In Tadschikistan wird immer wieder der Strom abgestellt. Aus Anlass des Internationalen Energiespartages veröffentlichte Asia-Plus am 11. November 2020 den folgenden Artikel. Wir übersetzen ihn mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Tadschikistans Regierung ruft seit langem dazu auf, im Privathaushalt und in der Industrie sparsam mit dem Stromverbrauch umzugehen. Allerdings muss sie die Bevölkerung gar nicht bitten, sondern beschließt einfach eine Verbrauchsgrenze, so wie es nach wie vor immer wieder der Fall war.
Wie alles begann
Im Winter 2007 wurde erstmals eine Höchstgrenze für den Stromverbrauch eingeführt. Es wurde mitgeteilt, dass der Strom zwischen 23 Uhr und 5 Uhr des Folgetages abgeschaltet werde. Barqi Tojik (Das staatliche Energieunternehmen, Anm. d. Ü.) erklärte, dass der Grund für die Einschränkungen der niedrige Wasserstand im Fluss Wachsch und damit einhergehend auch im Stausee des Nurek-Wasserkraftwerks sei.
Um den Mangel an Strom auszugleichen, vereinbarte Barqi Tojik mit Uzbekenergo (dem usbekischen staatlichen Energieunternehmen, Anm. d. Ü.) den Import von 600 Millionen Kilowattstunden Strom aus Usbekistan. Als Bedingung wurde aber auferlegt, dass Tadschikistan im Sommer mindestens 900 Millionen Kilowattstunden zurückgibt.
Das schwerste Jahr
Das schwerste Jahr war 2008. Die Energiekrise betraf fast alle Länder Zentralasiens. Sie stand im Zusammenhang mit dem kältesten Winter seit 1969, und hohen Preisen für Lebensmittel und Kraftstoff. Die Vereinten Nationen, das Rote Kreuz und der Rote Halbmond riefen die internationale Gemeinschaft auf, circa 25 Millionen US-Dollar an Hilfe für die zentralasiatischen Regierungen zu sammeln.
Seit dem 13. Januar 2007 war die Landbevölkerung komplett von der Stromversorgung abgeschnitten, in Duschanbe gab es täglich nur zwischen ein und drei Stunden Licht. Ende Januar wurde in der Hauptstadt nun auch der Strom für Kleinunternehmen abgestellt. Bis in den Frühling konnten sie nicht arbeiten und erlitten große Verluste.
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Die Einschränkungen galten bis zum 10. Februar, wurden später aber bis zum Nawrus-Fest Ende März verlängert. Es gab nur wenige Ausnahmen, zu denen Regierungsinstitutionen, Krankenhäuser und Talco (ein Aluminiumunternehmen, Anm. d. Ü.) gehörten. Wegen der nicht funktionierenden Zentralheizung in den Städten und aufgrund des abgestellten Stroms heizte man in den Wohnungen mit kleinen Öfen.
Während der Stromsperre gab es in den Medien zahlreiche Berichte über Todesfälle von Kindern in Entbindungsstationen und PatientInnen in Krankenhäusern. Im Nachhinein erklärten UN-ExpertInnen, dass fast ein Drittel der EinwohnerInnen Tadschikistans in der Zeit der strikten Strombegrenzung an Unterernährung litt.
Der große Stromausfall von 2009
Zu einem fast vollständigen Stromausfall kam es im Jahr 2009. Im November jenes Jahres blieben aufgrund eines Zwischenfalls an der Hochspannungsleitung Nurek – Tursunsoda 70 Prozent des tadschikischen Staatsgebiets ohne Strom. Die Aufregung im Zusammenhang mit der Einschränkung der Stromversorgung beeinflusste die Preise für Grundnahrungsmittel, die in der Folge um 20 Prozent anstiegen.
