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Islom Karimow: Vom Waisenkind zum Vater der Nation

Islom Abduganijevitsch Karimow wurde am 30 Januar in 1938 in die Samarkander Familie Abdugani Karimows und seiner Frau Sanobar Karimowa geboren. Relativ wenig ist über Karimows frühes Leben bekannt und viele Details sind in größere Staatsmythen aufgegangen. Dennoch lassen selbst Unklarheiten einige (wenn auch spekulative) Einblicke in das Leben des nun verstorbenen Präsidenten.

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Karimow Leben
Karimow Leben

Islom Abduganijevitsch Karimow wurde am 30 Januar in 1938 in die Samarkander Familie Abdugani Karimows und seiner Frau Sanobar Karimowa geboren. Relativ wenig ist über Karimows frühes Leben bekannt und viele Details sind in größere Staatsmythen aufgegangen. Dennoch lassen selbst Unklarheiten einige (wenn auch spekulative) Einblicke in das Leben des nun verstorbenen Präsidenten.

Verschiedenen Quellen nach waren Karimows Eltern entweder Arbeiter oder staatliche Angestellte. Egal wie seine Familie ihren Lebensunterhalt tatsächlich bestritt, ist unumstritten, dass sie außerhalb der traditionellen Machtstrukturen Samarkands stand und dass Karimow später als politischer „Außenseiter“ gelten sollte.

Die bescheidene Herkunft und das Fehlen von einem familiär etablierten politischen Netzwerk sollten Karimow in seiner politischen Karriere zugute kommen – es war in der späten Sowjetunion nicht ungewöhnlich, Männer, die einen ähnlichen Werdegang hatten, in Führungsposten zu erheben – man siehe auf das Beispiel der benachbarten Präsidenten Nasarbajew (Kasachstan) und Nijasow (früher Turkmenistan).

Der junge Karimow wurde von seinen Eltern 1941 an ein Waisenhaus in Samarkand gegeben. Wohl 1942 wurde er wieder in seine Familie aufgenommen und dann 1945 erneut abgegeben. Diese Details führen zu diverser Spekulation, wie zum Beispiel das Gerücht, dass Karimow ein illegitimes Kind gewesen sei.

Es sollte aber nicht außer Acht gelassen werden, dass, obwohl Zentralasien weit entfernt von den Kämpfen und Gräueltaten der Front lag, der Zweite Weltkrieg in der südlichen Sowjetunion eine Hungersnot auslöste. Dazu kam noch ein Zustrom von Flüchtlingen und deportierten Minderheiten aus anderen Teilen der UdSSR, wie auch das Einziehen Tausender kampffähiger Männer – was zu weiteren sozialen Umbrüchen führte.

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Diese Zeit wird heute noch in Usbekistan, wie in vielen anderen Gebieten der ehemaligen Sowjetunion, als eine Art Urkatastrophe von der älteren Generationen memoriert. Das weitverbreitete Chaos könnte die Wiederaufnahme des jungen Islam erklären.

1955 schloss Karimow die Mittelschule ab. Über seine Zeit auf der Schule und Jugend kursieren ebenfalls auseinandergehende Darstellungen. Einige sehen in dem künftigen Präsidenten einen begabten Schüler, dessen Potenzial als Führungspersönlichkeit sich schon früh bemerkbar machte und der Auszeichnungen wie die Goldene Schulmedaille gewann.

Andere hingegen meinen einen dickköpfigen Wassermelonendieb, der seine Mitschüler manipulierte, erkannt zu haben. Diese Deutungen sind offensichtlich von Freunden und Feinden des späteren Präsidenten später aufgegriffen und verbreitet worden.

Eine nüchterne Analyse der Persönlichkeit des Präsidenten muss daher eher skeptisch mit solchen Hintergrundinformationen umgehen. Fest steht aber, dass sich der junge Karimow erfolgreich durch das sowjetische Bildungssystem manövrieren und Aufstiegschancen wahrnehmen konnte.

