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Usbekistan bereitet Eintritt in die Eurasische Wirtschaftsunion vor

Die Präsidentin des russischen Föderationsrats hat mitgeteilt, dass der usbekische Präsident Shavkat Mirziyoyev die Entscheidung getroffen hat, sein Land in die Eurasische Wirtschaftsunion zu führen. Bisher hatte sich Usbekistan geweigert der Zollunion beizutreten.

Wappen der Eurasischen Wirtschaftsunion
Usbekistans Präsident Mirziyoyev möchte sein Land in die Eurasische Wirtschaftsunion führen

Die Präsidentin des russischen Föderationsrats hat mitgeteilt, dass der usbekische Präsident Shavkat Mirziyoyev die Entscheidung getroffen hat, sein Land in die Eurasische Wirtschaftsunion zu führen. Bisher hatte sich Usbekistan geweigert der Zollunion beizutreten.

Es ist eine unerwartete Wendung, die sich in Usbekistans Außenhandelspolitik vollzieht. Wie die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti am 2. Oktober meldete, hat der usbekische Staatspräsident Shavkat Mirziyoyev die Entscheidung getroffen, sein Land in die Eurasische Wirtschaftsunion (EEU) zu führen. Die Agentur zitierte die Präsidentin des russischen Föderationsrats Walentina Matwienko während eines Besuchs in Usbekistan. Die russische Agentur TASS fügte hinzu, dass eine von Russland geleitete gemeinsame Arbeitsgruppe zur Integration Usbekistans in die EEU ihre Empfehlungen bis Ende des Jahres vorlegen wird.

Matwienko äußerte die Hoffnung, dass der Beitritt Usbekistans in die EEU schnell umgesetzt wird. Dies zeigt, dass Russland die 2014 in Astana ins Leben gerufene Wirtschaftsunion gerne auf das bevölkerungsreichste Land Zentralasien ausweiten möchte. „Ich hoffe, dass der Verhandlungsprozess nicht länger dauert und wir in der Lage sein werden, innerhalb der eurasischen Familie zusammenzuarbeiten“, fügte Matwienko hinzu.

Seit ihrer Gründung versucht die EEU sich auszudehnen. Das Ziel der Union besteht in erster Linie darin, eine Zollunion zu schaffen, bevor es im Weiteren zur politischen Annäherung nach dem Modell der Europäischen Union kommt. Neben den Gründungsmitgliedern Russland, Kasachstan und Belarus sind seit 2014 Armenien und seit 2015 Kirgistan Mitglieder der EEU. Viele BeobachterInnen sehen in der EEU eine stark von Russland dominierte Vereinigung.

Probleme mit der Arbeitsmigration als Antrieb

Wie RIA Novosti berichtete, stellte Matwienko klar die Vorteile eines EEU-Beitritts heraus, welcher es erlauben würde „bestimmte Hindernisse und Beschränkungen, die in den zwischenstaatlichen Beziehungen existieren“ zu beseitigen. Die Politikerin bezog sich hierbei auf administrative Probleme, mit denen Millionen usbekischer ArbeitsmigrantInnen in Russland konfrontiert sind und die eine wichtige Rolle in den sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern spielen.

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Laut des usbekischen Wirtschaftsmagazins Spot.uz ist die Zuteilung von Arbeitspatenten eines der Hauptprobleme von usbekischen MigrantInnen in Russland. Neben einem komplizierten Verfahren müssen sie bis zu 5 000 Rubel pro Monat ausgeben (ca. 70 Euro). Das Arbeitspatent ist auch eine notwendige Grundlage, um eine Aufenthaltsgenehmigung in Russland zu erhalten. Im Jahr 2019 gingen 91 Prozent aller erteilten Patente an MigrantInnen aus Usbekistan und Tadschikistan.

MigrantInnen aus EEU-Mitgliedsländern müssen hingegen kein Arbeitspatent erwerben und sind diesbezüglich mit russischen Staatsangehörigen gleichberechtigt. In der ersten Jahreshälfte 2019 arbeiteten fast eine Million UsbekInnen in Russland.

Usbekistans wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland

30 Prozent des Außenhandels Usbekistans entfallen auf Mitgliedsländer der EEU. In einzelnen Sektoren ist der Anteil deutlich höher: 75 Prozent aller usbekischer Agrarexporte gehen in EEU-Länder, allen voran Russland.

