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Usbekische und tadschikische Terroristengruppen in Afghanistan

Nach Angaben von Behörden der afghanischen Provinz Badachschan versuchen der „Islamische Staat“, Al-Qaida und verwandte Gruppierungen, ihre militärische Präsenz in der Region zu stärken. Dabei spielen insbesondere bewaffnete tadschikische und usbekische Gruppen eine bedeutende Rolle. Folgender Artikel erschien zuerst am 28. April auf unserer französischen Seite.

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Badachschan
Laut manchen Angaben befinden sich zurzeit tadschikische und usbekische Islamisten im Badachschan, im Nordosten Afghanistans (Illustration)

Nach Angaben von Behörden der afghanischen Provinz Badachschan versuchen der „Islamische Staat“, Al-Qaida und verwandte Gruppierungen, ihre militärische Präsenz in der Region zu stärken. Dabei spielen insbesondere bewaffnete tadschikische und usbekische Gruppen eine bedeutende Rolle. Folgender Artikel erschien zuerst am 28. April auf unserer französischen Seite.

Derzeit erreichen uns viele Informationen von Behörden der afghanischen Provinz Badachschan, die an Tadschikistan grenzt. Wie die afghanische Onlinezeitung ToloNews über Behördenangaben vom 21. April berichtet, versuchen sich terroristische Gruppierungen wie der  „Islamische Staat“, sowie Al-Qaida verstärkt in der Region zu etablieren. Während die terroristischen Aktivitäten in Badachschan zunehmen, bestätigen Behörden die Teilnahme usbekischer und tadschikischer Kämpfer an Gefechten. Ihre Anwesenheit auf afghanischem Boden befeuert den anhaltenden Kampf gegen die afghanischen Sicherheitskräfte.

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Lokale Quellen berichten, dass sich unter diesen einander nahestehenden Gruppierungen Kämpfer befinden, die mit diversen „terroristischen Vereinigungen“ in Verbindung stehen, wie etwa der tadschikischen Gruppierung Jamaat Ansarullah (JA) (Deutsch: Vereinigung der Helfer Gottes), der Islamischen Turkestan-Partie  sowie den usbekischen Islamisten von Harkat-i-Islami oder uigurischen Dschihadisten. Ungefähr 400 Menschen sollen in verschiedenen Teilen der Provinz tätig sein, insbesondere jedoch im Khastak-Tal, im zentralen Distrikt Jurm in Badachschan.

Intensivierung terroristischer Aktivitäten in Badachschan

Nach Angaben der Militärbehörden von Badachschan ist die Region ein strategisch wichtiges Gebiet für zentralasiatische Kämpfer, die seit vielen Jahren zahlreiche Gegenden davon kontrollieren. Die bergige Provinz im Nordosten Afghanistans mit Grenzen zu China, Pakistan und Tadschikistan weckt sowohl geografische als auch wirtschaftliche Interessen. Laut Zakaria Sawda, Gouverneur der Provinz, „wollen [die Kämpfer] ihre dritte Basis in Badachschan stärken, um noch nachdrücklicher handeln zu können“.

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Nur drei Tage nach diesen Bekanntgaben berichtete der kirgisische Ableger von Sputnik News über einen Angriff im Bezirk Ragh an der Grenze zu Tadschikistan. Sputnik zitiert ein Mitglied der afghanischen Polizei, laut dem „eine Gruppe bewaffneter tadschikischer Kämpfer von mehr als 15 Personen […] in Konflikt mit einem Posten regierungsnaher Streitkräfte aus Kuf-Ab geriet“. Dies ist alarmierend genug, damit die regionalen Behörden um Lufthilfe bitten, um „das Gebiet aufzuräumen“, berichtet gleichsam ToloNews.

Diese jüngste Zunahme terroristischer Aktivitäten in der Region hat es den Aufständischen ermöglicht, die Kontrolle über mehrere Distrikte in Badachschan zurückzugewinnen, insbesondere über das an Tadschikistan grenzende Yamgan. Radio Ozodi, der tadschikische Zweig des amerikanischen Mediums Radio Free Europe, veröffentlichte Aussagen von Abdullah Nadschi Nasari, einem Mitglied des Rates von Badachschan, der sagte, dass „die Sicherheitskräfte leider besiegt [und] die Regierungstruppen zurückgezogen wurden“. Das Versäumnis der afghanischen Sicherheitskräfte, die Verbreitung der Kämpfer und die steigende Zahl der Todesopfer in Badachschan aufzuhalten, hatte bereits die Verdrängung mehrerer Familien zur Folge.

Tadschikistan wird unruhig

Die instabile Lage an der Grenze zwischen Badachschan und der tadschikischen autonomen Region Berg-Badachschan hat die tadschikische Regierung gezwungen, die Sicherheitsmaßnahmen in dieser bergigen Provinz zu verstärken. Vor allem die Situation in Afghanistan beunruhigt die tadschikischen Behörden.

Während tadschikische und usbekische Behörden diese Angriffe noch nicht kommentiert haben, hatten Vertreter der Verteidigungsministerien Russlands und Tadschikistans die Weltgemeinschaft immer wieder auf die Aktivitäten islamistischer Kämpfer und anderer Terrororganisationen in den Gebieten Nordafghanistans aufmerksam gemacht. Die Unsicherheit über die dortige Sicherheitslage veranlasste Usbekistan und Tadschikistan, am 12. März gemeinsame Anti-Terror-Übungen unter der Bezeichnung „Commonwealth 2020“ durchzuführen. Zuvor hatten beide Staaten ein Partnerschaftsabkommen über die militärische Zusammenarbeit und die Terrorismusbekämpfung unterzeichnet.