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Durch diesen Erfolg gelangte Karimow auf das Polytechnische Institut Mittelasiens in Taschkent (heute die Taschkenter Staatliche Technische Universität) von der er 1960 ein Diplom in Maschinenbau erhielt. Er begann darauf als Ingenieur zu arbeiten. Zuerst in dem Taschselmasch Werk (ein staatlicher Betrieb für landwirtschaftlichen Maschinenbau) und später im usbekischen Flugbau.

1964 trat Karimow der kommunistischen Partei bei. In dieser Zeit heiratete er Natlya Petrowna Kuchmi. Das Paar hatte einen Sohn namens Petr (der vermutlich in Moskau groß geworden und der usbekischen Öffentlichkeit vollkommen unbekannt ist), trennte sich aber bald nach dessen Geburt.

Karimows politischer Aufstieg begann 1966 beim Gosplan der Usbekischen SSR. Der Gosplan war die staatliche Planungskommission, deren Aufgabe darin bestand, den Fünfjahresplan der Sowjetunion zusammenzustellen.

1967 erhielt er einen zweiten Abschluss in Volkswirtschaftslehre von der Taschkenter Staatlichen Wirtschaftsuniversität. Noch im selben Jahr heiratete er Tatyana Akbarowna, eine Wirtschaftswissenschaftlerin aus einer politisch gut vernetzten Familie.

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Die politische Landschaft der Usbekischen SSR wurde in den sechziger Jahren sehr stark vom Ersten Parteisekretär Scharof Raschidow geprägt. Der junge Karimow fiel Raschidow schnell auf und wurde zum Schützling des erfahrenen Staatsmannes.

Raschidow sollte in Usbekistan als Verteidiger usbekischer Interessen gegen Moskau in die Geschichte eingehen. Aber in anderen Teilen der Sowjetunion war er als Symbol von Korruption und Vetternwirtschaft verpönt. Er war nämlich 1983 zentrale Figur eines Korruptionsskandals, im Zuge dessen der Regierung der usbekischen SSR unterstellt wurde, in massivem Ausmaß wirtschaftliche Produktionsstatistiken, vor allem in Bezug auf die Baumwollernte, verfälscht und große Summen des sowjetischen Budgets nach Usbekistan umgeleitet zu haben.

Offiziell soll Raschidow plötzlich im Laufe der Ermittlungen verstorben sein – aber bis heute kursieren Gerüchte, dass der noch amtierende Erste Sekretär der Usbekischen SSR Selbstmord begangen habe oder sogar ermordet wurde.

Karimow war zu diesem Zeitpunkt usbekischer Finanzminister. Trotz der Welle von Entlassungen, welche die Affäre Raschidow in den Republiken Zentralasiens auslöste, konnte Karimow sich in seiner Position halten und sogar weiter emporsteigen.

1986 wurde er zum Vorsitzenden des Gosplans, ein Posten, der als Startpunkt für eine Karriere auf der Unionsebene der UdSSR bekannt war. Schließlich wurde er 1989 Erster Sekretär der Usbekischen SSR.

Nach dem versuchten Putsch gegen Gorbatschew führte Karimow Usbekistan am 31. August 1991 in die Unabhängigkeit. Im Gegensatz zu den baltischen und kaukasischen Republiken gab es in Zentralasien allerdings kaum eine indigene Unabhängigkeitsbewegung und keinen historischen Vorgänger, auf den man hätte zurückgreifen können.

Die Regierung Karimows sah sich gezwungen, einen neuen Weg in die Zukunft zu finden – und an Legitimität zu gewinnen. Bei den ersten Präsidentschaftswahlen im Dezember 1991 gewann Karimow mit 86% der Stimmen, während 12% an Mohammad Salih, dem Vorsitzenden der oppositionellen Erk-Partei gingen.

Als seriöser Politiker in der Sowjetunion war Karimow hauptsächlich mit russischsprachiger politischer Rhetorik vertraut. Es ist wohl eine der Ironien der Geschichte, dass der Vater des unabhängigen Usbekistans anscheinend erst noch hochsprachliches Usbekisch erlernen musste, um seinen Anspruch zu untermauern.