Das Problem für Taschkent besteht darin, dass die EEU-Mitglieder ihre protektionistische Steuer- und Regulierungspolitik verstärken, um ihren eigenen Markt zu schützen. Folglich sieht sich Usbekistan mit tarifären und nichttarifären Handelshemmnissen seiner Handelspartner konfrontiert.

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Diese erhöhen heute die Kosten usbekischer Exporte um durchschnittlich 30 Prozent. In der Folge verlieren die usbekischen Unternehmen und Exporteure rund 1 Milliarde Euro an potenziellem Gewinn.

Eine Kehrtwende der usbekischen Politik

Während der letzten Jahre hatte Russland keinen Hehl daraus gemacht, dass es Usbekistan gern in die EEU integrieren würde. Noch im Juni erklärte Russlands Premierminister Dimitrij Medwedjew, dass „die Tore der EEU für Usbekistan offen“ stünden.

Seit der Bekanntgabe ihrer Gründung 2014 ist es der Eurasischen Wirtschaftsunion nicht gelungen, Taschkent zu integrieren. Der ehemalige Präsident Islom Karimov (1989-2016) bevorzugte bilaterale Beziehungen mit den Mitgliedsstaaten der Union, da er multilaterale Bündnisse und die damit verbundenen Entscheidungswege ablehnte. Obwohl Shavkat Mirziyoyev im Dezember 2016 an die Macht kam, und sagte, Usbekistan wolle der Welthandelsorganisation beitreten, hatte sich der Standpunkt zu einem EEU-Beitritt bis zuletzt nicht geändert.

Noch im Mai 2018 bestätigte der usbekische Außenminister Abdulaziz Kamilov, dass „der Beitritt zur EEU für Usbekistan keine Priorität“ habe.

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Walentina Matwienkos Ankündigung, dass der usbekische Präsident sich für einen EEU-Beitritt entschieden habe, stellt also eine bedeutende Wende in der usbekischen Politik dar, welche die Annäherung zwischen Russland und Usbekistan seit dem Machtantritt Mirziyoyevs bestätigt. In diesem Zusammenhang erklärte Matwienko auch gegenüber TASS, dass Usbekistan keine Schritte unternommen hat, um der Organisation des Vertrags über die kollektive Sicherheit (OVKS) wieder beizutreten. Der Organisation gehören die Mitgliedsländer der EEU sowie Tadschikistan an. Die OVKS ist ein Sicherheits- und Militärbündnis und wird auch als eine Organisation angesehen, die von Russland beeinflusst wird. Usbekistan hat jedoch nicht die Absicht gezeigt, nach seinem Ausscheiden im Jahr 2012 dorthin zurückzukehren.

Kritik an der Entscheidung

Für Usbekistan könnte der Beitritt zur EU den Verlust bestehender und potenzieller Märkte in Ländern außerhalb der EEU zur Folge haben, auf die derzeit 70 Prozent des Außenhandels entfallen.

Aziza Umarova, Direktorin von Smartgov Consulting und Kandidatin für die Parlamentswahl im Dezember, hat den eventuell bevorstehenden Beitritt Usbekistans in die EEU auf ihrer Facebook-Seite stark kritisiert.

„Es ist bezeichnend, dass wir so wichtige Nachrichten aus russischen Veröffentlichungen erfahren, die die Worte russischer Politiker wiedergeben. Und das zu einem Zeitpunkt, da es innerhalb der EEU zahlreiche Konflikte gibt. […] Kirgisistan streitet mit Russland über die Begrenzung der Transferbeträge der Arbeitsmigranten. Während für Kirgisistan die Grenze 100 000 Rubel beträgt, sind es für die Bürger Kasachstans 150 000, für die Bürger Armeniens eine Million Rubel“, schreibt Umarova und weist damit auf die internen Probleme und die Ungleichheit innerhalb der EEU hin.

Des Weiteren meint Umarova, dass Usbekistan nach dem EEU-Beitritt von russischen Herstellern überholt wird. Darüber hinaus würde dies das Land der russischen Politik und insbesondere den Sanktionen und der Instabilität des Rubels aussetzen.

„Alle Entscheidungen werden von einem Land getroffen. Und es ist nicht unseres. Der Eintritt ist ein One-Way-Ticket. Hallo Sowjetunion! Das ist nicht worauf meine Generation gehofft hat“, schreibt die 37-jährige Unternehmerin. Doch anders als sie haben viele BürgerInnen Usbekistans – wie auch in ganz Zentralasien – nostalgische Gefühle für die Sowjetzeit.

Die Redaktion

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