Der Bezirk Boʻstonliq in der Nähe der usbekischen Hauptstadt Taschkent ist als ein bei gestressten HauptstädterInnen beliebtes Naherholungsgebiet bekannt. Doch seit Jahren gibt es Probleme mit der touristischen Infrastruktur. Der folgende Artikel erschien am 3. September 2020 auf Fergana News. Wir übersetzen ihn mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Der Bezirk Boʻstonliq in der Provinz Taschkent ist der bekannteste und kultigste Tourismusort Usbekistans – zumindest unter jenen, die in der Nähe der Hauptstadt liegen. Hier, an den Ufern der Flüsse und des Chorvoq-Stausees, befinden sich nicht nur luxuriöse Residenzen von hohen Beamten und die „Datschen“ erfolgreicher Geschäftsleute, sondern auch zahlreiche Sport- und Erholungszentren, Skipisten, Wellness-Sanatorien und beliebte Strände.
Und wer hätte noch nicht von dem Lied „Brichmulla“ (benannt nach dem am Ufer des Chorvoq-Stausees gelegenem Dorf Burchmullo, Anm. d. Ü.) gehört? Oder von Chimgon – dem Skiort, der in den letzten Jahren bei RussInnen so beliebt geworden ist?
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Jedes Jahr werden es mehr TouristInnen, aber die Infrastruktur lässt nach wie vor zu wünschen übrig. Um die Verkehrsanbindung steht es schlecht, es gibt keine Kanalisation, die Müllkippen an den Ufern wachsen und die Wasserreservoire werden verschmutzt.
Der Präsident greift ein
Usbekistans Präsident Shavkat Mirziyoyev bemüht sich, das Gebiet zu einem echten Tourismus-Mekka zu machen. Bereits 2017 hat er hier eine freie Tourismuszone geschaffen und auf sie alle Bestimmungen für freie Wirtschaftszonen ausgeweitet.
Von solchen Entscheidungen gab es aber nur wenige. Am 28. August 2020 erließ Mirziyoyev ein Dekret, in dem offen die Probleme in der Verwaltung des Bezirks benannt werden: Die soziale Infrastruktur wird nicht entwickelt, Straßen und andere Infrastrukturobjekte sind veraltet, der illegale Bau von Objekten geht weiter, einen Generalplan für die Entwicklung des Gebiets gibt es nicht, und die Arbeit im Bereich Abfallwirtschaft, Umweltschutz und natürliche Ressourcen ist auf einem unbefriedigendem Niveau.
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Was gedenkt der Präsident nun gegen diese Probleme zu tun? An erster Stelle wird im Bezirk Boʻstonliq ein bis zum 31. Dezember 2022 befristetes besonderes Verwaltungssystem eingeführt. Im Rahmen dieses Systems wird der stellvertretende Ministerpräsident und Vorsitzende des Staatlichen Komitees für die Entwicklung des Tourismus Aziz Аbduhakimov zum Direktor der freien Tourismuszone „Chorvoq“ sowie zum Koordinator der Verwaltungstätigkeiten des gesamten Bezirks Bo´stonliq ernannt. Er bekommt viele Vollmachten und kann zum Beispiel Vorschläge für die Ernennung und Entlassung des Hokims (Verwaltungschef, Anm. d. Ü.), seiner StellvertreterInnen sowie anderer leitender Beamter machen. Außerdem kann er jeden einfachen Beamten im Bezirk wegen minderwertiger Ausführung von Instruktionen entlassen. Abduhakimovs Befugnisse im Bezirk Boʻstonliq werden fast wie im Ausnahmezustand sein.
Umfassende Vollmachten
Die von ihm geführte Direktion der freien Tourismuszone wird Ferienhäuser, Pensionen, Sanatorien, „andere Objekte des Staatseigentums“ sowie Grundstücke, auf denen die Möglichkeit zur Schaffung touristischer Infrastruktur besteht, zu ihrer Verfügung erhalten. Auf Grundlage einer Liste, die direkt vom Kabinett genehmigt wird, wird die Direktion diese Objekte „effektiv nutzen“ oder „realisieren“. Darüber hinaus verfügt der Direktor über das Recht Verträge mit ausländischen InvestorInnen und internationalen Finanzinstituten zu schließen und er kann Entscheidungen über den Verkauf von im Bezirk gelegenen Grundstücken und Objekten im Staatsbesitz treffen sowie diese als Sicherheit für Kredite verwenden.