Die Politik Usbekistans ruht auf zwei wesentlichen Legitimationspunkten: Auf der einen Seite versucht es sich und seine politische Elite als ein Nationalstaat mit historischen Ansprüchen zu präsentieren und zugleich als säkularer Staat, der in Zentralasien ein Bollwerk gegen Instabilität und Islamismus zu sein versucht.

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Seit der Unabhängigkeit wird Usbekistan immer wieder von zivilgesellschaftlichen Organisationen kritisiert – das Land wird zu den korruptesten und Menschenrechte missachtendsten Staaten der Welt gezählt. Karimows Töchter Gulnara (geb. 1972) und Lola (geb. 1978) sind zu Prominenten mit diversen Wohltätigkeitsorganisationen und Wirtschaftsinteressen geworden.

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Lange wurde spekuliert, ob Gulnara Karimowa, bekannt als Unternehmerin, Pop-Sängerin und Philanthropin für eine potenzielle Nachfolge vorgesehen war. Aber im Zuge eines blickdichten Korruptionsskandals im Februar 2014 wurde sie bezichtig, Millionen an Bestechungsgeldern angenommen zu haben. Seitdem verweilt sie in Taschkent – vermutlich unter Hausarrest. Ihr Vater war dabei nicht gewillt oder in der Lage sie in Schutz zu nehmen.

Seit 1991 regierte Karimow ununterbrochen. Nach seinem ersten Wahlerfolg 1991 wurde seine fünfjährige Amtszeit 1996 mit einem Volksentscheid bis 2000 verlängert. Bei den Wahlen 2000 wurde sein Mandat mit 92% der Stimmen bestätigt und die Amtszeit 2002 abermals mit einem Volksentscheid verlängert.

Dabei musste die Verfassung des Landes, die nur eine mögliche Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten vorsah, geändert werden. Trotz seines relativ hohen Alters und Gerüchten über seine schlechte Gesundheit, trat Karimow 2015 abermals zur Wahl an – und gewann freilich.

In dem vergangenem Vierteljahrhundert gab es allerdings auch zahlreiche Herausforderungen für Karimows Regierung. Unmittelbar nach der Unabhängigkeit mussten zahlreiche wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme schnell und mit mangelnden Ressourcen konfrontiert werden.

In den späten 90igern entstand die Taliban-nahe Islamische Bewegung Usbekistans, die es sich zum Ziel machte, eine islamische Regierung im Land zu etablieren. 2005 kam es im Zuge von Demonstrationen in und um der Stadt Andijon im Ferghanatal zu heftigen Ausschreitungen gegen Zivilisten. Zahlreiche Todesfälle waren zu beklagen.

Es ist unklar, wann genau Islam Karimow gestorben ist. Diverse Medien spekulieren, ob der noch amtierende Präsident am 26. August, an welchem er in das Krankenhaus eingewiesen wurde, kurz danach oder tatsächlich am 2. September, an dem die usbekische Regierung offiziell seinen Tod bekannt gab, starb.

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Er hinterlässt ein Land von über 31 Millionen Einwohnern, von der mehr als ein Viertel unter 15 Jahren alt ist. Zu seinem Vermächtnis gehört vor allem Unsicherheit: Die Frage nach einem Nachfolger beschäftigt nun alle möglichen Medien und Usbekistan-Beobachter. Unabhängig davon, wer nun den Staat führen wird, muss das Land sich auf viele weiter Herausforderungen gefasst machen:

Eine rasant wachsende Bevölkerung bei der die Kluft zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht, eine prekäre Landwirtschaft die Klimawandel-gefährdet ist und eine geopolitische Lage, in der die Interessen verschiedener Großmächte mitspielen und konkurrieren. Karimow mag der Vater der usbekischen Unabhängigkeit gewesen sein – doch nun muss eine neue Generation übernehmen.


Stephan Sprichmann

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