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Kasachstan: erstmals feministische Kundgebung genehmigt

Am 28. September fand in einem fern vom Zentrum gelegenen Viertel Almatys die erste in Kasachstan genehmigte feministische Kundgebung statt. Um die hundert DemonstrantInnen folgten dem Ruf der lokalen feministischen Organisation KazFem, unter anderem Gewalt gegen Frauen anzuprangern. Novastan traf TeilnehmerInnen und AktivistInnen, die für die Rechte der nach wie vor stark benachteiligten Frauen auf die Straße gegangen sind.  

Am 28. September 2019 fand in Almaty die erste genehmigte feministische Kundgebung in der Geschihcte Kasachstans statt.

Am 28. September fand in einem fern vom Zentrum gelegenen Viertel Almatys die erste in Kasachstan genehmigte feministische Kundgebung statt. Um die hundert DemonstrantInnen folgten dem Ruf der lokalen feministischen Organisation KazFem, unter anderem Gewalt gegen Frauen anzuprangern. Novastan traf TeilnehmerInnen und AktivistInnen, die für die Rechte der nach wie vor stark benachteiligten Frauen auf die Straße gegangen sind.  

Am vergangenen 28. September fand in Kasachstans größter Stadt Almaty in einem vom Zentrum abgelegenen Mikrorajon eine in der Geschichte des Landes bisher einzigartige Versammlung statt. Von dem Platz hinter dem Kino Sary-Arka, nah an einem Stadtpark erklangen feministische Slogans, die dazu aufriefen, die Rechte der Frauen zu beachten, Gewalt gegen Frauen zu stoppen sowie für mehr Gleichheit zu sorgen.

Um die hundert Leute folgten somit dem Appell feministischer Organisationen wie unter anderem  KazFem. Unter der Statue Lenins stellte die Kundgebung ein einmaliges Ereignis dar: Es handelte sich dabei um die erste durch die kasachstanischen Behörden genehmigte feministisch geprägte Initiative.

Es wurden Hindernisse in den Weg gelegt

Es bedurfte 36 gleichzeitig an die Stadtverwaltug gestellte Anträge, um das für das Event eine offizielle Genehmigung zu erhalten. Die Mitorganisatorin Weronika Fonowa erklärte am 23. August auf Facebook, die Stadtverwaltung Almatys selbst habe sie dazu animiert, 36 Versuche gleichzeitig zu stellen. Tatsächlich sei eine andere Kundgebung, die des regierungskritischen Aktivisten Alnur Iljachow, nach 36 nacheinander folgenden Versuchen genehmigt worden.

Ich bin nicht erstaunt, dass unsere Versammlung genehmigt wurde. Schließlich haben wir 36 Anträge gestellt, und wenn man sich die Reaktion der Behörden anschaut, so war es ihnen unangenehm, jedes Mal mit einer Ablehnung zu reagieren“, meinte Weronika Fonowa gegenüber dem kasachstanischen Medium Informburo.kz.

Am Ende mussten sich die FrauenrechtlerInnen mit einem einstündigen Zeitfenster zwischen 11 und 12 Uhr begnügen, und das fernab dem Großteil der Bevölkerung in der Region, welche sich am Wochenende zumeist im Zentrum trifft, wo die Stadt sich von ihrer schönsten Seite zeigt.

Über soziale Netwerke wurde von der feminstischen Bewegung KazFem zur Kundgebung am 28.09. aufgerufen.

„Es ist äußerst demütigend und schreklich, sich in Sary-Arka versammeln zu müssen. Hier sickert wenig durch, da der Bereich weit weg vom Zentrum ist. Für TeilnemehrerInnen und JournalistInnen wird es schwierig, dahin zu kommen. Andererseits muss man den Kampf fortsetzen, und seine Rechte weiterhin verteidigen“, erklärt die feministische Aktivistin gegenüber Informburo.kz.

Eine breite Palette an Forderungen

Unter den DemonstrantInnen waren mehrere Dutzende AktivistInnen, zumeist jung und urban. „Der Entwicklungsgrad einer Gesellschaft lässt sich an dem Status der Frau darin bemessen“, „Um über seine Rechte zu sprechen, braucht es keine Erlaubnis“, “Gewalt ist immer auf der Seite des Vergewaltigers“ konnte man unter anderem auf den mitgebrachten Transparenten lesen.  

Die Kundgebung hatte sich zum Ziel gesetzt, die Behörden zum Umdenken zu bringen und somit eine Verschärfung der Strafen für Vergewaltigungen herbeizuführen. Diese gelten bisher als „mittelschweres Verbechen“ und sollen nach Ansicht der DemonstratInnen als „schwere Verbrechen“ eingestuft werden. So befürworten die AktivistInnen die mediale Veröffentlichung von Bildern und persönlichen Daten von Vergewaltigern, wohingegen die Verbreitung der Opferdaten verboten gehöre.

Eine der Mitorganisatorinnen hält ein Transparent. Sie verlangt die Bestrafung der Gewalt gegen Frauen.

