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Wishbone – Wie eine deutsche Künstlerin das erste Café in Buchara eröffnete

Die Liebe zu usbekischen Ornamenten führte die deutsche Künstlerin und Webdesignerin Gertrud Schenk nach Buchara - und die Liebe zu gutem Kaffee zur Eröffnung des ersten Cafés der Stadt. Über die Entwicklung des Cafés „Wishbone“ in den letzen sechs Jahren sowie über den kürzlich erfolgten Umzug an einen neuen Ort erzählt Gertrud Schenk im Gespräch mit Spot.uz. Wir übersetzen ihre Erzählung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Das Café Wishbone in Buchara
Das Café Wishbone in Buchara im Herbst 2016

Die Liebe zu usbekischen Ornamenten führte die deutsche Künstlerin und Webdesignerin Gertrud Schenk nach Buchara – und die Liebe zu gutem Kaffee zur Eröffnung des ersten Cafés der Stadt. Über die Entwicklung des Cafés „Wishbone“ in den letzen sechs Jahren sowie über den kürzlich erfolgten Umzug an einen neuen Ort erzählt Gertrud Schenk im Gespräch mit Spot.uz. Wir übersetzen ihre Erzählung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Ich bin Künstlerin und habe mein Studium 1992 an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz abgeschlossen. Ich habe meine Werke in St. Petersburg und anderen Städten ausgestellt.

In Deutschland hatte ich einen usbekischen Nachbarn. Als er meine Liebe zu Ornamenten bemerkte, sagte er, dass in Usbekistan jeder Künstler so etwas malen könne. Ich suchte Informationen im Internet und fand den Künstler Asad Barnojew, der sich bereit erklärte zu meiner Ausstellung zu kommen und den Entstehungsprozess der Ornamente live vorzuführen. Begeistert von seinem Talent beschloss ich, dass ich in seine Heimat reisen musste um alles selbst zu lernen. So kam ich 2008 zum ersten Mal nach Buchara.

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Deutsche lieben Kaffee, wir können nicht ohne. Während meines dreiwöchigen Aufenthalts in der Stadt, fand ich kein einziges Café, wo man eine Tasse Kaffee trinken und damit seine Laune heben könnte. Alle tranken löslichen Kaffee aus Tütchen.

Teehaus Buchara
In Buchara ist Tee verbreiteter als Kaffee, wie hier in einem der Teehäuser der Stadt

Es gab Restaurants, aber solche Einrichtungen, wo man einfach sitzen, lesen, reden kann, gab es nicht. Mich hat das sehr gewundert. Mit diesem Problem sind viele Ausländer konfrontiert und so sah ich eine Nische und beschloss ein Café zu eröffnen.

Drei Jahre lang suchte ich Partner. Letztendlich wurde der Neffe einer Freundin aus Taschkent mein Geschäftspartner. Wir bekamen die Erlaubnis vom Hokimat (der Stadtverwaltung, Anm. d. Ü.) und vom Finanzamt und begannen mit der Arbeit. 2011 wurde das Unternehmen registriert und 2012 eröffneten wir das Café.

„Wishbone“ ist der Name meines Webdesign-Unternehmens in Deutschland. Der Wishbone – also „Wunschknochen“ –  ist ein Brustknochen von Vögeln, welcher als Glückssymbol gilt. Man muss den Knochen zu zweit zerbrechen und sich dabei einen Wunsch ausdenken. Wenn du den längeren Teil des Knochens hast, geht dein Wunsch in Erfüllung. Dieses Wort gibt es nur in der englischen Sprache und ich wollte, dass Touristen, die den Wunsch haben einen guten Kaffee in angenehmer Atmosphäre  zu trinken, sich diesen Wunsch bei uns erfüllen können.

Ich habe viele Muster gezeichnet, die die traditionellen Ornamente von Buchara mit Bildern des Wishbone verbunden. Ich liebe es Ost und West zu verbinden. Ein Meister aus Margilon hat für mich einen schwarz-weißen Stoff hergestellt, auf dem ich meine und usbekische Muster vereint habe. Diese Bilder verwendete ich bei der Raumgestaltung des Cafés.

Schwierigkeiten und Konkurrenten

Das Hokimat half sehr bei der Unterbringung und der Gestaltung der notwendigen Dokumente. Alles in allem ist der Prozess eine Geschäftstätigkeit aufzunehmen in Usbekistan und Deutschland quasi identisch.

