Auch dieses Jahr müssen fast 4 Millionen Hektar mit Pestiziden gegen Heuschrecken in zahlreichen Gebieten Zentralasiens bearbeitet werden. Arbeiten in den Regionen Türkistan und Jambyl (Kasachstan), Chatlon (Tadschikistan) sowie Qashqadaryo, Surxondaryo und Buxoro (Usbekistan) sind bereits in vollem Gange.
Mit Heuschreckenplagen und katastrophaler Zerstörung der Ernten verbinden viele Menschen wahrscheinlich eine der biblischen Plagen in Ägypten. Heuschrecken bedrohen die Menschheit aber immer noch bis heute. So erreichten uns in Europa vor allem die Nachrichten über desaströse Plagen aus Westafrika (2003-2005) und Ostafrika (2019-2021).
Aber Heuschreckenplagen in Zentralasien? Tatsächlich bietet Zentralasien aufgrund der semi-ariden und ariden Bedingungen ideale Voraussetzungen und Lebensräume für viele Heuschreckenarten (Foto 1). Vor allem die Marokkanische Wanderheuschrecke (Foto 2), die Italienische Schönschrecke (Titelbild) und die Asiatische Wanderheuschrecke sind gefährliche Arten und müssen in Zentralasien jedes Jahr beobachtet und bekämpft werden.


In den Jahren 1998 bis 2001 kam es zu einer der verheerendsten Plagen in der jüngeren Geschichte Kasachstans. Ein massiver und großflächiger Einsatz von giftigen Pestiziden war deshalb notwendig; allein im Jahr 2000 waren es 7 Millionen Hektar.
Heuschreckenbekämpfung und aktuelle Situation in Zentralasien
Die Beobachtung, Prognose und Bekämpfung von Heuschrecken unterstehen in zentralasiatischen Ländern den Ministerien für Landwirtschaft. Jährlich müssen in ganz Zentralasien bis zu 40 Millionen Hektar beobachtet werden. Sobald die Heuschreckenpopulation eine gefährliche Dichte erreicht, müssen diese bekämpft werden, um einen Ausbruch oder gar Plage zu verhindern. Im Vergleich zum Jahr 2023 stieg 2024 die gegen Heuschrecken bearbeitete Fläche von ca. 2,5 Millionen Hektar auf fast 4 Millionen Hektar. Allein in Kasachstan wurden für den Bekämpfungseinsatz ca. 15,5 Millionen Euro ausgegeben.
Trotzdem gab es in vielen Regionen lokale Ausbrüche (z. B. in den Regionen Aqtöbe, Qostanai, Türkistan). Für 2025 prognostizieren zuständige Behörden notwendige Bekämpfungsmaßnahmen in ähnlicher Größenordnung. Ob es in diesem Jahr jedoch trotz intensiver Beobachtung und Bearbeitung zu Heuschreckausbrüchen kommt, hängt von lokaler Witterung, der Wirkung eingesetzter Pestizide, aber auch von der Effizienz des Managements ab.
Unterstützt Novastan – das europäische Zentralasien-Magazin
Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung!Außerdem handelt es sich bei Heuschrecken um grenzüberschreitende Schädlinge, die große Distanzen zurücklegen. So kann es sein, dass Gebiete in einem Staat trotz maximalen Einsatzes von Heuschreckenschwärmen heimgesucht werden, wenn im benachbarten Staat keine oder weniger erfolgreiche Bekämpfungsmaßnahmen stattfanden. Deshalb sind internationale Initiativen wie z. B. die der FAO (Food and Agriculture Organization of the United States) von hoher Bedeutung für die Nahrungsmittelsicherheit betroffener Länder.
Neben den bereits erwähnten drei Heuschreckenarten kam es in letzten Jahren zu einem verstärkten Einsatz gegen den sogenannten Saxaul humpback (Dericorys albidula, Foto 3). Aufgrund der großen natürlichen und aufgeforsteten Saxaul-Gebiete wird diese Art vor allem in Usbekistan zum Problem.