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Darüber hinaus wurde in jenem Jahr in Tadschikistan 11 Prozent weniger Strom produziert als im Vorjahr. Es wurde erlassen, dass in den Jahren 2009-2011 die verantwortlichen Ministerien und Behörden den Aufbau zweier Unternehmen zur Produktion von Energiesparlampen und die Einhaltung der stromsparender Standards sicherstellen sollten.
Die Regierung des Landes wurde beauftragt unter der Beteiligung von Investoren die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um innerhalb von drei Jahren den nationalen Bedarf an Gas und innerhalb von vier Jahren den Bedarf an Strom aus inländischen Ressourcen zu decken.
Leere Versprechen
Von nun an gab es jedes Jahr von November bis April eine Begrenzung des Energieverbrauchs. Barqi Tojik versicherte, dass die Einschränkungen 12 Stunden pro Tag nicht überschreiten werde und Duschanbe und einige andere Industriestädte nicht tangieren würde.
„Angesichts des Volumens der Wasserkraftreserven des Landes werden in einigen Bezirken der Republik Beschränkungen in der Stromversorgung eingeführt“, teilte das Unternehmen jedes Jahr mit. „Es werden weder lebenswichtige Einrichtungen noch Verwaltungsgebäude betroffen sein.“ Vor allem im ländlichen Raum wurde dieses Versprechen jedoch nicht immer eingehalten.
„Prävenzion“ anstatt „Begrenzung“
Ab 2018 begann man das „Begrenzung“ durch das Wort „Prävention“ zu ersetzen. Im Herbst und Winter gab es fortan in ländlichen Gebieten von 5 bis 8 Uhr morgens und von 17 bis 24 Uhr abends Strom. ExpertInnen von Barqi Tojik erklärten, dass es sich nicht um einen Engpass, sondern nur um Präventionsmassnahme handele. Vor Ort sagten die ExpertInnen des Wasserkraftwerks, dass am Nurek Wasser gespart werde: Es gebe einen sehr niedrigen Zufluss, weil das Wasser des Flusses Wachsch bereits für das Füllen des neuen Rogun-Stausees abgezweigt werde.
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Den Behörden zufolge werde Tadschikistans Bevölkerung seit 2017 rund um die Uhr mit Strom versorgt. Der jüngste Landesweite Stromausfall wurde dadurch erklärt, dass im Herbst und Winter 2019-2020 im Quellgebiet der Flüsse Wachsch und Pandsch zu wenig Schnee fiel. In den vergangenen Jahren habe er 50 Prozent der Abflussmenge ausgemacht.
In diesem Zusammenhang wandte sich die Regierung sogar an die Bevölkerung des Landes und bat um Verständnis für die von Barqi Tojik eingeführten Beschränkungen. Sie dienten einzig dem Ziel, die Reserven des Nurek-Stausees zu erhöhen.
Notwendige Investitionen
Die in Tadschikistan existierenden Wasserkraftwerke sind schon mehr als 30 Jahre am Netz. Ihre technischen Möglichkeiten sind ausgereizt. Mehr als 50 Prozent der Ausrüstung, Verteilungsnetze und Umspannwerke müsste inzwischen generalüberholt werden.
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Der Energieverlust der Anlagen beträgt 14,1 Prozent, obwohl er in der Regel 8 bis 10 Prozent betragen sollte. Es ist überaus notwendig, den Zustand der Übertragungs- und Verteilungsnetze zu verbessern. Es wird geschätzt, dass die tadschikischen Energienetze über ein Effizienzpotenzial von 4 bis 6 Prozent verfüge.
Darüber hinaus seien die bestehenden Heizungsnetze veraltet und befinden sich aufgrund ihrer mangelhaften Wartung in einem schlechten Zustand. Sie müssen zusammen mit den Wärmekraftwerken modernisiert werden. Die regelmäßig auftretenden Massenstromausfälle verschärfen diese Probleme nur und können nicht als Maßnahme zur Energieeinsparung herangezogen werden.
Saifuddin Karajew für Asia-Plus
Aus dem Russischen von Robin Roth
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