Der wichtigste Unterschied besteht in der Amtsführung – insbesondere in der Kommunikation. In Deutschland stellst du eine Frage und bekommst eine klare Antwort. In Usbekistan antwortet man dir nicht sofort und direkt, es wird wie eine Katze um den heißen Brei geschlichen, überlegt und abgewogen.

Mit dem ersten Geschäftspartner gab es Komplikationen. Es war schwierig ohne Sprachkenntnisse zu arbeiten und eine Dokumentation zu führen. Ich möchte jetzt aber nicht an die Vergangenheit denken. Das wichtigste ist nicht aufzugeben. Niemals. Wenn ich eine Idee im Kopf habe, verliere ich das angestrebte Ziel trotz Schwierigkeiten und Hindernissen nicht aus den Augen.

Um ein Unternehmen anzumelden, musste man Rücklagen in Höhe von circa 2000 Dollar vorweisen. Die Ausrüstung, den Kaffee und alles weitere habe ich aus Deutschland eingeführt. Da gab es mit dem Zoll Probleme. Das Verzollen hat sehr lange gedauert. Vermutlich hatten damals alle diese Probleme.

Probleme mit Kunden gab es nicht. Die Stadt und die Touristen brauchten Kaffee. Während man in Deutschland und Europa zum Kunden gehen und sagen muss: „Bitte kaufen Sie bei mir“, kamen 2012 in Buchara die Touristen zu uns und sagten: „Geben Sie uns Kaffee“. Der Markt war leer.

Das Entstehen von neuen Cafés in der Stadt und die damit verbundene Konkurrenz schrecken mich nicht. Anfänger in diesem Bereich denken: „Warum brauche ich teure Kaffeebohnen, ich nehme billigere. Einen Unterschied gibt es nicht“. Aber in Kombination mit schlechtem Service führt das dazu, dass der Kunde geht.

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Die Café-Nische in Usbekistan ist noch nicht ausgefüllt. Es gibt viele Möglichkeiten. In Taschkent gibt es viele Cafés, aber auch dort sind gute Einrichtungen selten. Cafés mit echtem Kaffee in der Hauptstadt – so wie in Europa. Mit gleichem Service und gleicher Qualität. Ich hatte vor ein Café in Samarkand zu eröffnen, aber ich müsste in zwei Städte fahren und dazu bin ich noch nicht bereit.

Umzug in ein neues Lokal

Zwei Wochen vor Beginn der Saison wurde die Immobilie, die wir mieteten, verkauft. Das war unerwartet, aber wir haben schnell ein neues Lokal gefunden und sind umgezogen. Das Café befindet sich jetzt im Kuppelbasar Tim Abdullah Khan, einem Gebäude aus dem 16. Jahrhundert mit einem besonderen Mikroklima. Hier ist es selbst an den heißesten Tagen immer kühl. Die Ladenfläche ist größer, weswegen alle unsere Gäste einen Platz finden und einen aromatischen Kaffee genießen können. So hatte ein negativer Umstand positive Folgen.

Buchara Kalian Minarett Usbekistan
Das Kalian Minarett, das größte Bucharas im Abendlicht.

Interessanterweise hatten wir von Anfang an vor das Café genau hier zu eröffnen. Aber wir mussten damals aufgrund von Restaurierungsarbeiten diese Idee verwerfen. Unser ehemaliges Lokal, wo wir sechs Jahre lang gearbeitet haben, habe ich eher zufällig gefunden. Dort war eine Scheune. Die Leute schauten mich mitleidig an und in ihren Augen konnte man lesen: „Die arme Deutsche mit ihren Geräten und dem Kaffee und ohne ein normales Lokal.“

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Ich habe den Raum komplett renoviert, Ordnung geschafft und das Café eröffnet. Die ersten Gäste waren Touristen aus der Türkei. Die Reiseleiter und Gäste der Stadt kamen einen Kaffee trinken und wurden unsere Stammkunden. Ich schrieb den Reiseanbietern, dass ich ein Café eröffne, denn sie wissen, dass ihre Kunden Kaffee brauchen und deswegen bauten sie den Besuch meines Cafés in ihre Programme ein.

Des Weiteren gab es bei mir die „Deutsche Ecke“. Wir luden Studierende der Fakultät für Germanistik ein und die Touristen konnten sich nicht nur mit dem Reiseleiter, sondern auch mit der Jugend der Stadt in ihrer Muttersprache unterhalten.

Die Einwohner Bucharas kamen anfangs nicht in Café um sich zu unterhalten. Sie bevorzugten es Tee zu trinken. Aber mit der Zeit erkannten die Leute, dass man sich mit Freunden nicht nur im Restaurant zu einem Mahl, sondern auch zu einer Tasse Kaffee treffen kann. Und so kam zu mir auch Lokalbevölkerung.

