über Zentralasien. Wir arbeiten auf Vereinsgrundlage und Dank eurer Teilnahme. Wir sind unabhängig und wollen es bleiben, dafür brauchen wir euch! Durch jede noch so kleine Spende helft ihr uns, weiter ein realitätsnahes Bild von Zentralasien zu vermitteln.

Lawrow kommentierte die Situation an der tadschikisch-kirgisischen Grenze, wo wenige Tage vor seiner Erklärung ein Feuergefecht ausbrach, und rief beide Staaten zur Zurückhaltung auf. „Es ist leider nicht das erste Mal, dass sich die Situation verschlimmert. Wir fordern die Alliierten [Tadschikistan und Kirgistan] auf, einen Dialog einzuleiten und möglichst keine Gewalt anzuwenden. Wir sind bereit, unsere Vermittlungsdienste zu leisten und glauben, je früher sich die Situation beruhigt, desto besser“, sagte der russische Außenminister.

Tadschikistan protestiert

Der ehemalige kirgisische Vizepremier Abdrachman Mamatalijew äußerte sich auf Anfrage von Radio Azattyk, dem kirgisischen Dienst des amerikanischen Medienhauses Radio Free Europe. Einerseits behauptet er, Russland habe „seine eigenen Interessen“ zu verteidigen und könnte versucht sein, in den Lösungsprozess einzugreifen. Andererseits erkannte er an, dass Tadschikistan und Kirgistan bisher nicht zu einer Verständigung in der Lage waren, was Moskau Anlass zur Sorge bereitet. „Russland ist unser Partner. In letzter Zeit haben die Konflikte und Schießereien an den Grenzen nicht aufgehört. Wir können davon ausgehen, dass [Russland] über die Sicherheit besorgt ist“, erklärte Mamatalijew.

Lest auch auf Novastan: 19-jähriger Grenzsoldat an der tadschikisch-kirgisischen Grenze verletzt

Kirgistans Präsident Sooronbaj Dscheenbekow und sein tadschikischer Amtskollege Emomali Rahmon äußerten sich nicht. Am 28. Mai, dem offiziellen „Tag der Grenzschutzbeamten“ in Kirgistan und Tadschikistan, hätten sie dazu die Gelegenheit gehabt, doch beide zogen es vor, in die patriotische Kerbe zu schlagen. „Der Grenzschutz [Kirgistans] bleibt ein solides Schild des Vaterlandes, ein Garant für die Integrität und Unverletzlichkeit des Staatsterritoriums und die Sicherheit der Bürger“, behauptete Dscheenbekow nach Angaben von Radio Azattyk. Tadschikistan schlägt den gleichen Ton an. „Ich bin überzeugt, dass die tapferen Offiziere und Soldaten der Grenztruppen [Tadschikistans] weiterhin die Grenzen ihrer souveränen Heimat wie ihren Augapfel, ihren unschätzbaren Reichtum und ihre Ehre und Würde schützen werden“, versicherte Rahmon laut einem Bericht der offiziellen tadschikischen Nachrichtenagentur Khovar.

Am 29. Mai veröffentlichte das tadschikische Außenministerium schließlich eine Erklärung, in der bekannt gegeben wurde, dass Russland eine Protestnote übermittelt worden sei. „Es wurde erklärt, dass die Aktivitäten im Bereich der Delimitation der Staatsgrenzen eine interne Angelegenheit der OVKS-Mitgliedstaaten sind und ausschließlich auf bilateraler Basis durchgeführt werden“, heißt es in der Erklärung. Die russische Seite wurde darüber informiert, dass der Verhandlungsprozess zur Lösung grenzüberschreitender Probleme zwischen der Republik Tadschikistan und der Kirgisischen Republik fortgesetzt wird […]. Das Außenministerium Tadschikistans betont, dass die Teilnahme eines Drittlandes am Verhandlungsprozess zur Lösung grenzüberschreitender Probleme als unangemessen angesehen wird“, schließt sie trocken.

Einen Tag später kam auch von kirgisischer Seite eine Absage. Der Pressesprecher des Außenministeriums Ulan Dyikanbajew bedankte sich bei Russland für die bilaterale Unterstützung und die Fürsorge“, betonte aber auch die Wichtigkeit von „bilateralen Gesprächen“ mit Tadschikistan.  Ist die russische Initiative demnach eine Totgeburt?

Neuer Zwischenfall an der tadschikisch-kirgisischen Grenze

Während die beiden Staatspräsidenten mit Komplimenten an ihre Truppen wetteiferten und den russischen Vermittlungsvorschlag ignorierten, kam es am 27. Mai zu einem neuen Vorfall an der Grenze – der dritte in weniger als einem Monat. Wie bereits am 8. Mai ereignete er sich im Bezirk Isfara im äußersten Norden Tadschikistans, wo es regelmäßig zu Spannungen an der Grenze kommt. Wie das tadschikische Nachrichtenportal Asia-Plus berichteten, soll ein kirgisischer Staatsbürger das Feuer auf eine 25-jährige tadschikische Staatsangehörige eröffnet haben. Die verletzte Frau befindet sich derzeit im Krankenhaus der Stadt Isfara. Allerdings ist die Faktenlage unklar, und die Ursache der Schüsse nicht bekannt.