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Das Staatliche Komitee für die Entwicklung des Tourismus wird einen Fonds für die Entwicklung der touristischen Infrastruktur in alpinen und abgelegenen Gebieten mit einem Umfang von 20 Millionen US-Dollar schaffen, über den die Direktion für die Dauer von 20 Jahren verfügen wird. Außerdem wird das Finanzministerium des Landes beauftragt, dem Fonds 10 Milliarden Sum (circa 800.000 Euro) zuzuweisen, um eine ausführliche Planung für das Territoriums des Bezirks zu erarbeiten. Dieses Geld wird von Abduhakimov persönlich verteilt.
Die wichtigsten Aufgaben, die der Präsident dem neuen „Direktor des Bezirks Boʻstonliq“ stellt, sind eine deutliche Erhöhung der Zahl von Hotels, gastronomischen Angeboten, Kultur- und Unterhaltungszentren, Grünflächen für Erholung und Spaziergänge, Parks, sowie der Ausbau neuer Arten von Dienstleistungen in diesem Bereich. Von zentraler Bedeutung ist die Entwicklung von Infrastruktur und Logistik, insbesondere von Straßenverbindungen, Trinkwasserversorgung, Kanalisationen, sowie von Telekommunikationsnetzen und Internetdienstleistungen im gesamten Bezirk, einschließlich der alpinen und abgelegenen Dörfer. Das Leben der Bevölkerung soll durch die Entwicklung der sozialen Infrastruktur verbessert werden.
Der Erlass des Präsidenten verbietet für den Bezirk Boʻstonliq auch die Ansiedlung von umweltverschmutzenden Industrieunternehmen. „Die neue Direktion wird nach den Plänen des Staatsoberhauptes die Kontrolle über die lokalen Behörden übernehmen, welche ihre Aufgaben tatsächlich nicht bewältigen können“, erklärte eine der usbekischen Regierung nahestehende Quelle gegenüber Fergana. „Sie wird tatsächlich die ineffizient arbeitende Verwaltung des Bezirks ersetzen. Denn die lokale Verwaltung erschwert mit ihren Aktionen immer wieder die Umsetzung der Regierungsentscheidungen. Aus Bequemlichkeit haben sich jetzt alle dafür entschieden, sie dem Vizepremier zu unterwerfen, sodass Fragen direkt, ohne unnötige Koordination und bürokratische Verbindungen gelöst werden können.“
Ein neues Modell für Usbekistan?
Es sei hinzugefügt, dass die Wirtschaft Usbekistans noch weitgehend im Modus der „manuellen Steuerung“ arbeitet. Ein universelles System, das die Vereinheitlichung von Gesetzen und Steuern, die Anwesenheit unabhängiger Gerichte und die strenge Kontrolle durch Presse und Gesellschaft beinhalten sollte, wurde in der Republik Usbekistan noch nicht geschaffen. Deshalb gibt es bei fast jedem großen Staatsprojekt eine Verordnung des Präsidenten, die ausführlich beschreibt, wer, was, wo, und wann zu tut hat…
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Aziz Abduhakimov gilt übrigens als progressiv und als eine sehr gebildete und aktive Person. Wir werden sehen, was er in den nächsten eineinhalb bis zwei Jahren in Boʻstonliq umsetzen kann. Seine Ernennung kann ein interessantes Beispiel für die Wirksamkeit oder Ineffizienz dieser sehr manuellen Verwaltung werden, wenn an der Spitze eines Bezirks ein Vizepremier stehen wird, der eine Carte blanche vom Präsidenten erhalten hat.
Daniil Kislow für Fergana News
Aus dem Russischen von Robin Roth
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