In den letzten zwei Jahrzehnten haben Hunderte ethnische Kirgisen ihre Heimat in Usbekistan verlassen, um in Kirgistan ein neues Leben zu beginnen. Eine von ihnen war die Familie Mamasharipov. Die Mamasharipovs zogen 1993 von Ferghana, der östlichen Region Usbekistans nach Bischkek. Sie waren auf der Suche nach einem besseren Leben. In den ersten Jahren hatte die Familie viel zu kämpfen, mittlerweile haben sie sich ein neues Leben aufgebaut.
Der Familienvater, der 68-jährige Kamoliddin Mamasharipov, hat in Usbekistan als Schuldirektor gearbeitet und hatte ein normales Leben mit stabilem Einkommen. Welche Gründe hatte er, das Land zu verlassen?
„Meine drei Söhne und drei Töchter haben an russischen Schulen studiert, damit sie an besseren Universitäten studieren können. Als jedoch 1991 die UdSSR zusammenbrach, begannen die meisten Universitäten in Usbekistan, auf Usbekisch zu unterrichten. Daraufhin entschied sich mein älterer Sohn Khabibullo, sein Studium in Bischkek fortzusetzen. Später folgten ihm seine jüngeren Brüder und seine Schwestern„, erklärt er.
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„Kirgistan ist meine historische Heimat“
„Als unsere Kinder nach Bischkek gingen, um zu lernen, beschloss ich zusammen mit meiner Frau Kimsan, dass wir auch umziehen würden, um als ganze Familie bei ihnen zu leben. Ein anderer Grund ist, dass ich ethnischer Kirgise bin und Kirgistan meine historische Heimat ist,“ fährt Kamoliddin fort.
Nach Angaben des usbekischen staatlichen Komitees für Statistik lebten im Jahr 2013 etwa 422.000 ethnische Kirgisen in Usbekistan, das sind 1,4% der Bevölkerung. Die meisten von ihnen können, wenn sie wollen, die Schule in ihrer Muttersprache besuchen. In Kirgistan betrug die Zahl der ethnischen Usbeken im Jahr 2016 etwa 878.000, 14,6% der Bevölkerung.
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Der Grund für die Existenz dieser Minderheiten in den Nachbarländern ist, dass die Ethnizität der Bevölkerung nicht immer berücksichtigt wurde, als zwischen 1924 und 1927 die innersowjetischen administrativen Grenzen gezogen wurden. Als diese Grenzen 1991 zu Staatsgrenzen wurden, fanden sich Hunderttausende Menschen in der ehemaligen Sowjetunion auf einmal als Minderheiten in neuen Nationalstaaten wieder. So auch die Familie Mamasharipov.
„Wir haben uns im Schlafsaal meines Sohnes niedergelassen“
In den ersten Jahren nach ihrem Umzug nach Bischkek stand die Familie vor vielen Schwierigkeiten. „Als ich und mein Mann nach Bischkek kamen, kannten wir nur unsere Kinder. Alle von ihnen waren Studenten, außer dem ältesten. Er hat als Mathematiklehrer gearbeitet und er war der einzige Ernährer der Familie. Wir hatten keinen Platz zum Leben, also haben wir uns im Schlafsaal meines zweiten Sohnes niedergelassen„, sagt Kimsan Mamasharipova.
Die Eltern pachteten in jener Zeit Land und arbeiteten als Landwirte. Für einige Jahre war das die Haupteinnahmequelle für die Familie. Aber es gab in dieser Zeit auch glückliche Momente. „Ich erinnere mich an jedes Mal, als mein älterer Bruder sein Gehalt erhalten hat und Zucker und einen Sack Mehl gebracht hat, um Brot zu backen. Das war immer ein freudiger Tag für uns„, sagt der jüngste Sohn der Familie, Kudratillo, mit einem Lächeln.
Neues Gesetz über die Staatsbürgerschaft
Während des letzten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts war die wirtschaftliche Situation in Kirgistan wegen des Zerfalls der UdSSR im Chaos und für die Familie Mamasharipov war es kaum möglich, Arbeit zu finden.
Während der Präsidentschaft von Kurmanbek Bakijew wurde jedoch ein neues Gesetz über die kirgisische Staatsbürgerschaft erlassen. „Nach diesem Gesetz konnten wir, ethnische Kirgisen aus dem Ausland, nach nur einem Jahr in Kirgistan die Staatsbürgerschaft erhalten. Das hat uns wirklich geholfen, unser Geschäft zu starten und unser Leben zu verbessern„, sagt Vater Kamoliddin.
Zurzeit führen Khabibullo und sein Bruder Kudratillo, eine kleine Firma in Bischkek mit 25 Angestellten. Sie produzieren Matratzen und Decken. Der mittlere Sohn, Abdumalik, besitzt auch eine kleine Firma, die verschiedene Früchte nach Kirgistan importiert. Ihr Plan ist, in den nächsten zehn Jahren eine eigene Investmentgesellschaft zu gründen.
Elmurud Tojidinov
Student der American University of Central Asia (AUCA)
Bearbeitet von Folke Eikmeier
Der Text ist aus einer Zusammenarbeit zwischen Novastan e. V. und der AUCA im Frühling 2018 entstanden. Die Redakteure Augustin Forissier und Folke Eikmeier hielten im Kurs „New Mass Media“ zwei Journalistik-Workshops ab. Die Studenten des Kurses schrieben daraufhin Artikel zu Themen ihrer Wahl.
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Berlin, 2018-09-9
Ihre Namen ihr Aussehen sagt eher aus, dass die Usbeken sind. keine Kirgisen.
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