Fast ein Jahr nach der Inbetriebnahme seiner ersten Turbine und mit fünf Monaten Verspätung verfügt das Rogun-Wasserkraftwerk über eine zweite funktionsbereite Turbine. Nach seiner Fertigstellung soll Rogun über den höchsten Staudamm der Welt verfügen und das leistungsstärkste Wasserkraftwerk in Zentralasien sein.
Trotz aller Verzögerungen beim Bau nimmt das Rogun-Wasserkraftwerk Schritt für Schritt Gestalt an. Wie das Nachrichtenportal Asia-Plus berichtete, weihte der Präsident Tadschikistans Emomali Rachmon am 9. September die zweite Turbine des Kraftwerks offiziell ein. Die Inbetriebnahme fand drei Monate nach Beginn der Testphase und fünf Monate nach dem vorgesehenen Termin statt. Die zweite von insgesamt sechs Turbinen, die das Kraftwerk nach seiner Fertigstellung umfassen wird, wurde zehn Monate nach der ersten ans Netz genommen. In Zukunft soll das Rogun-Wasserkraftwerk insgesamt 3.600 Megawatt Strom pro Jahr produzieren.
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Rogun hat eine lange Vorgeschichte. Die Idee des Projekts wurde ursprünglich 1932 entwickelt und 1980 schließlich vom Ministerrat der UdSSR bestätigt. Als 1991 die Sowjetunion zusammenbrach, wurde der Bau des zu diesem Zeitpunkt bereits 40 Meter hohen Damms gestoppt. Die heutigen Arbeiten wurden im Oktober 2016 aufgenommen und sollen für 3,9 Milliarden US-Dollar (3,5 Milliarden Euro) von dem italienischen Unternehmen Salini Impregilo umgesetzt werden.
Der Präsident Tadschikistans lobt das „kreative Potenzial“ seiner Bevölkerung
Nach seiner Fertigstellung soll der Rogun-Staudamm eine Höhe von 335 Metern haben und sich 1200 Meter über den Meeresspiegel erheben. Rogun wird das leistungsstärkte Wasserkraftwerk Zentralasiens werden – noch vor dem sich ebenfalls in Tadschikistan befindenden Nurek-Wasserkraftwerk.
Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, wurde die Inbetriebnahme der zweiten Turbine live im Fernsehen übertragen. In seiner Rede lobte Emomali Rachmon das „kreative Potenzial“ des tadschikischen Volkes und versprach gleichzeitig, dass Tadschikistan in naher Zukunft ein „entwickeltes und wohlhabendes Land […] werde“.
Die schwierige Frage der Finanzierung
Des Weiteren versicherte der tadschikische Präsident, dass es dem Projekt nicht an Geld mangele. Bisher konnte Tadschikistan das Megaprojekt mit Staatsanleihen in Höhe von jährlich rund 500 Millionen Dollar finanzieren. Dennoch bleibt die Zukunft der Finanzierung unklar. Wie Eurasianet berichtet, hat Duschanbe bereits Schulden in Höhe von 2,9 Milliarden Dollar, was 35,9 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts entspricht. Ein Niveau, das für die tadschikische Wirtschaft an der Grenze des Akzeptablen liegt. Im Juni 2018 weigerte sich die Weltbank, den Bau des Damms zu unterstützen.
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Unzufriedenheit ist auch bei den Arbeitern spürbar, die nur sehr unregelmäßig ihr Gehalt bekommen. Wie die auf Zentralasien spezialisierte Nachrichtenseite Cabar im Mai berichtete, waren die Arbeiter seit Januar 2019 nicht bezahlt worden.
Laut Cabar sind die Bauverzögerungen hauptsächlich auf Finanzierungsprobleme zurückzuführen. Für 2019 wurden 222 Millionen Dollar von der tadschikischen Regierung bereitgestellt. Insgesamt wurden bereits fast 2,5 Milliarden Dollar für zwei der insgesamt sechs Turbinen ausgegeben. Wenn Duschanbe sich weigert, ausländische Investoren einzubinden, besteht die Gefahr, dass sich die Fertigstellung von Rogun weiter verzögern wird.
Etienne Combier, Chefredakteur von Novastan France
Aus dem Französischen von Robin Roth
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