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Samarkand for sale – Wer kontrolliert das Baugeschäft in Usbekistans Tourismuszentrum?

In Usbekistan herrscht ein Bau-Boom. Es entstehen neue Viertel mit Wohnungen für die BürgerInnen, Büros für Geschäftsleute und schicke Hotels für TouristInnen. Nichts symbolisiert den Wandel so deutlich, wie die Baustellen in fast allen bedeutenden Städten des Landes. Doch wer profitiert vom Baugeschäft? Der folgende Artikel erschien im russischsprachigen Original auf Fergana-News.

Samarkand Registon Usbekistan
Der Registon, historischer zentraler Platz in Samarkand, Usbekistan.

In Usbekistan herrscht ein Bau-Boom. Es entstehen neue Viertel mit Wohnungen für die BürgerInnen, Büros für Geschäftsleute und schicke Hotels für TouristInnen. Nichts symbolisiert den Wandel so deutlich, wie die Baustellen in fast allen bedeutenden Städten des Landes. Doch wer profitiert vom Baugeschäft? Der folgende Artikel erschien im russischsprachigen Original auf Fergana-News.

Seitdem Präsident Schawkat Mirsijojew den Tourismus zur strategisch wichtigen Branche ernannt hat, welche mehr Geld und Nutzen als Baumwolle bringt, hat die Tourismus-Industrie ein neues Niveau erreicht. Zum Beispiel forderte das Staatsoberhaupt, dass TouristInnen nicht die Sicherheitsorgane mit Bitten bestürmen müssen, um sich den Aufenthalt im Land genehmigen zu lassen. Schon verabschiedete das Parlament ein Gesetz (über die Visapolitik, Anm. d. Ü.), das nach offiziellen Zahlen zu einem deutlichen touristischen Zustrom führte. Das aber reicht offensichtlich nicht. Die nationale Fluggesellschaft Uzbekistan Airways goss Öl ins Feuer, indem ihre AnalystInnen verkündeten, dass in der Hochsaison die Zahlen höher sein könnten, wenn es im Land genug Hotel gäbe, in denen die TouristInnen vorab ein Zimmer buchen könnten.

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An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass nicht erst seit gestern über den Bau neuer Hotels gesprochen wird. Die Priorität liegt bei den Tourismuszentren, die AusländerInnen anziehen. Und das ist in erster Linie Samarkand – das Pflichtprogramm eines jeden Usbekistan-Reisenden.

Private Hotels für den staatlichen Bedarf

Im Juni 2017 wurde der Regierungserlass „Über Mittel zur schnelleren Entwicklung des touristischen Potenzials der Stadt Samarkand und des Gebiets Samarkand“ veröffentlicht. In ihm geht es unter anderen um den Bau des Komplexes „Samarkand City“ mit Hotels und weiterer touristischer Infrastruktur sowie um die Schaffung von Sport- und Erholungszonen, ebenfalls mit Hotelkomplexen und Cottage-Siedlungen. Darüber hinaus werden in den Erlass weitere Orte im Gebiet Samarkand genannt, an denen Hotelkomplexe für TouristInnen erbaut werden sollen.

Der Plan TouristInnen anzulocken erschien gut und für das historische Stadtbild ungefährlich, solange nicht klar war, dass „Samarkand City“ keine festen Grenzen haben wird.

Im November 2018 wurde ein Entschluss von Bürgermeister Furkat Rachimow bekannt, der bestätigte, dass private Gebäude, die sich auf dem Territorium von „Samarkand City“ befinden, abgerissen werden sollen. Aber das reichte dem Stadtoberhaupt scheinbar nicht aus und er entschloss sich noch weitere sieben Grundstücke den InvestorInnen zu überlassen. Rachimow verwies dabei auf das Sitzungsprotokoll des usbekischen Ministerkabinetts vom 31. Oktober. Dieses ist aber nicht öffentlich zugänglich.

Natürlich bringen die Bauarbeiten bedeutende Investitionen. Und Baugrundstücke zu finden, ist – insbesondere im Stadtzentrum – keine einfache Sache. Dennoch verspricht das Projekt das Internet mit skandalösen Geschichten über abgerissene Häuser und den Protest der AnwohnerInnen zu füllen. Übrigens ist schon folgender Fakt bekannt. Den ImmobilienbesitzerInnen der Mahalla Chudscha Achror Vali machte der Staat ein Angebot, das sie nicht ablehnen durften. Bis zum 1. Dezember sollten sie die Häuser bereits verlassen. Dutzende Menschen, die von Obdachlosigkeit bedroht waren, wagten den Aufstand. Um den Konflikt nicht zu verschärfen, beschloss die Verwaltung vorerst keine Bulldozer auf dieses Gebiet zu schicken. Wann es aber dazu kommen wird, ist unklar.