Lest auch auf Novastan: Mehrere Verletzte bei gewaltsamen Zusammenstößen an der tadschikisch-kirgisischen Grenze

In einer von Khovar übermittelten Erklärung verurteilte das tadschikische Staatskomitee für nationale Sicherheit (GKNB) umgehend die „provokative Aktion“ seitens Kirgistans sowie den „Versuch, die Situation entlang der Grenze künstlich zu destabilisieren“. Laut Radio Ozodi, dem tadschikische Dienst von Radio Free Europe, gab der stellvertretende Kommandeur der kirgisischen Grenzschutzbeamten Abdukarim Alimbajew bekannt, dass nach dem Vorfall Verhandlungen zwischen Soldaten beider Länder stattgefunden hätten und sich die Situation inzwischen beruhigt habe. Die kirgisischen Behörden haben bisher keine öffentliche Stellungnahme zu den Ereignissen abgegeben.

Dritter Zwischenfall innerhalb eines Monats

In den letzten Monaten häufen sich die Zwischenfälle an der kirgisisch-tadschikischen Grenze, wobei die Regierungen beider Länder nicht vermögen, die zunehmenden Spannungen zu stoppen. So eskalierte am 24. Mai in der Nähe der vom kirgisischen Gebiet Batken umgebenen, tadschikischen Exklave Woruch ein Streit um Weideland schnell zu einem Schusswechsel zwischen den Grenztruppen beider Länder. Dabei wurde ein 19-jähriger tadschikischer Soldat am Bein verletzt. Die Behörden beider Länder wiesen die Schuld jeweils zurück und beschuldigten sich gegenseitig, die Situation „destabilisieren“ zu wollen.

Lust auf Zentralasien in eurer Mailbox? Abonniert unseren kostenlosen wöchentlichen Newsletter mit einem Klick.

Bereits am 8. Mai war es in der Nähe der tadschikischen Stadt Tschorkuh, an einem nicht delimitierten Abschnitt der Grenze, zu einem heftigen Zwischenfall gekommen. Obwohl die Versionen zunächst stark auseinander gingen, gaben die tadschikischen Soldaten schließlich zu, mit Mörsern in Richtung der kirgisischen Grenzschützer geschossen zu haben. Bei dem anschließenden Schusswechsel wurden auf kirgisischer Seite vier und auf tadschikischer Seite zwei Personen verletzt. Ein kirgisischer Soldat wurde schwer am Bauch verletzt und befindet sich immer noch in einem äußerst ernsten Zustand. Nach dem Zwischenfall stimmten der kirgisische Vizepremier Akram Madumarow und sein tadschikischer Amtskollege Asim Ibrohim am Telefon überein, dass weitere Maßnahmen ergriffen werden müssten, um die Spannungen abzubauen. Das dies dringend notwendig ist, zeigen die jüngsten Vorfälle von 24. und vom 27. Mai.

Bilaterale Verhandlungen auf dem Stillstand

Die 976 Kilometer lange, aber nur auf 504 Kilometern delimitierte tadschikisch-kirgisische Grenze ist ein Streitthema, das die bilateralen Beziehungen zwischen beiden Ländern seit langem vergiftet. Die Nachbarn haben wiederholt versucht, Verhandlungen aufzunehmen, ohne aber letztendlich die Spannungen zu beenden. So traf Kirgistans Präsident Dscheenbekow im Juli 2019, wenige Tage nachdem in der Nähe der tadschikischen Exklave Woruch und des kirgisischen Dorfes Ak-Saj ein tödlicher Konflikt ausgebrochen war, seinen tadschikischen Amtskollegen Rahmon am Ort des Vorfalls. Die beiden Staatsoberhäupter versuchten daraufhin, die Verhandlungen über den Grenzverlauf voranzutreiben, jedoch ohne großen Erfolg zu haben.

Lest auch auf Novastan: Kann ein Gebietsaustausch den Grenzkonflikt zwischen Tadschikistan und Kirgistan beilegen?

Ein weiterer Versuch, die Spannungen zu beenden, wurde im Februar durchgeführt, als sich die stellvertretenden Premierminister beider Länder, Asim Ibrohim und Akram Madumarow in der kirgisischen Stadt Batken trafen. In dem Gespräch wurde der Austausch mehrerer Gebiete zur Sprache gebracht, was den Grenzverlauf vereinfachen würde. Diese Information wurde jedoch sofort von Nasirbek Borubajew, dem Sonderbeauftragten der kirgisischen Regierung für Grenzfragen, dementiert. Laut dem amerikanischen Experten Bruce Pannier, Journalist für Radio Free Europe, „ist das Grenzgebiet weit von den Hauptstädten der Länder, Bischkek und Duschanbe, entfernt und beide Regierungen haben nicht so hart gearbeitet, wie sie könnten, um dieses Problem zu lösen“. Das russische Vermittlungsangebot wird daher vermutlich nicht die beide Staaten davon überzeugen, den Verhandlungen neuen Schwung zu verleihen.

Quentin Couvreur, Redakteur für Novastan

Aus dem Französischen von Robin Roth

Noch mehr Zentralasien findet ihr auf unseren Social Media Kanälen, schaut mal vorbei bei Twitter, Facebook, Telegram, Linkedin oder Instagram. Für Zentralasien direkt in eurer Mailbox könnt ihr euch auch zu unserem wöchentlichen Newsletter anmelden.

Kommentare

Your comment will be revised by the site if needed.