Lest auch auf Novastan: Das „Aralsee-Syndrom“ – Warum schrumpft das Kaspische Meer?
Zwar spielt die Aufforstung von Saxaul-Bäumen eine wichtige Rolle für die Verringerung von Staubstürmen, vor allem auf dem ausgetrockneten Boden des ehemaligen Aralsees (Aralkum-Wüste). Jedoch kam es in den letzten Jahren vermehrt zu Bekämpfungskampagnen gegen diesen spezialisierten Schädling. Ob der Anstieg des Saxaul humpback mit der Vergrößerung der Saxaul-Gebiete in direktem Zusammenhang steht, muss wissenschaftlich noch untersucht werden.
Heuschrecken und ihre Änderung im Verhalten
Gefährliche Heuschreckenarten (davon gibt es weltweit mehr als zwei Dutzend) können in zwei unterschiedlichen Phasen vorkommen. In der einen, sogenannten solitären Phase, benehmen sie sich wie herkömmliche Grashüpfer. Sie sind Einzelgänger, sehr wählerisch in der Nahrungswahl und sind ein wichtiger Teil eines gesunden Ökosystems. Durch Änderung der Umweltbedingungen kann es aber periodisch zu Verdichtung der Heuschreckenanzahl auf kleiner Fläche kommen.
Die erhöhte Dichte einzelner Heuschrecken führt dazu, dass sie eine Wandlung durchmachen und in eine sogenannte gregäre Phase übergehen. Während dieser gregären Phase ändern sie ihr Verhalten und manche Arten sogar ihr Aussehen. Sie treten nun in Schwärmen auf, sind viel gefräßiger und mobiler. Unkontrolliert kommt es zu starkem Anwachsen der Population und daraus entwickelt sich schließlich eine Plage.
Heuschreckenausbrüche und Plagen
Heuschreckenausbrüche können nicht durch eine bestimmte Ursache erklärt werden. Vor allem in Zentralasien ist das ein Zusammenspiel zwischen verschiedenen Umweltparametern, Landnutzung und Management. Temperatur, lokale Niederschlagsmenge und Bodenfeuchte bestimmen die Verteilung natürlicher Futterquellen (Vegetation) und damit die Dichte von Heuschrecken.
Menschliche Aktivitäten wie z. B. Feldbau und Überweidung wirken sich ebenfalls direkt auf die Heuschreckenpopulation aus. So geht man davon aus, dass die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion brachliegenden Felder die Plagen in den Jahren 1998 bis 2001 ermöglichten. Die Einstellung von Bodenbearbeitung führte dazu, dass die Steppe „zurückkam“ und der Italienischen Schönschrecke einen größeren Lebensraum für ihre Verbreitung gab.
Lest auch auf Novastan: Zentralasien droht eine der schlimmsten Heuschreckenplagen der letzten Jahrzehnte
Abgesehen von Umweltänderungen und menschlicher Landnutzung spielt ein ineffektives Heuschreckenmanagement bei Ausbrüchen und Plagen eine zentrale Rolle. Unzureichende Beobachtung und ineffiziente Bekämpfung, z. B. aufgrund von Mangel an Technik und Fachpersonal (oft wegen instabiler Finanzierung, politischer Lage oder geschwächten Behörden) werden immer wieder als Grund genannt, wenn es zu Plagen kommt.
Gesundheit, Nahrungssicherheit und Umwelt
Aus heutiger Sicht gibt es zwei grundsätzliche Probleme, wenn Heuschrecken Schwärme bilden. Zum einen verursachen Schwärme große Schäden in der landwirtschaftlichen Produktion. Zum anderen basiert heute die Bekämpfung immer noch auf zum Teil sehr giftigen Pestiziden. Diese schädigen das gesamte Ökosystem und gefährden bei falscher Anwendung auch die Gesundheit der Menschen.
Zwar gibt es Fortschritte in der Nutzung von Biopestiziden (Bakterien oder Pilze, die nur auf Heuschrecken wirken), aber diese haben eine längere Wirkungszeit, verursachen größeren Aufwand in der Herstellung sowie Lagerung und damit auch höhere Kosten. Aus diesen Gründen wird die Bekämpfung immer noch hauptsächlich mit chemischen Pestiziden durchgeführt – mit all den negativen Folgen für die Umwelt und Menschen.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) – Erdbeobachtung aus dem All
Eine verbesserte Prognose und Früherkennung können einen wesentlichen Teil dazu beitragen, den Einsatz von Pestiziden so minimal wie möglich zu halten und sie auf kleineren Gebieten einzusetzen. Gleichzeitig kann eine bessere Prognose und Früherkennung den Einsatz von Biopestiziden weiter fördern, da dadurch mehr Zeit für Planung, Einsatz und Wirkung gewonnen wird. Eine der wichtigsten technologischen Errungenschaften im präventiven Pestmanagement ist die Nutzung von Fernerkundungsdaten. Allerdings wird diese Möglichkeit noch nicht im vollen Ausmaß ausgeschöpft und hätte auch in Zentralasien hohes Nutzungspotenzial.
Im Rahmen verschiedener internationaler Projekte treibt das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des DLR die Entwicklung digitaler Lösungen und moderner Technologien voran. Vor allem die Nutzung von Satelliten- und Drohnendaten (Abbildung 1) sowie der Anwendung künstlicher Intelligenz (KI) könnten in Zukunft zu Verbesserungen bei der Beobachtung und Prognose führen.

Auch bei der Erforschung, wie sich der Klimawandel auf die Ausbreitung und das Verhalten von Heuschrecken auswirkt, werden Satellitendaten eine wichtige Rolle spielen. Hier bleibt viel Forschungsbedarf, da erste Studien darauf hindeuten, dass der Klimawandel zu häufigeren Plagen führen wird.
Ausblick in die Zukunft
Nicht zuletzt sind Heuschrecken eine hervorragende Proteinquelle und enthalten viele wichtige Nährstoffe wie Eisen, Zink und B-Vitamine. Sie werden in vielen Kulturen seit Jahrhunderten als Teil der traditionellen Ernährung genutzt. In Anbetracht des globalen Wandels mit wachsender Bevölkerung und immer spürbareren Auswirkungen des Klimawandels auf die Nahrungssicherheit könnten Heuschrecken in Zukunft eine wichtige Rolle als Nahrungsmittel oder Tierfutter spielen; so wurden Heuschrecken während der letzten Plage in Kenia gesammelt und auf dem Markt verkauft.
Und in Zentralasien? Mit den vielen Heuschreckenarten besitzt Zentralasien vielleicht eine natürliche und nachhaltige Ressource, die sich mit verbesserten Technologien und zielgerichtetem Management möglicherweise von einer Plage zu proteinreicher Futter- bzw. Nahrungsquelle wenden ließe. Schon in der Vergangenheit ließen Tierhalter in Zentralasien z. B. ihre Schafherde Heuschreckenansammlungen folgen und sich davon ernähren.
Kommentare und Anfragen zum Thema gerne an: locust-tec@dlr.de
Dr. Igor Klein, Mitarbeiter Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR)
Redaktionell betreut von Michèle Häfliger
Noch mehr Zentralasien findet ihr auf unseren Social Media Kanälen: Schaut mal vorbei bei Twitter, Facebook, Telegram, Linkedin oder Instagram. Für Zentralasien direkt in eurer Mailbox könnt ihr euch auch zu unserem wöchentlichen Newsletter anmelden.