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Von Alexander bis zu den Kuschan: Archäologische Schätze Usbekistans in Berlin

Mit der Ausstellung „Archäologische Schätze aus Usbekistan – Von Alexander dem Großen bis zum Reich der Kuschan“ ist auf der Berliner Museuminsel eine beeindruckende Schau über das antike Zentralasien zu sehen.

Die Ausstellung zeigt archäologische Schätze aus Usbekistan - vom 4. Jahrhundert v. Chr. bis zum 4. Jahrhundert n. Chr. (Photo: Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker)

Mit der Ausstellung „Archäologische Schätze aus Usbekistan – Von Alexander dem Großen bis zum Reich der Kuschan“ ist auf der Berliner Museuminsel eine beeindruckende Schau über das antike Zentralasien zu sehen.

Es ist der Glanz der Seidenstraße mit seinen Prachtbauten aus timuridischer Zeit, für den Usbekistan berühmt ist. Und so ist es auch wenig überraschend, dass wer die Ausstellungsräume in der James-Simon-Galerie betritt, zuerst auf einem Rundflug über Bucharas berühmte Kalon-Moschee mitgenommen wird. Doch dieser „eye catcher“ trügt, denn die hier zusammengetragenen archäologischen Schätze reichen viel weiter in die Vergangenheit des heutigen Usbekistans zurück.

Mit der groß angelegten Sonderausstellung „Archäologische Schätze aus Usbekistan – Von Alexander dem Großen bis zum Reich der Kuschan“ werden auf der Berliner Museumsinsel zahlreiche Kulturschätze präsentiert, die zum Teil erstmals außerhalb Usbekistans zu sehen sind. Die Schau, die sich auf Ausstellungsräume im Neuen Museum und der James-Simon-Galerie verteilt, vermittelt den Besucher:innen Einblick in die Kulturlandschaft Usbekistans vom 4. Jahrhundert v. Chr. bis in das 4. Jahrhundert n. Chr. und ist noch bis zum 14. Januar 2024 zu sehen.

Alexander der Große als Aufhänger

Der Bezug auf Alexander den Großen dürfte bei der Konzeption der Ausstellung nicht zufällig gewählt worden sein, bietet doch der Persien-Feldzug des makedonischen Königs ein Bezugspunkt, den so ziemlich jeder aus dem Geschichtsunterricht kennt. Dies formulierte auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede bei der Eröffnung der Ausstellung, die am 3. Mai im Beisein von Usbekistans Präsident Shavkat Mirziyoyev stattfand.

„Wahrscheinlich wird es den meisten Besuchern dieser Ausstellung so gehen wie mir – dass sie zwar von Alexander dem Großen schon gehört haben, von seinen Eroberungszügen, seinem militärischen Genie und seinem frühen Tod, vielleicht auch von den kulturellen Folgen seiner Eroberungen; dass sie aber vom Reich der Kuschan noch nie gehört haben und daher auch gar nicht wissen, über welche großen kulturellen Schätze Usbekistan aus seiner Vergangenheit verfügt“, sagte der Bundespräsident.

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Und so widmet sich jener Teil der Ausstellung, der im Neuen Museum untergebracht ist, auch Alexanders Feldzug nach Osten und den unmittelbaren Folgen für die Region Zentralasien, die somit erstmal in das europäische Blickfeld gelangte. Tatsächlich stammen aber die in diesem Ausstellungsteil gezeigten Exponate teilweise aus dem Fundus der Staatlichen Museen Berlin und wurden nicht in Usbekistan entdeckt.

Ein weiterer Schwerpunkt dieses Ausstellungsteil liegt aber auf den archäologischen Funden, die die griechische Präsenz auf dem Territorium des heutigen Usbekistan belegen. Hierzu zählen unter anderem Scherben und Münzen aus den griechischen Befestigungsanlagen Kurganzol und Uzundara.

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Auch nach Alexanders Tod lebte das griechische Erbe in Zentralasien fort. Während unter Seleukos noch weite Teile von Alexanders Reich zusammengehalten werden konnten, etablierte sich in der Folge in den östlichen Provinzen Sogdien und Baktrien ein Graeco-Baktrisches Reich, dessen Untergang erst in der Mitte des 2. Jahrhundert v. Chr. eingeleitet wurde.

An der Schnittstelle zwischen Ost und West

Wie sehr Alexander der Große als Aufhänger verwendet wurde, verdeutlicht sich auch in der Tatsache, dass die Exponate der Ausstellung auch weit in voralexandrinische Zeit zurückreichen. Eben jener Frühgeschichte widmet sich ein Teil der Ausstellungsräume in der James-Simon-Galerie. Ein besonders bemerkenswertes Exponat befindet sich gleich zu Beginn des Rundgangs: ein aus Stein gefertigtes Amulett aus der zweiten Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. mit der Darstellung zweier antithetischer Schlangen.

Das Schlangen-Amulett – hier bei einer Aussteellung im Louvre – stammt aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. (Photo: Eléonore de Vulpillières / Novastan)

Im weiteren Verlauf zeichnet die Ausstellung die weitere Entwicklung in der Region nach. Von den unabhängigen Reichen der Sogdier und Baktrier im 1. Jahrtausend v. Chr. über die Gründung von Afrosiyob bis zur Eroberung dieser Reiche durch die Perser im 6. Jahrhundert v. Chr.

