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Usbekistan liberalisiert sein Religionsgesetz

Usbekistans Präsident hat am 5. Juli eine Neufassung des Gesetzes über die Gewissens- und Religionsfreiheit verkündet. Das Verbot religiöser Kleidung wird aufgehoben und die Registrierung religiöser Organisationen vereinfacht. Bestimmte Einschränkungen bleiben jedoch bestehen.

Usbekistans Präsident hat am 5. Juli eine Neufassung des Gesetzes über die Gewissens- und Religionsfreiheit verkündet. Das Verbot religiöser Kleidung wird aufgehoben und die Registrierung religiöser Organisationen vereinfacht. Bestimmte Einschränkungen bleiben jedoch bestehen.

Das Gesetz wurde mit absoluter Diskretion erlassen. Wie die usbekische Onlinezeitung Gazeta.uz mitteilte, hat Usbekistans Präsident Shavkat Mirziyoyev am 5. Juli eine neue Version des Religionsgesetzes verabschiedet. Zu den Neuregelungen gehört das Recht, religiöse Kleidung zu tragen.

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Bei der Erstellung des Gesetzestextes wurden internationale Normen und Anforderungen berücksichtigt. So seien laut dem staatlichen Medium Xalq so’zi die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie die allgemeinen Anmerkungen des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen berücksichtigt worden.

Aufhebung der Bekleidungsbeschränkungen

Infolge der Neuregelung ist es nun allen Personen erlaubt, in der Öffentlichkeit religiöse Kleidung zu tragen. Dieses Recht war bisher nur dem Klerus eingeräumt. Die auf Zentralasien spezialisierte Politologin Hélène Thibault erklärt gegenüber Novastan, dass durch das Streichen des entsprechenden Artikels das Gesetz seltener missbraucht werden könne.

So ist zum Beispiel das Tragen eines bisher als zu lang geltenden Bartes nicht mehr verboten und Frauen können nicht mehr für das Tragen eines Hidschabs belangt werden. Verwaltungseinrichtungen wie Ämter oder Universitäten können jedoch weiterhin eine Kleiderordnung durchsetzen.

Vereinfachte Registrierung

Ein weiterer Artikel des neuen Gesetzes vereinfache laut Gazeta.uz die Registrierung religiöser Organisationen und Kultstätten. In der Vergangenheit war für dieses Verfahren die Unterschrift von 100 Initiator:innen erforderlich, diese Zahl wird nun halbiert. Wie das US-amerikanische Portal Eurasianet feststellt, wurden aber auch administrative Auflagen diskret hinzugefügt. Das neue Gesetz sagt auch, dass alle Initiator:innen in einer Stadt oder einem Bezirk des Landes leben müssen.

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Hélène Thibault sieht in der neue Online-Registrierung einen vereinfachten Administrationsprozess. Es gebe jedoch keine Informationen darüber, ob sich bestehende Organisationen nach diesem neuen Gesetz von neu registrieren müssen. Falls das der Fall sein sollte, könne dies laut Thibault problematisch sein. „Als Tadschikistan 2009 sein neues Religionsgesetz verabschiedete, mussten sich alle Organisationen neu registrieren und viele wurden abgelehnt. Dies ist eine Möglichkeit, unerwünschte Gemeinschaften loszuwerden“, erklärt die Expertin.

Neustrukturierung des Religionsunterrichts

Wie Eurasianet betont, gelten für den Religionsunterricht nach wie vor strenge Regeln. Eine theologische Ausbildung ist nur mit Abitur möglich. Darüber hinaus wird an Schulen und Universitäten weiterhin kein Religionsunterricht stattfinden. „Die Aufnahme religiöser Disziplinen in Lehrpläne ist nicht erlaubt (außer in religiösen Bildungseinrichtungen)“, heißt es dazu im Gesetz.

Dies ist ein wunder Punkt für die ständig wachsende Zahl von Menschen, die ihren Kindern von klein auf religiöse Lehren beibringen möchten. Wie Eurasianet berichtet, wurden seit 2017 etliche Untergrundklassen von den Strafverfolgungsbehörden entdeckt und aufgelöst. Laut Xalq so’zi bekräftige das Gesetz, dass Usbekistan ein säkularer Staat mit einem „garantierten“ Recht auf säkulare Bildung ist.

Neue Verfahren für religiöse Materialien

Das Gesetz legt auch ein Verfahren für die Produktion, den Import und die Verbreitung von Materialien mit religiösem Inhalt fest. Gazeta.uz berichtet, dass so die Bevölkerung vor den Aktivitäten von Gruppen geschützt werden soll, die verschiedene ‚fremde‘ Ansichten fördern.

Um unterschiedliche Interpretationen von Standpunkten zu vermeiden, wird eine spezifische Grenze zwischen illegaler und legitimer religiöser Aktivität gezogen. Dieses Verfahren ähnelt der juristischen Praxis, nach der zuletzt im Juni zwei usbekische Medien zu Geldstrafen verurteilt wurden, nachdem sie strittige religiöse Inhalte ohne Zustimmung des zuständigen Regierungskomitees veröffentlicht hatten.

Ohne Debatte verabschiedet

Das Gesetz wurde vom usbekischen Parlament nahezu ohne Debatte verabschiedet. „Die Ausarbeitung und Verabschiedung des neuen Religionsgesetzes erfolgte fast ausschließlich im Geheimen. […] Nach der Veröffentlichung eines Textentwurfs im August 2020 wurden keine Texte mehr zugänglich gemacht“, erklärt die auf die Verteidigung der Menschenrechte spezialisierte, norwegische NGO Forum 18.

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Obwohl der Gesetzesentwurf zur öffentlichen Debatte online gestellt wurde, wurde jedoch nicht festgelegt, wie und wann die Zivilgesellschaft Kommentare abgeben könne. „Der Staat will die volle Kontrolle und selbst Debatten über das Gesetz wurden geheim gehalten“, berichtet Forum 18. Hélène Thibault meint, dass das Gesetz in seinen Formulierungen jenen der Sowjetzeit ähnelt. Es bleibt abzuwarten, wie das neue Religionsgesetz umgesetzt wird.

Emma Vanzo, Redakteurin für Novastan

Aus dem Französischen von Robin Roth

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