Die Frage der Vergewaltigung ist aber bei Weitem nicht das einzige Anliegen der AktivistInnen. Andere Forderungen sind die nach einem Gesetzes zum Schutz gegen Belästigung am Arbeitsplatz, die Abschaffung des Verbots für Frauen in bestimmten Berufen zu arbeiten, sowie die Berufung einer Kommission für die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die die Aufgabe haben soll, gegen Sexismus in der Arbeitswelt, in Medien und Werbung vorzugehen.

Die Gesamtheit dieser Forderungen wurde nach der Kundgebung in einer Stellungnahme auf dem Instagram-Account von KazFem veröffentlicht.

Frauenstimmen werden stets hinterfragt

Novastan konnte auf der Versammlung mit mehreren jungen Frauen sprechen. Diese schildern eine düstere Situation für Frauen im zeitgenössischen Kasachstan. Aus ihrer Sicht werden Frauenrechte, obwohl in den Gesetzbüchern vorhanden, stets ignoriert. Zum Beispiel fürchten sich viele Frauen im Falle einer sexuellen Aggression davor, zur Polizei zu gehen. Und wenn sie doch den Mut zur Anzeige haben, werden sie oft in ihrem Vorhaben abgebracht.

Vom Infragestellen der Aussage der Frauen bis zu  Schuldgefühlen ist es nur winziger Schritt, meint Jelena Tovkaschyowa, die bei der Versammlung anwesend ist. Sie ist der Ansicht, dass die Polizei sich selten Opferschutz kümmert, obwohl sie dies tun sollte.

Teilnehmerinnen an der Kundgebung des 28.09. beantworteten für Novastan einige Fragen.

Der Fall einer Vergewaltigung im Jahr 2018 war bei der Kundgebung in aller Munde. Eine Reisende wurde von Angestellten der Eisenbahngesellschaft im Zug vergewaltigt. Nachdem sie dies zur Anzeige gebracht hatte, wurde das Opfer der Falschaussage verdächtigt. Ihr wurde vorgeworfen, auf der Suche nach „leichtem Geld“ zu sein, und sich bei dem Überfall nicht genügend verteidigt zu haben. Infolgedessen wurde sie durch die Ermittler zum Abschließen eines „Kompromisses“ gedrungen, ehe diese Druck auf ihre Familie ausübten.

Schließlich wurden die Aggressoren nur zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Für die befragten Teilnehmerinnen zeige dies beispielhaften und auf krasser Weise, wie unseriös die kasachstanischen Behörden mit den Aggressionen umgehen, mit welchen Frauen tagtäglich konfrontiert sind.

Lest auch bei Novastan: Häusliche Gewalt in Kasachstan – ein Tabuthema wird angegangen

Die jurstische Behandlung sexueller Straftaten wurde während der Kundgebung ebenfalls oft thematisiert. Denn am vergangenen 2. September verpflichtete sich Präsident Kassym-Dschomart Tokajew zur Verschärfung des Strafrechts für solche Straftaten.

Viele TeilnehmerInnen unterstrichen, dass die Umetzung dieser Ankündigungen  einen Fortschritt inBezug auf die Rechte der Frauen darstelle. Heutzutage werden zahlreiche angezeigte Sexualdelikte mit einfachen Bußgeldern, sehr kurzen Haftstrafen oder gar mit Haft auf Bewährung bestraft.

Sexisitsches Benehmen noch weit verbeitet

Die Demonstration diente in erster Linie dazu, das sexisitsche Klima in Kasachstan in den unterschiedlichen Lebensbereichen der Frauen zu thematisieren. In manchen Familien kommt es noch häufig vor, dass das erstgeborene Mädchen Ulbolsyn oder Uljan genannt wird, was soviel wie „ein Junge wird kommen“ bedeutet. Dies zeuge von der unterschiedlichen sozialen Stellung von Mann und Frau im Land, erklärt der  beliebte, kasachische YouTuber Jurttyn Balasy gegenüber Novastan.

Ferner tritt Gewalt gegen Frauen zumeist in den entlegensten Gegenden Kasachstans auf. Auch wenn die Zahl gezwungener Ehen heute geringer ausfällt, ist der Brauch noch in vielen Familien zu beobachten. Hinzu kommt die Isolierung der Frauen. Diese zwingt sie in die Abhängigkeit von der Familie ihrer Partner, was wiederum zu Ausbeutungsmuster in der Heimarbeit führt.

Um die hundert Menschen versammelten sich in Almaty, um für die Rechte der Frauen zu demonstrieren.

Die Demonstrantin Bota erklärt gegenüber Novastan, es sei notwendig, sexuelle Aufklärungskurse einzurichten. Diese sollen einerseits den Frauen die alleinige Herrschaft über ihren Körper ermöglichen, andererseits sie über ihre Rechte aufklären.

An erster Stelle steht dabei das Recht, sich nichtgewollten sexuellen Handlungen widerzusetzen. Das dieses Recht dringend notwendig ist, zeigen Statistiken des Online-Medium The Steppe: 17 Prozent der Frauen zwischen 18 und 75 Jahren sind schon einmal mit sexueller Gewalt konfrontiert worden.

Assel Kajbulatowa
Novastan in Almaty

Aus dem Französischen von Arnaud Enderlin

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