Obwohl Usbekistan am Ende der internationalen Ranglisten der Pressefreiheit steht, gibt es immer noch eine journalistische Landschaft. Die Redaktion des usbekischen Online-Magazins Citizen hat Interviews mit Journalisten und Redakteure, die für verschiedene usbekische Medien arbeiten, durchgeführt.
Citizen: Wie beurteilen Sie den aktuellen Zustand des Journalismus in Usbekistan?
Nikita Makarenko, Journalist bei Gazeta.uz: Der Zustand des Journalismus in unserem Land ändert sich von Tag zu Tag, und sogar stündlich. Wenn Sie mich im Juni gefragt hätten, hätte ich Ihnen gesagt, dass es einen “vorsichtigen Optimismus” gibt. Heute kann ich andererseits sagen, dass ich weder die heutige noch die morgige Situation des Journalismus, und was eigentlich im Allgemeinen im Journalismus passiert, verstehe.
Welche Probleme haben Sie und Ihre Kollegen, die sich mit Journalismus beschäftigen?
Ich kann nicht sagen, dass es bedeutende berufliche Probleme gibt. Zumindest im vergangenen Jahr habe ich keine Probleme in meiner journalistischen Tätigkeit erfahren. Dafür was in den letzten Tagen passiert, finde ich schwer die richtigen Worte. Ich kann es nicht einmal ein „Problem“ nennen. Dies ist etwas, das nicht erklärt werden kann.
Denken Sie, dass in den Medien in Usbekistan Zensur herrscht? Wurden Sie selbst schon mal zensiert?
Ich denke, dass es Zensur in den staatlichen Medien gibt. Bestimmt wird ihnen gesagt, was und wie sie es sagen sollten, insbesondere im Fernsehen. In privaten Medien gibt es keine Zensur als solche. Niemand sagt uns, was wir machen müssen. Es gibt aber Versuche, in unsere Arbeit sich einzumischen und sie zu kontrollieren. Diesen Versuchen kann man aber mehr oder weniger erfolgreich widerstehen.
Usbekistan steht am Ende der internationalen Ranglisten der Pressefreiheit (im Jahr 2018 wurde bei Journalisten ohne Grenzen an die 165. Stelle von 180 eingeordnet und von Freedom of the Press bekam 95 von 100 Punkten, und dabei bedeuten die 100 Punkten der schlechtesten möglichen Zustand). Sind diese Bewertungen objektiv, reflektieren sie die Situation korrekt?
Diese Ratings sind gut ein Jahr veraltet. Wir könnten heute schon ein bisschen höher stehen, sie hätten uns z. B. 25 Punkte mehr geben können. Wenn Sie mir diese Frage im Juni gestellt hätten, hätte ich gesagt, dass wir bei 60 Punkte liegen. Aber heutzutage kann ich nicht sagen, in welchem Maße diese Schätzung über- oder untertrieben ist. Es ist noch zu früh, um sich die Schrödingers Katze anzuschauen. Ich denke, es lohnt sich, mit Schlussfolgerungen abzuwarten.
Wie schätzen Sie den Status des Rechtsrahmens und die Gesetzesanwendung, die den Journalisten und Medien schützen sollten, ein?
Die Gesetze sind gut und vielleicht schützen sie uns sogar. In meiner Arbeit gab es noch keinen Fall, wo es notwendig war, das Gesetz anzuwenden. Nur wenn sowas geschieht, können wir einschätzen, ob diese Gesetze effektiv sind oder nicht. Aber theoretisch sind die Gesetze nicht schlecht.
Gibt es in Usbekistan unabhängige NGOs, die die Interessen von Journalisten vertreten und verteidigen? Und wenn es solche Organisationen nicht gibt, wären sie nötig?
Ich habe nichts von NGOs in Usbekistan gehört, die sich dem Schutz der Rechte von Journalisten widmeten. Ich weiß, dass es ein Journalisten-Verband gibt, der theoretisch eine unabhängige Organisation ist, aber in Wirklichkeit unter Kontrolle von der Usbekischen Agentur für Presse und Information steht und sogar seine Räume im Gebäude der Agentur hat.
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Citizen: Wie beurteilen Sie den aktuellen Zustand des Journalismus in Usbekistan?
