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EU-Zentralasien-Gipfel: Europa buhlt in Samarkand um Rohstoffe

Die EU sucht in Zentralasien händeringend nach neuen Handelspartnern, um ihre Abhängigkeit von Russland und China beim Import kritischer Rohstoffe zu verringern. Dafür ist sie auch bereit, über die dortige Menschenrechtslage hinwegzuschauen. 

Gruppenbild vom Gipfel: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Antonio Costa haben in Samarkand die zentralasiatischen Präsidenten getroffen, Photo: president.uz

Die EU sucht in Zentralasien händeringend nach neuen Handelspartnern, um ihre Abhängigkeit von Russland und China beim Import kritischer Rohstoffe zu verringern. Dafür ist sie auch bereit, über die dortige Menschenrechtslage hinwegzuschauen. 

Im usbekischen Samarkand haben sich am 4. und 5. April die Staatsoberhäupter der fünf zentralasiatischen Länder (Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan) mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Antonio Costa getroffen, um die Zukunft der gegenseitigen Beziehungen und potentielle Investitionsmöglichkeiten zu erörtern.

In ihrer Rede betonte Von der Leyen besonders die Investitionen, die die EU im Rahmen ihres Entwicklungshilfeprogramms „Global Gateway” in der Region getätigt hat, und kündigte dabei auch ein neues Investitionspaket in Höhe von 12 Milliarden Euro an. Dieses soll laut der EU-Kommission vor allem dazu dienen, Projekte in den Bereichen Transport (3 Milliarden Euro), kritische Rohstoffe (2,5 Milliarden Euro), Erneuerbare Energien (6,4 Milliarden Euro) und digitale Vernetzung (100 Millionen Euro) voranzutreiben.

Seit Jahren versucht die EU, ihre Abhängigkeit von China und Russland im Bereich der kritischen Rohstoffe und Seltenen Erden zu senken. Diese Stoffe spielen eine Schlüsselrolle in der Herstellung von Laptops, Waffen, Windrädern und anderen technologischen Gütern. 2023 stammten 94 Prozent der Importe von Seltenerdmetallen in die EU aus China, Russland und Malaysia.

“Der Wettbewerb hat bereits begonnen”

Im Buhlen um diese Rohstoffe trifft Europa allerdings auf einige Widersacher. Laut dem Zentralasien-Experten Peter Leonard haben sowohl die USA als auch Südkorea kürzlich ihr Interesse an einer engeren Zusammenarbeit mit Kasachstan bei der Erschließung von Rohstoffvorkommen bekundet. 

 „Viele Jahre lang schenkte hier niemand den Seltenen Erden und kritischen Materialien Beachtung. Öl und Gas waren die Priorität. Erst in letzter Zeit wird über die Anziehung von Investitionen gesprochen. Der Wettbewerb hat bereits begonnen,“ so der kasachstanische Politologe Dosym Satpaev in einem Interview mit dem YouTube-Channel GyperBorei.

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Von der Leyen zufolge will die EU – im Gegensatz zu anderen Mächten – dafür sorgen, dass ihre Investitionen in Zentralasien letztendlich auch zur Schaffung von lokalen Wertschöpfungsketten und Arbeitsplätzen beitragen.

„Europa will ein faires Angebot machen […]: Als Partner wollen wir lokale Wertschöpfungsketten für kritische Rohstoffe schaffen, was bedeutet, dass der Wert, der hier in der Region geschafft wird, auch hier in der Region bleibt,” so die Kommissionspräsidentin.

Wie Zentralasien profitieren könnte

Auch die zentralasiatischen Staaten sehen Europa zunehmend als attraktiven Partner, um ihre eigene Abhängigkeit von ihren Nachbarn zu verringern. So könnte Kasachstan beim Bau seines ersten Atomkraftwerks möglicherweise auf die Unterstützung Frankreichs mit seiner hochinnovativen Nukleartechnologie setzen, während in Taschkent ein Büro der Europäischen Investitionsbank eröffnet werden soll. 

„Die vorrangige Dimension unserer Interaktion sollten Investitionen in die wirtschaftliche und technologische Modernisierung sein”, so Usbekistans Präsident Shavkat Mirziyoyev während des Gipfels. Hierbei nannte er grüne Energie, Innovation, Verkehr, Infrastruktur und Landwirtschaft als Schlüsselsektoren. 

Die Annäherung zur EU ist Teil der “multivektoralen Außenpolitik” der zentralasiatischen Staaten, mit der diese zwischen ihren Nachbarn, China und Russland, und Drittländern zu balancieren versuchen.

Von Menschenrechten keine Spur?

Menschenrechtsgruppen äußerten sich im Vorfeld des Gipfels kritisch über die derzeitige Menschenrechtslage in Zentralasien und forderten die EU dazu auf, dies während des Gipfels anzusprechen, wie Radio France International berichtet

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„Langfristiger Fortschritt hängt nicht nur von Diplomatie, Investitionen und Handel aber erfordert auch die Achtung der Menschenrechte und Raum für die Zivilgesellschaft, um sich frei und ohne Angst zu entwickeln und zu arbeiten“, erklärte Marie Struthers, Direktorin von Amnesty International für Osteuropa und Zentralasien.

Allerdings wurden im Abschlusskommuniqué des Gipfels keine Passagen über Menschenrechte aufgenommen. 

Benedikt Stöckl für Novastan

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