Ich mag meine Gäste sehr. Sie sind bei mir zu Gast und wir unterhalten uns. Ich habe Russisch gelernt und ein bisschen Farsi, welches man in Buchara spricht.

Über Service und die Feinheiten des Kaffeeröstens

Am teuersten an meinem Geschäft sind die Kaffeebohnen. Qualität hat hier ihren Preis. Ein Haus, das lange stehen soll, kann man nicht aus billigem Material bauen. Genau so ist das hier. Das einzigartige Aroma und den Geschmack des Kaffees bekommt man nicht, wenn man billige Bohnen verwendet.

Wenn in diesem Jahr der Vorschlag umgesetzt wird die Zollabgaben und Steuern auf die Einfuhr einiger Lebensmittelarten abzuschaffen, zu denen auch Kaffebohnen gehören sollen, dann kann man auch Qualität zu vernünftigen Preisen anbieten. Das erweitert auch die Geschäftsmöglichkeiten.

Beim Kaffeerösten gibt es eine Menge Nuancen und man kann leider nicht einfach schauen, wie man das in Europa macht und diese Technologie hier dann wiederholen. In Usbekistan gibt es Hersteller, die Kaffeebohnen rösten und eine Zusammenarbeit mit ihnen würde den Prozess vergünstigen, aber ich bevorzuge die Bohnen von Molinari, mit denen ich von Anfang an arbeite. Sie sind teuer, aber an der Qualität darf man nicht sparen.

Eine der wichtigsten Komponenten in der Geschäftswelt sind die Mitarbeiter. Es ist schwer Menschen zu finden, mit denen du zusammen arbeiten und etwas entwickeln kannst. Es ist unumgänglich sie in Sachen Service auszubilden, damit der ganze Ablauf läuft wie ein Uhrwerk. Wir haben drei Mitarbeiter, die das ganze Jahr arbeiten. In der Saison nehmen wir Aushilfen – ein paar Studierende kommen nach dem Studium. Für sie ist das eine gute Sprachpraxis.

Über Gewinn und Herzensangelegenheiten

Mein Geschäft ist saisonal, deswegen kann man nicht sagen, dass es hohe Gewinnmargen bringt. Aufgrund der kurzen Tourismussaison, die nur vier Monate dauert (April-Mai und September-Oktober) deckt das Café bisher nur die laufenden Kosten. Jetzt, da mehr Touristen nach Usbekistan kommen und auch der Binnentourismus sich entwickelt, hoffen wir Gewinn machen zu können.

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Einen Besucherandrang spüren wir nur zur Hochsaison und Steuern, die Gehälter der Angestellten und Nebenkosten sind ständige Ausgabeposten. Aber wir arbeiten ganzjährig um nicht die Kunden zu verlieren, die das ganze Jahr über nach Buchara kommen.

Buchara Usbekistan Bau Einkaufszentrum
Ein Fahrradfahrer schaut auf eine Infotafel über den Bau eines Einkaufszentrums in der Nähe des historischen Zentrums von Buchara.

Ich fliege zweimal pro Jahr nach Buchara – zur Hochsaison um den Ablauf zu kontrollieren und um auf die Qualität zu achten. Den Rest des Jahres bin ich in Deutschland, wo ich als Webdesignerin arbeite und Veranstaltungen in Schulen durchführe.

Viele Menschen, die keinen schnellen Gewinn erzielen, geben ihr Geschäft auf. Aber man muss Geduld haben und weiterarbeiten. Mittlerweile ist „Wishbone“ eine bekannte Marke. Gewinn wir es geben, da bin ich mir sicher. Man muss halt viel arbeiten und voranschreiten. Das wichtigste ist, dass es eine Herzensangelegenheit ist. Dann kommt auch die Entwicklung.

Das Café ist mein Hobby und meine Herzensangelegenheit. Geld ist nicht das wichtigste im Leben. Ins „Wishbone“ kommen sehr interessante Menschen aus der ganzen Welt – Künstler, Schriftsteller, Geschäftsleute. Jeder von ihnen ist eine einzigartige Persönlichkeit und eine Unterhaltung mit ihnen bereitet mir große Freude. Sie vereint die Liebe zu echtem Kaffee und die Begeisterung für Buchara. Für mich ist das das Wichtigste.

Reschide Kerimowa
Spot.uz

Aus dem Russischen von Robin Roth

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