Lola Islamowa, Journalistin, Chefredakteurin von Anhor.uz: Usbekischer Journalismus lässt sich in zwei Gruppen unterteilen: staatlicher Journalismus und jener im privaten Sektor. Im Staatsjournalismus ist alles beim Alten geblieben und man braucht nicht darüber zu sprechen und es zu beurteilen. In der privaten Sphäre dominiert das Geschäftliche. Das ist kommerzieller Journalismus mit dem Ziel, Leser um jeden Preis zu gewinnen, Werbung zu erhalten und Geld zu verdienen.
Qualitätsjournalismus ist in keinem guten Zustand. Wir haben einen Schritt in Richtung Faktencheck getan, und auch der Meinungsjournalismus entwickelt sich, was jedoch nicht für zu einem analytischen Ansatz beiträgt. Es ist notwendig, die Herangehenweise zu ändern, ein juristisches und schriftliches Wissen unter Journalisten zu erhöhen und ihnen zu helfen, die Normen und Regeln des Qualitätsjournalismus zu meistern.
Welche Probleme haben Sie und Ihre Kollegen, die sich mit Journalismus beschäftigen?
Dies hat vor allem mit der Zeit und der Meinung, dass die Journalisten alles lösen werden, zu tun. ‘Ich erzähle Ihnen alles anonym, und Sie schreiben darüber. Für Sie bedeutet solch eine Geschichte mehr Leser.’
Die Zurückhaltung der Ministerien und Behörden, transparent zu agieren, schafft Schwierigkeiten bei der Erstellung hochwertiger analytischer journalistischer Arbeiten. Es ist auch schwierig, vollständige und zuverlässige Informationen zu erhalten. Open Data existiert, aber oft ist es nur amtlich und die Zuverlässigkeit der Daten schafft nicht immer Vertrauen.
Ethische Standards setzen gewisse Grenzen; man muss gewisse jedoch ziemlich interessante Ereignisse vermeiden, keine Geschenke annehmen oder sogar Treffen mit gewissen Leuten ausweichen. Persönliche Bekanntschaften stören manchmal die objektive Haltung gegenüber einem gesellschaftlich bedeutsamen Problem, bei dem die Interessen Ihrer Bekannten betroffen sind. Das ist ein Problem für viele Journalisten.
Denken Sie, dass in den Medien in Usbekistan Zensur herrscht? Wurden Sie selbst schon mal zensiert?
Offiziell ist die Zensur in Usbekistan verboten, in Wahrheit zeigt sie aber in der Reaktion der Regierung und mit ihr verbundenen Behörden und Organisationen. Meiner Meinung nach müsste die Usbekische Presseagentur ihre Position ändern. Sie haben noch nicht gelernt, für Journalisten zu arbeiten.
Bei Anhor.uz haben es schon mehrmals versucht, einen ‘guten Rat’ zu geben. Die Redaktion haltet aber die Gesetze strikt ein und überprüft die Fakten, die veröffentlicht werden, deswegen schaffen wir es, ein neutrales Verhältnis aufrechtzuerhalten.
Etwas anderes ist die Selbstzensur. Finanzielle Probleme und die Abhängigkeit der Redakteuren von den Gründern führen dazu, dass es am Ende ganz schwierig ist, die beiden genannten Zensurarten loszuwerden.
Ein weiteres Problem einiger Medien ist eine schwache Kenntnis der usbekischen Gesetzgebung und infolgedessen, die Befürchtung, dass die Regierung das Gesetz so interpretieren kann, wie es gerade ihr passt.
Usbekistan steht am Ende der internationalen Ranglisten der Pressefreiheit. Sind diese Bewertungen objektiv?
Wenn wir die Fakten, die auf sozialen Netzwerken geteilt werden, und den Inhalt der Mehrheit der usbekischen Medien betrachten, sehen wir, dass der usbekische Journalismus das wahre Geschehen außer Acht lässt. Dafür ist nicht nur die Regierung schuldig, sondern auch die Journalisten, die nicht wissen, wie sie die Möglichkeiten der Gesetzgebung richtig nutzen könnten, die auch ihre Komfortzone nicht verlassen wollen und wenn es nötig ist, den Beamten, die ihre Funktionen nicht richtig erfüllen, widerstreiten. Es ist möglich, dass die Bewertungen ein bisschen übertreiben, aber im Allgemeinen spiegeln sie die Situation wider.
