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Junge Aktivistinnen in Kirgistan: Die Gleichheit als Leidenschaft

Welche Rechte haben Frauen? Wie steht es um die Gleichheit von Männern und Frauen in Kirgistan? In einem Land, in dem 8 von 10 Frauen Opfer von häuslicher Gewalt sind und die Wörter "Haus" und "Frau" wie selbstverständlich zusammengehören, bleiben diese Fragen oft ohne Antwort - oder gar ohne Gesprächspartner. Novastan versucht sie zu stellen.

aijani 

Redigiert von: Luisa Podsadny

Aktivistenmädchen Kirgistan
Aktivistenmädchen Kirgistan

Welche Rechte haben Frauen? Wie steht es um die Gleichheit von Männern und Frauen in Kirgistan? In einem Land, in dem 8 von 10 Frauen Opfer von häuslicher Gewalt sind und die Wörter „Haus“ und „Frau“ wie selbstverständlich zusammengehören, bleiben diese Fragen oft ohne Antwort – oder gar ohne Gesprächspartner. Novastan versucht sie zu stellen.

Was bringt ein junges Mädchen dazu, ihr Kinderzimmer zu verlassen und sich für ihre Rechte einzusetzen? Der Verein „Aktivistenmädchen Kirgistans“ besteht aus sehr jungen Aktivistinnen. Es scheint, der Ernst des Lebens beginnt früh in Kirgistan.

Der Verein wurde 2013 mit der Unterstützung des Feministischen Kollektivs Bischkeks gegründet. „Es gab zuerst ein Camp für die Mädchen, das von den Peace Corps und der Feministischen Initiative Bischkeks organisiert wurde. So habe ich angefangen, mich dafür zu interessieren“, erzählt Darija, eine der Aktivistinnen . „Danach haben wir uns einmal in der Woche getroffen, um darüber gemeinsam nachzudenken“. Darija und ihre Freundinnen verstanden sehr schnell, wie wichtig und dringend es ist, das Projekt in offiziellem Rahmen umzusetzen. „Wir mussten einen Verein gründen, um über uns zu reden und die Gesellschaft auf uns aufmerksam zu machen.“

Geschlechtergleichheit ist auf der ganzen Welt ein aktuelles Thema, nicht nur in den zentralasiatischen Ländern. Doch hier, wo sich das Verständnis dieser Gleichheit oft noch durchsetzen muss, ist das Problem besonders prägnant. Die ganze Gesellschaft macht den Eindruck, nach Geschlechtern geteilt zu sein.

Das betrifft natürlich an erster Stelle die Arbeitswelt. Einige Berufe seien nunmal eher für Männer geeignet und andere für Frauen, heißt es. Dabei können letztere diese auch nur ausüben, wenn es ihnen erlaubt wird.

Auf der Anklagebank sitzen akute Bildungs- und vor allem Informationsmängel in manchen Regionen Kirgistans. Daher rühren auch die zahlreichen Missbrauchsfälle, körperliche wie psychologische, die so selten kritisiert, verurteilt und bestraft werden.

Dafür gibt es eine Lösung: mit Waffen, also Wörtern, gegen Klischees anzugehen, in der Hoffnung, diese Ungleichheiten zu beseitigen. In diesem Kontext wurden in den letzten Jahren mehrere Organisationen gegründet, die sich für die oft gebrochenen und häufig verschwiegenen Frauenrechte einsetzen. „Aktivistenmädchen Kirgistans“ ist dabei eher untypisch, der Verein wird von jungen 13- bis 17-jährigen Jugendlichen verwaltet. Ihr Ziel? Gleiche Rechte für Frauen und Männer fördern, für eine Welt ohne Gewalt, Diskriminierung und Grausamkeit.

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„Unser Hauptziel ist es, jungen Mädchen ihre Rechte zu erklären und ihnen zu zeigen, wie man diese verteidigt. Ein Mensch der seine Rechte nicht kennt ist schwach, er ist jeder äußerlichen Gewalt ausgesetzt“, erklärt Darija. Diese empörte und erbitterte Verfechterin der Menschenrechte verpasst keine Gelegenheit, bei verschiedenen Veranstaltungen zu dem Thema ihre Meinung kundzutun. Dabei ist sie noch ein Kind.

Mit ihren 16 Jahren engagiert sich Darija bereits seit zwei Jahren in der Organisation, die sie mitgegründet hat. Sie studiert in der Schule N.13, in der elften Klassen (die letzte in dem lokalen Schulsystem, Anm. d. Red.). Trotz ihres jungen Alters setzt sie sich mit Leidenschaft mit ernsten politischen und sozialen Problemen auseinander, während Gleichaltrige die Augen nicht vom Fernseher lösen können.

