Im August ist in Kirgistan Erntezeit. Um es bis dahin zu schaffen, alles Unkraut zu jäten, beschäftigen Bauern aus der Region Batken im Südwestendes Landes tadschikische Arbeiterinnen. Normalerweise sind dies Frauen, die auf der anderen Seite der Grenze leben. Den Bericht von Nastojascheje Wremja übersetzen und veröffentlichen wir mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Siera Talibschanowa nimmt jede beliebige Arbeit an. Zuhause, in Tadschikistan, erwarten sie ihre Kinder. Ihr Mann arbeitet in Russland. Das Geld, das er nach Hause schickt, reicht für die große Familie aber nicht aus. Daher überquert sie auf der Suche nach Einkommen jeden Tag die Grenze.
„Ich übernehme jede Arbeit“
„Ich stehe morgens um vier Uhr auf, füttere das Vieh, schicke es auf die Weide und bereite das Frühstück für die Kinder zu. Um fünf Uhr komme ich hier auf dem Feld an. Ich übernehme jede Arbeit. Ich trockne Aprikosen, jäte Unkraut und sammle Tabak, ich kann das Gras mähen. Die Kirgisen bezahlen unterschiedlich, bis zu 45 Somoni (etwa 4,30 Euro) pro Tag. Im Monat verdiene ich zwischen 300 und 500 Somoni. Alles hängt davon ab, wie wir arbeiten.“, erzählt Talibschanowa.
Lest auch auf Novastan: Rücküberweisungen von tadschikischen Migranten um 18 Prozent gestiegen
Ihr Monatsverdienst entspricht etwa 40 bis 50 US-Dollar. Die Bezahlung für ihre Arbeit erhalten die Frauen in einer Währung ihrer Wahl, in kirgisischen Som oder in tadschikischen Somoni. Sie können beide Währungen auf beiden Seiten der Grenze umtauschen.
Die arbeitssuchenden Frauen schließen sich mitunter auch zu Teams zusammen. Unter ihnen sind selten Männer. Wenn doch, sind dies normalerweise diejenigen, die nicht nach Russland fahren können.
„Wir gehen jeden Tag in einer Gruppe aus 20 bis 30 Leuten über die Grenze. Das ist für alle gut. Wir verdienen Geld und die Arbeitgeber erhalten unsere Hilfe. Erst seit diesem Jahr verdienen wir weniger. Im letzten Jahr haben wir 50 bis 60 Somoni pro Tag bekommen. In diesem Jahr waren es nur 35 bis 40 Somoni. Heutzutage sagt man: Es gibt wenig Arbeit und wenig Geld. Aber trotzdem sind wir zufrieden und unseren kirgisischen Brüdern dankbar“, sagt Iachiakoscho Koschiajew, der Vorarbeiter der tadschikischen Arbeiter.
Lest auch auf Novastan: Russland: Zentralasiatische Migranten als Prügelknaben
Arbeiter für einen Tag
Niemand kann sagen, wie viele tadschikische Staatsbürger jeden Tag die Grenze überqueren. Eine solche Arbeitsmigration ist für Menschen auf beiden Seiten der Grenzlinie sinnvoll, insbesondere, weil die tadschikischen Arbeiter und Arbeiterinnen ernsthafte Vorteile haben, sagen die Arbeitgeber.
„Wir nennen sie ‚Arbeiter für einen Tag‘, weil sie nur für einen Tag Arbeit suchen. Wir bitten sie um Hilfe, weil unsere eigenen Hände nicht ausreichen. Pro Tag zahlen wir ihnen zwischen 250 und 300 Som (zwischen 3 Euro und 3,60 Euro). Sie verrichten ihre Arbeit sehr ehrlich“, meint der Chef des ländlichen Bezirks Kulundu, Kudaibergen Taschibajew.
Lest auch auf Novastan: Die Tadschiken, Aussätzige in Russland
Auf der Suche nach Arbeit kommen die Tadschiken auch in die Grenz- und Kleinstädte Kirgisistans. Mitunter bilden sie ganze Teams, um Häuser zu bauen.
„Die Bauarbeiter aus Tadschikistan verlangen nicht viel Geld oder besondere Bedingungen. Die Arbeiter von dort stellen niemals Forderungen. Sie sind auch immer daran interessiert, die Arbeit frühzeitig zu beenden“, sagt Batirbek Koschomberdijew, ein Bewohner des Gebiets Batken. Manchmal gehen auch minderjährige Kinder gemeinsam mit ihren Müttern zur Arbeit. Sie bekommen weniger Lohn, obwohl sie genauso viel arbeiten wie die Erwachsenen.
Schibek Begalieva
Nastojascheje Wremja
Aus dem Russischen von Markus Niedobitek
Noch mehr Zentralasien findet Ihr auf unseren Social Media Kanälen, schaut mal vorbei bei Twitter, Facebook, Telegram, LinkedIn oder Instagram. Für Zentralasien direkt in eurer Mailbox könnt ihr euch auch zu unserem wöchentlichen Newsletter anmelden.