Wie schätzen Sie den Status des Rechtsrahmens und die Gesetzesanwendung, die den Journalisten und Medien schützen sollten, ein?
Die gesetzliche Grundlage ist ziemlich gut. Eine andere Sache ist: Was zwingt den insbesondere hochrangigen Beamten, sich an diese Gesetze zu halten? Diese Frage muss noch gelöst werden.
Was meinen Sie, über welche Themen darf man nicht in Usbekistan schreiben und worüber würden Sie nie was schreiben?
Schreiben ist schwierig bei Themen, die man nicht kennt, die man nicht gut genug recherchiert hat und in denen man nicht kompetent ist.
Gibt es in Usbekistan unabhängige NGOs, die die Interessen von Journalisten vertreten und verteidigen? Wenn es solche Organisationen nicht gibt, wären sie nötig?
Ich kenne keine solche Organisation, natürlich wären sie aber notwendig. Noch wichtiger ist jedoch der Wille und Bereitschaft der Regierung, Qualitätsjournalismus zu entwickeln, ein Dialog mit Journalisten zu schaffen, Kompromisse zu suchen sowie keine Angst zu haben, eine Diskussion über problematischen Themen nicht von der Position der Macht, sondern argumentativ zu führen. Es ist auch die Zeit, ein System der Rechtsberatung für die Medien aufzusetzen. Möglicherweise übernimmt diese Aufgabe der Journalisten-Verband Usbekistans oder eine andere NGO.
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Citizen: Wie beurteilen Sie den aktuellen Zustand des Journalismus in Usbekistan?
Alischer Alismow, Journalist, Chefredakteur von Daryo.uz: Heutiger Journalismus in Usbekistan wiederspiegelt das Geschehen im Land. Es gibt sowohl Journalisten, als auch Journalismus, der aber sehr spezifisch ist. Es besteht ein akuter Mangel sowohl an der klassischen Ausbildung von Journalisten, als auch am Verständnis der aktuellen Trends im Fach. Einfach gesagt, die Berufsausbildung ist schwach, Unwissenheit und oft eine absolute Missachtung von Ethik und Solidarität sind an der Tagesordnung.
Welche Probleme haben Sie und Ihre Kollegen, die sich mit Journalismus beschäftigen?
Einen oberflächlichen Ansatz zum Berichterstattung und zur analytischen Arbeit. Die Redaktionen sollten hochqualifizierte Anwälte haben, die in der journalistischen Arbeit geäußerten Positionen angemessen verteidigen können. Ansonsten passiert es oft, insbesondere in den privaten Medien, dass sie Zeit, Geld und Mühe bei Auseinandersetzungen mit staatlichen Strukturen, privaten Unternehmen oder Einzelpersonen verlieren. Dies führt zu Apathie, Unglauben in ihren Aktivitäten, Unlust zu akuten Problemen. Und ihre Gegner nutzen es aus.
Denken Sie, dass in den Medien in Usbekistan Zensur herrscht? Wurden Sie selbst schon mal zensiert?
In Usbekistan gibt es keine Zensur. Gemäß der Verfassung gibt es keine. Das Mediengesetz gibt uns ein verschwommenes Bild, weil es unterschiedlich interpretiert werden kann. Das Gesetz muss ‘verfeinert’ werden, um modernen Anforderungen und internationalen Normen zu entsprechen.
Usbekistan steht am Ende der internationalen Ranglisten der Pressefreiheit. Sind diese Bewertungen objektiv?
Ich kann die Bewertungen nicht objektiv beurteilen. Medien, die absolut unabhängig wären, kenne ich nicht. Es gibt aber möglicherweise Medien, die nah daran sind.
Was meinen Sie, über welche Themen darf man nicht in Usbekistan schreiben und worüber würden Sie nie was schreiben?
Es ist möglich über alles zu schreiben, was nicht gesetzlich verboten ist. Aber wie es wahrgenommen wird, ist schon eine andere Frage.
Gibt es in Usbekistan unabhängige NGOs, die die Interessen von Journalisten vertreten und verteidigen? Wenn es solche Organisationen nicht gibt, wären sie nötig?
Aktuell gibt es im Land keine starke Gewerkschaft, die auch in anderen Bereichen praktisch nicht existieren. Es ist zu früh, um über wirkliche Unterstützung für Journalisten zu sprechen.
Aus dem Russischen von Veronika Snoj
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