Diese noch jugendlichen Aktivistinnen nehmen wo immer möglich an Kampagnen teil, die auf Menschenrechte aufmerksam machen, an Konferenzen und Foren. Für sie ist es das Wichtigste, gehört zu werden. Sie kommen aus verschiedenen Städten, Regionen und Dörfern aus allen Ecken Kirgistans. In Bischkek haben sie ihr Hauptquartier. Dort diskutieren sie über ihre Probleme und geben der Veränderung ihre Stimme. Es ist ein kleines graues Haus, recht banal, doch es ist schwer es zu verlassen, hat man es einmal betreten.

Ihre Treffen sind eher freundschaftliche Treffen, Vertrauen und Verständnis sind die Hauptsache. Zwischen zwei Lachern, manchmal auch zwei Tränen, beißen sie mir ihren noch weißen Zähnen auf ein Stück schwarze Schokolade. Diese Atmosphäre trägt sicherlich zu dem Erfolg des Projektes bei.

Ein deutlicher Mangel an Information auf den Dörfern

Die Problematik der Frauenrechte ist in den Dörfern Kirgistans besonders akut. Hier, weit weg von der großen Welt und den Schulen, mangelt es jungen Frauen systematisch an Information über ihre Rechte. Ohne Bildung bleibt ihnen oft nur die Hochzeit, zum Teil schon mit 14-15 Jahren. Doch die Schuldigen sind weder ihre Eltern, noch ihre Religion.

Es ist die Armut, welche die meisten Türen verschließt. Die Hochschulausbildung ist kostenpflichtig und oft sehr teuer in Kirgistan. Studenten müssen bis zu 2000 Dollar im Jahr zahlen, für die Amerikanische Universität, die beste des Landes, sind es 5500 Dollar. Und das bei einem Durchschnittslohn von 214 Dollar.

An zweiter Stelle stehen der Mangel an Kommunikation und die mangelnde Information der Bevölkerung. Mit letzterem beschäftigt sich Darijas Organisation.

2013 nahmen sie an dem Forum „Gemeinsam“ teil und stellten dort ihre Forderungen. „Wir brauchen Schulbücher über Frauen: Politikerinnen, Wirtschaftswissenschaftlerinnen, Naturschützerinnen, Aktivistinnen. Unsere Mütter brauchen Kindergärten, in denen ihre Kinder betreut werden (die Schule beginnt erst mit 7, Anm. d. Red.). Wir müssen uns auf unser Studium konzentrieren können, nicht auf den Haushalt. Es werden gute Bibliotheken und Computer benötigt, die für alle zugänglich sind. Wir wollen eine gute Ausbildung erhalten!“

„Entscheidet und redet nicht über uns in unserer Abwesenheit: wir sind hier und können alles selbst sagen!“

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Auf die Frage, was sie zu ihrem Engagement motiviere, antwortet Darija: „Vor allem der Wunsch, zu helfen. Als Vertreterin dieses Teils der Gesellschaft, also der 16-jährigen Mädchen, kenne ich selbst die Probleme, mit denen wir zu kämpfen haben“.

Mit 14 nahm Darija an einer Konferenz über „Die Rechte von Mädchen, ihre Gesundheit und Gewalt gegen sie“ in Almaty teil. Das schon damals rebellierende Mädchen erinnert sich: „Als ich ankam, bemerkte ich, dass ich das einzige Mädchen bei dieser Konferenz über Mädchen war. Ich habe die Frage gestellt, warum hier nur ein einziges Mädchen sei? Ich glaube, wir kennen unsere Probleme besser und wissen besser, wie man sie lösen kann.“ Als Antwort: Gelächter, noch verletzender als Worte. „Das Hauptproblem dort war die herablassende Haltung der Männer unserem jungen Alter gegenüber. Jetzt wo ich 16 bin ist es schon einfacher“, setzt sie nach.

Informieren, sprechen, aus dem Schatten und dem Schweigen treten. Sie wehren sich, verurteilen eine Gesellschaft ohne Hoffnung. „Wir bleiben alle still. Wir leben in einer Gesellschaft, in der eine frühe Heirat ein Erfolg ist. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Gewalt etwas Normales ist.“

Auf ihrem Blog findet man Videos, Aussagen, Erzählungen und Informationen, dank derer die Leben einiger junger Mädchen vielleicht einen anderen Weg einschlagen können.

Aijan Igemberdieva

Aus dem Französischen übersetzt von
Florian Coppenrath und Luisa Podsadny

 

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