Auch das Reich der Kangju und die Entwicklung des Zoroastrismus in Choresmien werden durch Exponate veranschaulicht. Bedeutende Ausgrabungsstätten sind die Palastanlagen von Akchahan-kala und die Kultbauten von Koykrilgankala (beide aus dem 4. bis 2. Jahrtausend v. Chr.).

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Diese Vielfalt von unterschiedlichen Einflüssen belegt, dass Zentralasien schon von alters her an einer Schnittstelle zwischen Ost und West liegt. Dies wird vor allem um die Zeitenwende herum deutlich. Während in den Jahrhunderten zuvor vor allem Perser und Griechen – als Mächte, die aus dem Westen kamen – die Region prägten, tauchte nun ein neuer Akteur aus dem Osten auf: die Kuschan.

Das unbekannte Reich der Kuschan

Das Reich der Kuschan wurde laut chinesischen Quellen von einem der fünf aristokratischen Stämme der reiternomadischen Yuezhi gegründet. Im 2. Jahrhundert v. Chr. war dieser Stamm von Gansu nach Baktrien gezogen und hatte so das Graeco-Baktrische Reich Schritt für Schritt zurückgedrängt. Unter König Kanischka erreichte das Reich der Kuschan im 2. Jahrhundert n. Chr. den Höhepunkt seiner Macht, der sich in monumentaler Architektur und Meisterwerken der Kunst offenbarte.

Hand einer überlebensgroßen Buddhafigur aus einer buddhistischen Tempelanlage in Dalverzintepa, 2.-3. Jahrhundert n. Chr., (Photo: Hans Jakobi)

Zu jener Zeit verschmolzen persische und griechische Einflüsse mit kulturellen Impulsen aus Indien. Auch der Buddhismus erlebte unter Kanischka eine erste Blütezeit. Erstmals wurde Buddha – vermutlich nach griechischem Vorbild – in einer menschlichen Gestalt dargestellt. Zahlreiche Tempel, Klöster, Kultbauten mit Buddha- und Bodhisattva-Statuen entstanden.

Im Tal des Amudarja in der Gegend des heutigen Termiz wurden die buddhistischen Klöster von Fayaztepa und Karatepa gegründet, aus deren Ausgrabungsstätten ein Teil der gezeigten Exponate stammt. Doch auch die Städte erlebten unter den einst nomadischen Kuschan eine neue Blüte. Alt-Termiz, um die Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. gegründet, entwickelte sich unter den Kuschan zu einem sozialen, politischen und religiös-buddhistischen Zentrum. Auch die an einem Übergang des Amudarja gelegene Festung Kampyrtepa wurde von den Kuschan erobert und zur Stadt ausgebaut.

Bemalter Kopf einer Terrakottaplastik mit realistischer Darstellung eines „sakischen“ Kriegers aus der Palastanlage von Chaltschajan, 1. Jahrhunert v. Chr. – 1. Jahrhundert n. Chr., (Photo: Hans Jakobi)

Die Stadt Dalverzintepa erreichte ebenfalls unter den Kuschan ihre Blütezeit und war im 2.-3. Jahrhundert n. Chr. eines der wichtigsten Zentren ihres Reiches. In unmittelbarer Umgebung wurden zwei buddhistische Tempelanlagen ausgegraben, deren Artefakte zu den beeindruckendsten der Ausstellung zählen. Von ähnlicher archäologischer Bedeutung ist die Palastanlage von Haltschayan aus dem 1. Jahrhundert n. Chr., die vor allem durch ihre bemalten plastischen Figuren von Mitglieder:innen der Herrscherfamilie besticht. Einige hiervor sind ebenfalls in der Ausstellung zu sehen.

Kulturdiplomatie

Die Ausstellung entstand in einer bisher beispielslosen Kooperation zwischen deutschen und usbekischen Museen. Ihre Durchführung war im Mai 2019 beim Besuch Frank-Walter Steinmeiers in Usbekistan vereinbart worden. Sie reiht sich ein in eine weiter gefasste Kulturdiplomatie Usbekistans, das seit dem Machtantritt Shavkat Mirziyoevs im Jahr 2016 sich immer mehr für ausländische Besucher:innen geöffnet hat. Insofern dient die Ausstellung auch dazu, Usbekistan einem breiteren Publikum bekannt zu machen. Tatsächlich war eine ähnlich konzipierte Ausstellung zu usbekischer Kunst bereits zu Beginn des Jahres im Pariser Louvre zu sehen.

Dieses Ziel dürfte die Ausstellung, die in Berlin an fast allen U-Bahnhöfen beworben wird, nicht verfehlen. Auch wenn sie es angesichts der räumlichen Verteilung auf zwei benachbarte Gebäude und dem in der Folge nicht immer chronologischen Aufbau teilweise schwer macht, eben jener Chronologie zu folgen, ist dabei aber vor allem eine gelungene Schau entstanden. Insbesondere die Exponate aus der Zeit der Kuschan und die eigens für die Ausstellung produzierten Videos und Computeranimationen geben einen beeindruckenden Einblick in eine den Besucher:innen unbekannte Welt. In ein Usbekistan, das so viel mehr ist als Seidenstraße.

Robin Roth, Chefredakteur von Novastan

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