Am 13. März fand in Samarkand ein Treffen der Leiter der Grenzbehörden der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) statt, bei dem Situationen und Trends des Sicherheits- und Gesundheitssystems an ihren Außengrenzen zur Zeit der Coronavirus-Epidemie analysiert wurden. Sputnik berichtet, dass durch gemeinsame Programme mit der GUS und der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) Hilfen für tadschikische und usbekische Grenzschutzbeamte bereitgestellt wurden, um deren Streitkräfte zu modernisieren, sowie ihre militärische Ausrüstung zu verbessern.

Wirtschaftliche Chancen

Sollten die Aufständischen ihre Präsenz in Badachschan beibehalten können, liegt das daran, dass der Reichtum der Region es ihnen ermöglicht, sich zu finanzieren. Die tadschikische Onlinezeitung Asia-Plus bestätigt, dass „die Terroristen ein gutes Einkommen haben, wenn sie Gold ins Ausland exportieren“. Hinzu kommt der  Drogenhandel, wie der neue Bericht des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen hervorhebt. Dieser Bericht erläutert, dass sich der aus tadschikischen Staatsbürgern bestehende „Jaamat Ansarullah“ (JA) genau wie andere terroristische Gruppierungen am Drogenhandel entlang der Nordroute beteiligt.

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Die Grenze zwischen Tadschikistan und Afghanistan ist etwa 1430 Kilometer lang, während der usbekische Teil der Grenze 137 Kilometer beträgt. Das bergige Territorium erschwert die Kontrolle bestimmter Abschnitte dieser Grenze – ein Schwachpunkt, der den Drogenhändlern der Taliban in die Hände spielt. Ein Viertel bis ein Drittel des Opium- und Heroinschmuggels wird entlang der Nordroute durch Usbekistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Kirgistan transportiert. Dies sichert den Kämpfern die Mittel, um ihre Aktivitäten fortzusetzen und stört folglich die Sicherheit der Nachbarländer.

Der tadschikische Außenminister sagte am 26. Februar auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow: „Die Situation in Afghanistan ist nach wie vor sehr schwierig. Tadschikistan steht im Kampf gegen die Drogen an vorderster Front“. Muhriddin wies auch darauf hin, dass die Aktivitäten terroristischer Gruppen an der Grenze zu Tadschikistan stärker werden, und dass die Verluste unter den tadschikischen Grenzschutzbeamten jährlich zunehmen.

Mehr terroristische Aktivitäten seit dem Abkommen zwischen USA und Taliban

Nach Berichten der kirgisischen Ausgabe des russischen Mediums Sputnik haben die Aktivitäten der Terroristen entlang der tadschikisch-afghanischen Grenze seit der Unterzeichnung des Abkommens zwischen den Taliban und den USA zugenommen. Die Taliban nahmen die Kämpfe wieder auf, nachdem sie bekannt gegeben hatten, nicht mit einer von der afghanischen Regierung vertretenen Delegation zu verhandeln. Darüber hinaus hat die Vereinbarung zur Beendigung des Krieges die Moral der zentralasiatischen Kämpfer erheblich verbessert.

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Obwohl das Abkommen von Doha hauptsächlich auf das Engagement der Taliban abzielt, die Beziehungen zu Al-Qaida und anderen Terrorgruppen in Zentralasien zu kappen, haben jene nicht die Möglichkeit, diese Trennung zu beweisen. Dem Bericht des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zufolge „führen TIM und JA ihre Aktivitäten in Badachschan fort. Rund 400 ausländische Terroristen aus China, Tadschikistan und Usbekistan planen nun, die Anfeindungen in Konfliktgebieten fortzusetzen und ausgebildete Kämpfer in verschiedene Länder zu entsenden, um terroristische Handlungen durchzuführen beziehungsweise Propaganda über das Internet zu verbreiten“. Angesichts einer Aussicht auf Gefangenenaustausch zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban drückt der Bericht eine Besorgnis über die Freilassung von Terroristen und radikalisierten Gefangenen aus, welche „ebenfalls eine Bedrohung darstellen“.

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Der UN-Sicherheitsrat hat sich auch über die Islamische Dschihad-Union besorgt gezeigt, die ihre Aktivitäten gemeinsam mit TIM koordiniert. Zudem genießt deren kirgisischer Führer Ilimbek Mamatow „unter den Kämpfern Zentralasiens eine bedeutende Autorität und versucht, unter seinem Kommando eine einheitliche Terrorgruppe in Afghanistan zu gründen“. Letztendlich befürchten die UN, dass in Badachschan „ein neuer Sammelort zur Planung von Angriffen gegen die zentralasiatischen Nachbarländer entsteht“.

Obwohl afghanische Behörden versuchen, Tadschikistan und Usbekistan hinsichtlich ihrer Kontrolle über Badachschan zu beruhigen, kann eine Übernahme der Provinz durch die Aufständischen nicht ausgeschlossen werden. Während Duschanbe und Taschkent am 5. und 16. März wegen der Coronavirus-Epidemie ihre Grenzen zu Afghanistan geschlossen haben, wirkt die Aussicht auf eine Wiedereröffnung besorgniserregend. Die momentan ruhigere Phase sollte es Usbekistan und Tadschikistan ermöglichen, ihre jeweiligen Grenzgebiete zu stärken.

Tristan Pierard
Journalist für Novastan (Französisch)

Aus dem Französischen von Elisabeth Rudolph

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