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Im August 2018 unterschrieb Präsident Mirsijojew einen Erlass, der den Prozess der Beschlagnahmung von Grundstücken für staatliche und gesellschaftliche Bedürfnisse reguliert. Darin steht deutlich geschrieben, dass solche Entscheidungen nur nach einer offenen Beratung mit den betroffenen Personen sowie einer Bewertung der Kosten und Nutzen zulässig sind. Ein Abriss von Wohnhäusern und übrigen Immobilien, die physischen oder juristischen Personen gehören, kann nur nach der vollständigen Erstattung des Marktpreises der Gebäude erfolgen.

Die BewohnerInnen Samarkands, mit denen es uns gelang zu sprechen, haben weder etwas von Entschädigungen noch von irgendwelchen Diskussionen gehört. Man muss erwähnen, dass in vielen Mahallas, die zum Abriss vorgesehen sind, Familien mit vielen Kindern leben. Wohin man sie umsiedeln möchte, in welche Häuser und welche Summe man ihnen (wenn überhaupt) vorschlägt, ist völlig unbekannt.

In dem Präsidialerlass sind zudem die Objekte aufgezählt, zu deren Gunsten Häuser und andere Gebäude abgerissen werden dürfen. Es werden Straßen und Eisenbahngleise, Flughäfen, Brücken und Kommunikationsnetze genannt – Hotels aber nicht. Es scheint, dass der Samarkander Bürgermeister hier mindestens seine Befugnisse überschreitet. Denn gemäß dem Bürgerlichen Gesetzbuch müssten im vorliegenden Fall die InvestorInnen selbst die Verhandlungen mit den HausbesitzerInnen führen. Der Bauherr kann das Eigentum nur für einen dem Besitzer angemessenen Preis abkaufen, falls das Geschäft überhaupt zustande kommt. Und obwohl private Hotels nicht zu den „staatlichen oder gesellschaftlichen Bedürfnissen“ gehören, scheinen sich die lokalen Beamten wenig um diesen Fakt zu kümmern.

Nichts ist heilig

Die Mehrzahl der Kulturdenkmäler in Samarkand befinden sich unter dem Schutz der UNESCO. Von Jahr zu Jahr werden es weniger, während der Staat unter verschiedenen Vorwänden Land verkauft. „Samarkand City“, das für die TouristInnen gebaut wird, nagt von der Stadt ein Stück mit historischen Gebäuden ab, dank derer massenhaft AusländerInnen in die Altstadt kommen. Welch ein Paradox!

Aus dem Anhang zum Erlass von Bürgermeister Rachimow wird übrigens ersichtlich, dass das Territorium des Komplexes erweitert werden soll. Es umfasst dann auch Mahallas, die im ursprünglichen Plan nicht mit eingeschlossen sind. Alles in allem sollen mehr als 500 Privathäuser abgerissen werden, in denen insgesamt fast 6000 Menschen leben.

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Außerdem betrifft das Projekt ein geräumiges Territorium, auf dem sich entweder direkt UNESCO-geschützte Kulturdenkmäler oder aber Pufferzonen befinden. Wenn man sich die Bilder aus der Projektpräsentation während des Tourismus-Investmentforums im vergangenen November anschaut, fällt auf, dass auf dem von der UNESCO geschützten Gebiet ein Vier-Sterne-Hotel mit Spa gebaut werden soll.

Im Übrigen ist über das Projekt praktisch nichts bekannt. Vom Staatlichen Tourismuskomitee kann man erfahren, da im Rahmen des oben genannten Forums die Samarkander Regionalregierung eine Vereinbarung mit der in Singapur ansässigen Firma „SEA business center“ (Summe unbekannt) sowie mit einer Firma mit dem interessanten Namen „USA UZProm LCC“ über 5 Millionen US-Dollar getroffen habe. Die Suche nach weiteren Informationen zu diesem „ausländischen“ Investor war nicht von Erfolg gekrönt.

Es muss noch einmal deutlich hervorgehoben werden, dass an Orten von historischer Bedeutung Bauarbeiten nur in Absprache mit dem Kulturministerium und teilweise nur mit Billigung der UNESCO durchgeführt werden dürfen. Ob die Stadtoberen von Samarkand ExpertInnen konsultiert haben oder ob Genehmigungen der zuständigen Staatsorgane vorliegen, ist nicht bekannt. Allerdings scheint die Position der Stadtverwaltung deutlich: Das ist unsere Stadt und wir entscheiden alles selbst und fragen weder die EinwohnerInnen noch SpezialistInnen.

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Dies verwundert umso mehr, da Usbekistan vor kurzem eine andere historische Stadt mit vielen Gebäuden auf der UNESCO-Liste praktisch verloren hat. Die Rede ist von Schachrisabz, das beinahe sein historisches Antlitz verloren hat. Auf der 42. Sitzung des Welterbe-Komittees der UNESCO wurde sogar darüber diskutiert die Stadt aus der Welterbe-Liste zu streichen, unter anderem wegen dem Abriss traditioneller Wohnviertel. Es gelang der usbekischen Delegation, dies zu verhindern. Wenn die Bauarbeiten in Samarkand wie geplant verlaufen, könnte der Welterbe-Status der Stadt in Gefahr sein.

Asis Jakubow für Fergana-News

Aus dem Russischen von Robin Roth

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